Ina Krabbe

Funkelsee – Flucht auf die Pferdeinsel (Band 1)


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unruhig in seinem Sessel hin und her. »Das ist ihm klar, aber ... er hat mich gebeten ...« Er holte ein Taschentuch hervor und tupfte sich die Stirn ab. »Also, er bat mich, Sie darauf vorzubereiten, dass er das Anwesen ... verkaufen möchte.« Jetzt war es raus und Herr Mauswitz sank erleichtert in seinen Sessel zurück.

      Malu sah den Mann entsetzt an. Verkaufen?! Das Schloss?! Aber was würde dann mit der alten Dame und mit Rosa geschehen? Und was mit Papilopulus?

      4. Kapitel

      Gesine von Funkelfeld lächelte den Anwalt milde an. »Das darf er gar nicht. Nicht, solange noch eine Funkelfeld lebt, die dagegen ist.«

      Herr Mauswitz beugte sich nach vorne und lächelte char­mant zurück, jedenfalls hoffte er wohl, dass es so aussah. Malu fand eher, dass er einem Wolf ähnelte, der be­schlossen hatte, die alte Dame zum Abendbrot zu verspeisen. »Arno hat sich wirklich nicht leichtgetan mit dieser Entscheidung und wenn Sie darüber nachdenken, dann werden Sie ihm zustimmen müssen. So ein Schloss zu er­halten, kostet Geld. Viel Geld, das die Familie Funkelfeld schon lange nicht mehr besitzt.« Er griff über den Tisch und legte Gesine eine Hand auf den Arm. »Auch wenn es mir persönlich sehr leid tut, denke ich, dass seine Ent­schei­dung die richtige ist.«

      »Das werden wir noch sehen«, sagte die alte Dame be­müht gelassen. »Noch lebe ich ja und habe ein Mit­spra­che­recht.« Sie war dabei ganz bleich geworden und ihre Hände krampften sich um die Sofakante.

      Malu und ihre Mutter hatte dem Dialog fassungslos gelauscht, doch nun mischte sich Rebekka Baumgarten ein. »Ich möchte Sie jetzt bitten zu gehen. Frau von Funkelfeld braucht noch viel Ruhe, schließlich trauert sie um ihre Schwes­ter.«

      »Natürlich, Sie haben recht.« Herr Mauswitz versuchte sich aus dem Ohrensessel zu erheben, was gar nicht so leicht war, da er immer wieder in das weiche Kissen zurücksank. Endlich hatte er es geschafft, nahm seine Aktentasche und reichte Gesine die Hand. »Vielleicht war es noch etwas zu früh, aber ich wollte Sie schonend darauf vorbereiten, bevor Ihr Neffe morgen kommt.«

      Die alte Dame ergriff seine Hand und schüttelte sie energisch. »Ich weiß das zu schätzen, durchaus, Herr Mauswitz. Vielen Dank.«

      Als der Anwalt verschwunden war, konnte Malu nicht mehr an sich halten. »Warum erbt Ihr Neffe denn alles? Das ganze Schloss? Und Sie bekommen gar nichts?«

      Aber Gesine von Funkelfeld schüttelte den Kopf. »Das ist schon richtig so, es hat seinen Sinn. Es ist in unserer Fa­mi­lie genauso wie im englischen Königshaus. Das jeweils älteste Kind erbt das Schloss und den Großteil des Ver­mö­gens.« Sie strich sich mit der Hand über das kurzgeschnittene graue Haar. »Nur Vermögen gibt es bei uns leider keines mehr.«

      »Aber warum? Das ist doch total ungerecht!«, empörte sich Malu.

      »Es geht nicht anders. Sonst würde es das Schloss schon lange nicht mehr geben. Wenn das Erbe gerecht auf mehrere Kinder aufgeteilt werden müsste, dann könnte man so ein Anwesen ja nicht in der Familie halten.«

      »Aber was ist mit dem Wohnrecht, Gesine?«, fragte Malus Mutter.

      »Jedes Mitglied der Familie darf kostenfrei auf dem An­­we­sen wohnen, das wurde damals so geregelt, damit die Ge­­schwis­ter nicht in Armut leben mussten. Sie haben dann im Ge­stüt oder im Schloss mitgearbeitet. Und das gilt bis heute.«

