Christof Wackernagel

Traumprotokolle


Скачать книгу

Sofas und Sesseln sitzt, einige am Tisch führen verklemmte Gespräche, während ich auf heißen Kohlen sitze, weil meine Freunde auf mich warten, aber schon zwei Stunden vergangen sind und ich endlich wegkomme; der Aufzug stimmt nicht ganz, kommt nicht ganz passgenau an, sondern etwas tiefer als die Etage, sinkt auch fast einen halben Meter tief, da sehe ich den Schatten von einem, der noch reinwill, versuche zu stoppen, wieder hochzukommen, aber da ist doch keiner und meine beiden Freunde haben sich schon Spaghetti Bolognese in das Großraumbüro kommen lassen –

      – Stefan ist an einen Ort verlegt, dessen Postleitzahl mit 5 anfängt, und schreibt: »alle meine Bezüge sind zerstört«, was ich übertrieben finde, wo er doch in Bochum gar keine Kontakte hatte; ich gehe mit Fips auf einer breiten Straße, in der Dämmerung, gegenüber eine breite hohe Häuserfront, in der ich war, auch Fips hat woanders übernachtet, aber nicht bei der Frau, bei der ich neulich war, und in dem Hotel, in dem ich die nächsten zwei Nächte sein werde, will ich ein anderes Zimmer, aber anstelle einer Antwort geht der Hotelier ins Haus gegenüber und schmeißt aus dem dritten Stock Sessel, Tische, Plattenspieler, alles, was nicht niet- und nagelfest ist, aus dem Fenster; vor allem den Plattenspieler sehe ich genau, wie er so schräg in der Luft hängt, und alles fällt auf den von ihm und mir entwickelten Kleinbus, den es nur einmal gibt, beziehungsweise jetzt gab, und ich bin froh, dass es mit ihm eh nicht weitergeht, sonst täte es mir leid um ihn, und der Hotelier klagt sein Leid, dass er keine weiteren Subventionen bekommen hat, und dann will er hoch auf den Turm, wo wir – zu dritt – in großer Höhe umsteigen müssen in den Förderkorb, der nicht aufklappt, der Mechanismus klemmt, er müsste sich innerhalb des Turmgestänges von selbst auseinanderklappen, was die beiden anderen schließlich mit Müh und Not schaffen, aber ich hänge draußen in schwindelerregender Höhe und muss mit den Füßen zuerst rein, kann mich nirgends halten und es ist unklar, ob die beiden stark genug sind, mich an den Beinen hochzuziehen – endlich klappt es, und wie wir auf der oberen überdachten Plattform aussteigen, lassen wir uns erstmal völlig fertig fallen, aber dann will der Neofaschist mit uns diskutieren, uns überzeugen, wir streiten, haben ihn angezeigt, an einem Biertisch mit Bänken davor sitzend, in der Nähe der Nalepastraße, Irre lungern an der Haltestelle rum, denken, sie würden bald Stars, eine Frau setzt sich auf eine Kiste und sagt zu ihrem Freund: »ich habe achtzehn Drehtage«, was natürlich nur Einbildung ist, und der Neonazi droht, uns und mich umzubringen, beschreibt seinen Einmarsch in Hinterindien, den wir gleichzeitig in einem dreidimensionalen Film über unseren Köpfen sehen, holografisch, sozusagen, mit Elefanten und Cymbals und ge-schmückten Frauen, aber drohend; da stoße ich ihn weg und er stöhnt, leidet, klagt, das sei sowieso seine Wunde von dem Schuss von mir in seine Brust • im Theater treffe ich Steckel, aber es gibt nur einen kurzen Krach, ist dann eher neutral, und ich verspreche, zur Ensembleversammlung zu gehen, wo erstmal eine Hetzrede von Bettina Fless auf mich laufe; sie steht im Halbrund und produziert sich, aber mich berührt das Ganze seltsam wenig, alle sind fremd, Nata regt sich wahnsinnig auf, und als ich zu meiner Rede ansetze, werde ich dauernd unterbrochen, bis ich laut werde, selber auch im Rund umhergehe und frage: »was ist das für ein Demokratieverständnis?«, finde mich selber aber übertrieben und künstlich, und nachdem Nata vor Wut während, beziehungsweise am Ende von Fless’ Rede rausging und während ich unterbrochen wurde, gehen nun die Schauspieler einfach raus, bis ich alleine dasitze und warte, dass Nata wieder zurückkommt, nach einer Weile stelle ich fest, dass ich nur Strümpfe anhabe, und frage mich, ob ich bei der Diskussion auch schon nackt war, erinnere mich dann aber, dass ich mich erst hinterher auszog, als es dunkel wurde, aber Nata kommt nicht, ich gehe sie suchen, ist nirgends, das Telefon an der Pforte ist erst lange besetzt, dann kommt eine ältere Frau raus und lässt den Hörer uneingehängt, weil noch zwanzig Pfennig drin sind, so dass ich für zehn Pfennig anrufen kann, aber es geht nicht, ich komme nicht durch, nur die automatische Kinoansage ist zu hören, vielleicht ist Nata ja bei Wolfgang, aber dessen Tür ist schon abgeschlossen und aus der offenen vorne hört man Steckels Stimme, wie er monologisiert: »das muss man langsam zerquetschen, so dass die Tröpfchen einzeln rauskommen«, und im Gang nach hinten, wo ich vorne noch ein Treppenhaus entdecke, das ich noch nie gesehen habe, kommt ein Hündchen auf mich zu, freudig an mir hoch springend, und gegleitet mich, aber im hinteren Treppenhaus ist alles voller Leute, die in einer Malersaal-Vorstellung waren –

