Christof Wackernagel

Traumprotokolle


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sagt, das sei »die Bedeutung der Lager«, und die Beamten freuen sich über die von ihr geschenkten Kaffeesahnedöschen, aber Erika macht Vorwürfe wegen Sabines Umzug, da sehe ich einen Laptop, auf dem kleine Filmszenen eingespielt sind, eine raffinierte Szene mit Verfolgung auf der Straße, einer hängt sich hinten an ein Auto, und ich frage, »ob er das von alleine gibt«?, da wälzt sich eine Demo am Knasteingang vorbei, und da der in einer belebten Fußgängerzone liegt, kann man nicht zwischen Demonstranten und Passanten unterscheiden –

      – Krach mit Schütz wegen fünfzig Stöcken für die Schwimmer, die ich angeblich nicht rechtzeitig besorgt habe, völliger Bruch, wir wollen nie mehr etwas miteinander zu tun haben, ich schwimme durch die Choreographie der fünfzig blau gekleideten Schwimmer im Fluss zurück, ein beeindruckendes Bild, das muss man schon zugeben, auch, wie sie im Takt die Stöcke unter Wasser schwingen, aber ich überlege, ganz wegzuziehen, vielleicht mit Sabine zusammen eine größere Wohnung zu nehmen, hier hat sie ja noch eine Hütte, aber dann komme ich in einen Raum, vor dem ein Gang ist, an dessen Ende das Wort »Frühstück« aufblinkt und blinkt und blinkt –

      – ich sitze auf einer Politgroßveranstaltung auf einem Platz, aber es wird, wie immer, nur Blabla geredet, eine Frau steht auf und redet Blödsinn, ich wusste es im Grunde vorher, und dann wälzt sich der Haufen auch noch über mich, dass ich fast ersticke, das hat man davon, aber ich wälze den Haufen durch eine Schulterdrehung von mir ab, und wie ich im Park ankomme, spielen Christine und Tim und noch jemand zur Begrüßung für mich Saxophon, was ich irgendwie rührend finde, und ich muss, was zum Spiel gehört, in die Wohnung, wo ich Nata in der Badewanne finde, wie tot, aber bevor der Schreck ganz da ist, wacht sie auf, sagt, sie habe es in Berlin nicht ausgehalten und sei deshalb sofort zurück, woraufhin ich wieder rausgehe zu den Kindern, aber fast nackt, binde mir gerade noch ein Handtuch um die Lenden, wofür sich Christine bedankt, weil Tim nochmal vorher hinsehen konnte, »der zählt jetzt alles«, und dann erst erfahre ich, dass Christine einen Liebhaber hatte, alles rumgekommen ist, Erich sie verstoßen hat, die totale Katastrophe, und dann gibt es noch Kuchen für alle und matschiges Tiramisu, essend gehe ich durch den Park und sehe Mi unter einem Baum sitzen, Flöte spielend, und weil ich den Mund so voll habe und die Hände, trommle ich mit den Füßen, was Mi so komisch findet, dass sie vor Lachen kaum spielen kann, muss dann aber mit Nata in die Tiefgarage, wo ein Depp mit dem Fuß die Aufzugstür blockiert, dann aber ablässt, und Nata hat nur ein Radio im Schutt versteckt, ein rotes aus Plastik, und oben mosert uns der Depp wieder an; im Hintergrund sehen wir den betrogenen Ehemann seine schwangere Frau den Berg hochziehen, während er ihr Vorwürfe macht • ich suche einen Ausgang aus dem Keller, finde aber keinen, und aus einer Tür quillt ein Monster, da finde ich einen ganz engen, aber immerhin Ausgang, oben verhöhnen Leute mich und meine beiden Freunde, aber wir scheren uns nicht darum, weil wir wie auf Trip sind, Dinge vorbeischweben sehen, Gummimenschen zwischen Ruinen sehen, die sich vorwurfsvoll abwenden und reden können, voll synthetisch sind, aber wie Menschen, und obwohl es unmöglich scheint: wir haben die gleichen Halluzinationen, ein golden geriffeltes Ding glänzt vor uns in der Sonne, und wir bestätigen uns gegenseitig, dass wir es sehen, und zwar gleich, können es sogar anfassen und die Landschaft biegt sich, atmet, wir sehen sie aus einem zweihundert Meter hohen Hochhaus und vergleichen mit der Landkarte, so sehen Landkartenmacher vielleicht aus Hubschraubern das Original ihrer Karten, und »so toll kommen sich die Faschisten vor«, sage ich, aber dann fahren die beiden mit einem Kind und einem Pferd im Transit los, ich will nur noch etwas nachsehen, dann nachkommen, da rollt der Bus den Abhang hinunter und kippt auf die eine Seite, klappt aber noch mal auf die andere, was physikalisch unmöglich ist, bis mir klar wird, dass es das sterbende Pferd ist, das sich da aufbäumt und den ganzen Wagen mitschmeißt, ich renne den seitlichen Hang bis zum Tor vorne, um irgendwie Hilfe zu holen, den Menschen im Wagen scheint nichts passiert zu sein, aber die Leute sind abweisend, einer wurschtelt in einem Garten herum, ein anderer schimpft aus den Fenstern gegenüber, es wird alles viel zu spät, ich muss Nata anrufen, vorher aber auch den Anwalt der Verunglückten, wo ich mit deren Visitenkarte in der Hand »schon erwartet« werde, dann aber in einen kleinen Raum neben dem Klo soll, der aber nach hinten sich erweitert, wo private Besucher zum Teil im Bett liegen und hochsehen –