      Malu strich mit den Fingern über das eingeprägte Fa­mi­lienwappen auf der Chronik, die vor ihr auf dem Se­kre­tär lag. Ihr kam die Sache ziemlich ungerecht vor, aber andererseits stimmte es ja, man konnte das Schloss nicht aus­einanderreißen, um jedem Kind ein Stück abzugeben. Ganz schön kompliziert, wenn man eine große Familie hatte. So wie ihre Freundin Lea, die hatte so viele Ver­wan­dte, dass Malu schon gar nicht mehr dahinterkam, wer zu wem gehörte. Im Gegensatz dazu war es bei ihr sehr übersichtlich. Es gab sie selbst, ihre Mutter und Opa Gerald, den Vater ihrer Mutter, der in Bayern lebte, Punkt! Ihren eigenen Vater kannte sie nicht und ihre Mutter redete auch selten über ihn, sie nannte ihn ihre Episode, aber trotzdem bekam sie dann immer ganz glänzende Augen. Einmal hatte Malu in einer Schublade ein ausgeschnittenes Zeitungsbild gefunden und sich gefragt, ob das vielleicht ihr Vater war. Aber in dem Moment kam ihre Mutter von der Arbeit und sie hatte es schnell zurückgelegt – unter die Unterhosen ihrer Mutter. (Wirklich sehr merkwürdige Dinger aus schwarzer Spitze!) Das war auch der Grund, warum sie ihre Mutter nie auf das Bild hatte ansprechen können, denn dann hätte Malu zugeben müssen, dass sie in ihrer Unter­wäscheschublade gewühlt hatte. Und dann hätte sie ge­wusst, dass Malu immer nach dem Fernsehkabel suchte, das ihre Mutter versteckte, wenn sie arbeiten ging. Die Welt war kompliziert!

      Malu seufzte und betrachtete nachdenklich die Pferde­bilder an den Wänden. »Das bedeutet, Ihrem Neffen gehört jetzt alles? Schloss, Bilder und ... Pferde?«

      Die alte Dame war ihrem Blick gefolgt und lächelte. »Du machst dir Sorgen wegen Papilopulus, oder?«

      Malu spürte, wie sie rot anlief. »Na ja«, stotterte sie. ­­­»Ja ... schon.«

      »Das ist doch in Ordnung, das verstehe ich«, sagte Gesine. »Ich glaube aber, da musst du dir nicht allzu viele Gedanken machen. Arno kann mit Pferden gar nichts an­­fan­gen. Frag ihn morgen einfach, ob du ihm das Pferd ab­nehmen sollst. Er wird sich freuen.«

      »Ernsthaft?« Malu strahlte die alte Frau an. »Sie meinen, ... Sie denken, er schenkt mir das Pferd?«

      »Moment«, mischte sich jetzt ihre Mutter ein. »Malu, so leid es mir tut, wir können uns kein Pferd leisten. Wie sollen wir das Futter bezahlen, den Tierarzt ...«

      »Ach was«, unterbrach Gesine sie resolut. »Solange ich lebe, wird sich auf Schloss Funkelfeld nichts ändern und für Papilopulus bleibt alles, wie es war.« Sie zwinkerte Malu zu. »Und ich habe nicht vor, in der nächsten Zeit zu sterben.«

      Malus Mutter hatte schon den Mund geöffnet, um etwas zu entgegnen, aber als sie die glänzenden Augen ihrer Tochter sah, überlegte sie es sich anders und nickte ihr zu. »Aber freu dich nicht zu früh«, warnte sie. »Noch hat Herr von Funkelfeld dir das Pferd nicht überlassen.«

      »Ich werde mit ihm reden«, versprach die alte Dame.

      Warum war ihre Mutter nur immer so pessimistisch? Sie hatte Gesine doch gehört. Dieser Arno interessierte sich gar nicht für Pferde und da war sie ihm nur zu gern behilflich. So einfach konnte es manchmal sein! Malu schaffte es kaum das Grinsen zu unterdrücken, das sich auf ihrem Gesicht breitmachen wollte. Morgen! Morgen würde sie ein eigenes Pferd haben und nicht irgendeines, sondern Papilopulus!

      5. Kapitel

      Ein lautes DINGDONGBONG riss Malu aus ihren Träu­men. Verschlafen streckte sie einen Arm aus dem Bett und tastete den Boden nach ihrem Handy ab. Buch. Buch. CD-Player. DINGDONGBONG. Moment, das war gar nicht ihr Klingelton, das kam von der Tür. Welcher Idiot schellte denn hier Sturm am frühen Morgen? Malu schälte sich aus der Bettdecke und lief zur Haustür. Sie drückte auf die Gegensprechanlage. »Ja?«, nörgelte sie verschlafen.

       »Ich bin sogar schon hier oben«, flötete eine Stimme, die ihr ziemlich bekannt vorkam, aus dem Treppenhaus vor der Wohnungstür. Lea!

      Malu riss die Tür auf. »Was ist denn mit dir los? Bist du aus dem Bett gefallen? Es sind Ferien! Schon vergessen?«

      »Guckst du eigentlich auch mal irgendwann auf dein Handy?«, fragte Lea genervt. »Ich hab dir bestimmt hundert Nachrichten geschickt und von dir kam – nichts!« Sie rang theatralisch die Hände.

      Ihr Handy, richtig, wo war das überhaupt? Sie hatte gestern gar nicht mehr daran gedacht, es auf Laut zu stellen. Bestimmt hatte ihre Mutter es in die Schublade im Flur gelegt. Rebekka Baumgarten bestand darauf, dass Malu abends ihr Handy abgab. Völlig unnötig! Niemand sonst aus ihrer Klasse musste sein Handy abgeben!

      Sie holte es heraus und schaltete es an. »Es sind nur 53 Nachrichten,