      – Computeranzeige:

      ____________________________________

      Bitte ………………………

      spiele mir in Anbetracht dessen ……………

      dass Christof den Satz ……………….

      vergessen hat …………….

      vor: ……………………

      __________________________________

      – mit einem jungen Beilharz zu dritt vorne im Auto; Barbara fährt und er lobt an meiner Bonner »Endlicher Sieg«-Inszenierung vor allem die Erotik des Schlusses, was ich an Barbara weitergebe: »sie hatte ich als Vorbild«, und Barbara, die rote Nylonstrümpfe anhat und ein Kleid wie in Recklinghausen, wirft mir Blicke zu, vom Steuer aus, ihre Schenkel blitzen zwischen dem Kleid hervor, aber Beilharz sagt, dass er die Kassette nie gesehen hat, da sind wir am Ziel, am Parkplatz vor einer Videothek am Bahnhof, wo wir ihn rauslassen –

      – ich flaniere mit Britta und Hardi vor der Sonnenleite, wir verabschieden Leute, die aus dem Auto winkend zurück, beziehungsweise weg fahren, da kommt das Gerücht auf, es sei eingebrochen worden, und ich renne in unseren Bungalow, lasse aber alle Türen offen stehen, was Renate sicher aufregen wird, aber dann schlagen die hellbraunen Holztüren unseres Wohnzimmers mit den großen Fenstern zu, weil der Wind einen solchen Durchzug macht, und ich gehe raus in den Garten, wo ich neben dem Nachbarsgarten auf dem Weg sehe, wie ein Mann einen anderen verfolgt, renne selbst in Nachbars Garten, weil ich denke, dass es der Einbrecher ist, der verfolgt wird, und steige da auf den Zaun, da fallen beide hin und der Verfolger sagt außer Atem, lachend auf meine Frage: »war nur ein evangelischer Test?«, und in dem Moment sehe ich, dass Nachbar Töpfer im Lehnstuhl im Garten sitzt, und es ist mir peinlich, aber er grinst verständnisvoll – mit zwei Frauen mache ich eine SPD-Wahlveranstaltung in einem Circus und heize das Publikum mit agitatorischen Fragen zu ihren Lebensbedingungen an, gehe die Ränge hoch und rede die Leute direkt an, bis ich nach der Dritten Welt frage und wie es sich denn vereinbart, dass die viel weniger haben, da antwortet mir ein grauer Abgeordneter, der an der Seite kauert, flüstert erst so leise, dass ich nichts verstehe, wird dann aber durch mein massives Drängen lauter und sagt: »die Juden sind an allem schuld« – ich flippe völlig aus, renne aus dem Circus in den Vorraum, wo Kivelitz mich zu beruhigen versucht und sich rechtfertigt, von der SPD Geld für die Zeitung genommen zu haben, die sonst nicht möglich gewesen wäre; ich fresse nebenher belegte Brötchen, während das Büfett schon abgeräumt wird, und denke dann: ›das muss ich Herta petzen, damit der Typ nicht in den Bundestag kommt!‹ – ich gehe durch die Straßen und sehe in einem Lokal, wie Kollegen sich an die Bar setzen, an einem Tisch davor Wolfgang Panzer, den ich nur von hinten sehe, gehe aber mit der Frau, mit der mich etwas Zartes, auch verborgen Erotisches verbindet, in ein anderes Lokal, wo wir angenehm reden, aber dann kommen auch hier Kollegen vom Drehen, der junge nette Hauptdarsteller, der sich freut, schließlich auch Remo, der aus Platzmangel gleich selbst auf dem Tisch sitzt und, zurückgelehnt es sich gemütlich machend, sagt: »geil, wie im Knast«, aber dann klagt einer, dass er die Läden des Fensters wegen des starken Windes nicht aufkriegt, und alle machen rum und helfen ihm, aber es weht so stark, dass nichts geht, bis die Frau, mit der ich gekommen bin, und die die einzige Frau in der Männerrunde ist, die Sache in die Hand nimmt und das Fenster aufmachen kann –

      – ich stehe mit Renate und einer Frau, die wie Silvi aussieht, vor dem Fernseher neben dem Bett und wir wollen alle drei miteinander schlafen, wobei Silvi noch einen durchsichtigen, seidenen, spitzenbesetzten Body anhat und sich dafür entschuldigt, weil ihre Freundin ein Kind habe, müsse sie den jetzt tragen, was ich aber gut finde, und ich sage: »nein, nein, lass an«, aber Nata will entweder alleine mit ihr oder alleine mit mir schlafen, was ich nicht will, woraufhin sie uns zusammen ins Bett schickt und selbst draußen bleiben will, was wiederum ich nicht will und Silvi auch nicht, so dass wir doch zu dritt ins Bett gehen, aber Nata in der Mitte; es ist dunkel, und das Bett ist weg, ich stehe alleine da und sortiere