      – ich fahre mit mehreren Leuten im Auto zu einer Fete auf einer nassen Straße mit heftigen Kurven, und das ziemlich schnell, aber ich kann auch nicht mehr bremsen, und es geht gut, und wie wir bei der Fete ankommen, soll Eintritt verlangt werden, die junge Frau steht an einem Tor neben einem Haus und sagt scherzend: »dreißigtausend Mark«, womit drei Mark gemeint ist, und ich sehe mich nur kurz im Garten um, wo einige Leute stehen und was essen, steige aber dann sofort in den Keller, über eine enge gebogene Treppe, und unten stehen drei Leute, die ich nicht kenne, zwischen seltsamen Gebilden, Statuen oder auch Kunstobjekten herum, reden nicht mit mir, so dass ich wieder hochgehe und was essen will, da quatscht mich einer an einem runden Tisch sitzend an, ob ich Christof Wackernagel sei – ja, er sei Jürgen Rütters und mit den Eisels gut bekannt; ich will was zu essen holen, es gibt aber nur angebissene Brezeln, Reste und viel Wurst und ich höre ihm unkonzentriert zu, er labert und labert, und ich würde viel lieber mit anderen reden –

      – liege in einem Bett an einem Abgrund neben dem Meer, muss aufpassen, dass ich nicht runterfalle, aber dann stellt sich raus, dass es doch nicht so tief ist, Holzverschläge und ein Weg zu einer Grotte führen, in der ein Becken ist, in dem man baden kann, weswegen ich mich ausziehe, um auch ins Wasser zu springen, viele Leute sind da, aber das Wasser plötzlich weg, ein Fernsehteam macht Aufnahmen, will mich interviewen, verfolgen mich, während ich in die Nebengrotte gehe, wo aber auch kein Wasser ist –

      – aus dem Auspuff des Autos im Hof kriecht eine Katzenmaus, eine graue, längliche Verbindung einer Katze und einer Maus, von vornherein resigniert dreinschauend, aber nicht gewillt, abzuhauen, geht einfach nicht weg, ist anhänglich –

      – Pflieger ist bei Heideckers und Johnson muss auch rauf und mit ihm reden; ich stehe unten in der Telefonzelle und warte, frage mich, ob ich Schuld bin, ihn irgendwie verraten habe, Autos fahren vorbei {der alte BMW, der kaputt war}, die Telefonzelle ist kaputt, besetzt, etc.; da kommt er endlich, aber es war nichts, er wollte nur seine Theorie zum Mord an Willy Brandt loswerden, also Johnson; danach verpasse ich den Zug – ich komme zu spät zum Bahnhof; aber der Zug steht noch da, allerdings leer, völlig leer, ich renne und renne, aber alles ist leer, da ist vorne ein Triebwagen, in dem Leute sind, und der Schaffner sagt, dass er extra noch gewartet habe – wir fahren auf der Landstraße, da kommt uns ein riesiger Tiger entgegen, fünfmal so groß wie ein normaler, und ich verziehe mich ganz im Auto, bin vorher halb draußen, denn erst überholt er uns, dann kommt er uns entgegen, beachtet uns aber nicht, und wie ich ihm nachsehe, sehe ich auch noch einen Löwen, es muss also irgendwo ein Zooausbruch gewesen sein, da kommt ein Pferdewagen die Alleelandstraße, und der Tiger nimmt den Pferdekopf in den Mund − er ist mindestens doppelt so groß wie das Pferd − und beißt ihn ab, woraufhin das Pferd mit einem Ruck zusammenfällt und der Tiger den Leichnam auf das Feld schleppt, um ihn dort in Ruhe verspeisen zu können; inzwischen treffen wir auf Leute, die in Wohnwagen neben einem Bach pausieren, der kleine, nette Hund, Dackel Mexi, ist dabei, wir erzählen von dem Tiger, den man in weiter Ferne sieht, und in einem Wohnwagen fragt Heike Straub, ob mit mir alles okay sei, ich verstehe nicht ganz, aber Renate glaubt, dass »unser Alkoholismus« gemeint sei, was es aber auch nicht ist, und Heike Straub räsoniert weiter, an der Schrift könne man auch nichts sehen, die sei völlig ausdruckslos – wovon ich beleidigt bin –, viele »Tolos« seien drin, ich verstehe nicht, sie wiederholt mehrmals, bis ich merke, dass ich das Wort und seine Bedeutung nicht kenne, stelle mir vor, dass Löcher gemeint sind –

      – ich komme mit Nata in eine Kellerapotheke, in der es sehr dunkel ist, aber alles sehr weitläufig, leise sprechende Menschen, und plötzlich ist Nata weg, aber eine Frau neben mir sagt: »ich weiß nicht mehr, wer ich bin«, sie versucht sich zu erinnern: »ich weiß nur noch, dass ich vor zwei Wochen gekommen bin« und ist verzweifelt; ich versuche, sie zu beruhigen, und will sie hoch ins Licht führen, es ist nämlich langsam so dunkel, dass man gar nichts mehr sieht, aber die anfangs breite Treppe im Fünfziger-Jahre-Stil wird immer enger, bedrängend eng, und ich muss zusehen, dass ich selbst rauskomme – wir sind bei fremden Leuten und wollen ins Bett gehen,wozu man ins Stockwerk tiefer muss, wohl im Souterrain, und die ganze Zeit schon kann ich mein Schälchen mit Cornflakes nicht gerade halten, beinah läuft die