Ina Krabbe

Funkelsee – Flucht auf die Pferdeinsel (Band 1)


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geflochten, die ihr rechts und links über die Schultern baumelten. Und wenn sie besonders hip aussehen wollte, dann stülpte sie noch eine graue Mütze drüber – laut Lea ein total angesagtes Outfit! Malu hatte da so ihre Zweifel, sie hatte jedenfalls keine Lust, sich mit modischen Frisur­fragen herumzuschlagen und band sich ihre langen braunen Locken höchstens zu einem Pferdeschwanz zusammen.

      »Hast du schon gefrühstückt?«, fragte Malu ihre Freundin, ihr eigener Magen knurrte jedenfalls lautstark.

      »Na klar. Weißt du eigentlich, wie spät es ist?«

      »Fühlt sich wie sieben an«, sagte Malu und ging in die Küche. Bevor sie noch einen Blick auf die Küchenuhr werfen konnte, rief Lea: »Zehn Uhr!«

      »Zehn Uhr ist für eine durchschnittliche Jugendliche in den Ferien doch völlig normal«, erklärte Malu achselzu­ckend und griff nach dem Zettel, den ihre Mutter für sie auf den Küchentisch gelegt hatte.

      Guten Morgen Schatz, ich habe Frühschicht, bin um vier wieder zuhause. Frag Frau von Funkelfeld, ob ich ihr was einkaufen soll. Viel Glück! Mama

      Daneben hatte sie ein Hufeisen gemalt. Und in diesem Moment fiel Malu alles wieder ein. Sie musste zum Schloss! Wann dieser Arno wohl da auftauchte? Heute würde sie Papi­lopulus bekommen. Hoffentlich. Vielleicht. Bestimmt!

      »Alles in Ordnung, Malu?«, fragte Lea vorsichtig und stupste ihre Freundin an, die wie gebannt auf den Zettel starrte. Doch die warf ihre Arme hoch und umarmte Lea wie wahnsinnig. »Alles bestens. Du musst heute mit mir zum Schloss kommen!« Und dann erzählte sie die ganze Erbschaftsgeschichte und von ihrer einzigartigen Chance heute ein Pferd zu bekommen.

      Lea starrte ihre Freundin an, als käme sie von einem anderen Stern. »Also noch mal langsam für mich: Du willst diesen Arno fragen, ob der dir das Pferd schenkt? Und du glaubst, das tut der einfach so?«

      Malu zuckte mit den Schultern. »Gesine meint ja.« Sie lachte. »Wahrscheinlich mag der Pferde ungefähr genauso gern wie du.«

      »Dann hast du echt gute Chancen. Ich würde dir auf jeden Fall alle meine Pferde überlassen.« Lea grinste sie an. »Aber leider kann ich heute nicht mit dir zu deinem Popeltossi fahren ...«

      »Papilopulus«, verbesserte Malu streng.

      »Von mir aus. Ich muss jedenfalls gleich mit meiner Mutter zu Tante Gerda.« Lea verzog das Gesicht. »Dort werde ich einen megalangweiligen Nachmittag zwischen Rosen und Goldfischen verbringen und dir wieder hundert Nachrichten schreiben. Und du antwortest gefälligst!«

      »Ich bemühe mich«, versprach Malu. Sie schüttete sich eine Riesenportion Schokomüsli in eine Schüssel. »Willst du wirklich nichts?«

      Lea schüttelte den Kopf. »Ich habe mir gestern eine super Hose gekauft, leider gab es die nur noch eine Nummer kleiner. Da muss ich jetzt erst reinwachsen.«

      »Du bist echt bescheuert!«, lachte Malu und kippte sich einen ordentlichen Schuss Milch über die Flocken.

      »Ich weiß wirklich nicht, warum du meine beste Freundin bist«, jammerte Lea.

      »Lass mal überlegen. Ich bin wahnsinnig witzig, un­glaublich klug und vor allem höre ich mir ständig dein ganzes Gejammer an ...«

      »Du bist ein Pferdenerd. Nie hätte ich gedacht, dass meine beste Freundin ein Pferdenerd wird!«

      »Ich krieg dich da auch noch hin«, lachte Malu. »Wart’s nur ab.«

      »Eher sterbe ich«, seufzte Lea und warf ihre Zöpfe nach hinten. »Ich muss los. Morgen gehen wir aber zum See schwimmen. Keine Widerrede!«

      »Ich bin dabei«, versprach Malu.

      »Und ohne Pferd!«

      »Mal sehn.« Malu lachte und brachte ihre Freundin zur Tür. »Was war eigentlich gestern so dringend, dass du mir 53 Nachrichten geschickt hast?«

      Lea überlegte kurz und zuckte dann mit den Schultern. »Keine Ahnung. Aber es war bestimmt wichtig, sonst hätte ich dir ja nicht geschrieben.«

      »Ja klar. Viel Spaß bei Tante Gerda.«

      Lea verzog das Gesicht. »Na ja, immer noch besser, als zwischen Pferdekötteln herumzulaufen.« Auf der Treppe drehte sie sich noch mal um. »Ich drück dir ganz fest die Daumen«, sagte sie und winkte zum Abschied.

      Als sie die Tür hinter ihrer Freundin geschlossen hatte, spürte Malu ein heftiges Kribbeln im Bauch. Hoffentlich ging alles gut!

      Sie lief zurück in die Küche und löffelte hastig ihr Müsli auf. Dabei zappte sie sich durch ihre Nachrichten, die meis-ten waren natürlich von Lea. Marvin kaute plötzlich Fingernägel und Emma hatte mit ihm Schluss gemacht – bestimmt deswegen, irgendwer aus der Zehnten war aus dem Muffins geflogen, Rike hatte jetzt schon Angst vor dem neuen Mathelehrer, den sie nach den Ferien bekommen würden und so weiter. Wahnsinnig wichtig! Halt, Jaron hatte nach ihr gefragt. Warum hatte er nach ihr gefragt? Malu switchte weiter, aber Lea hatte sonst nichts dazu ge­schrieben. Jaron, der Buchnerd, wie Lea ihn nannte! (Für Lea waren alle Nerds, die sich mit etwas beschäftigten, was sie selbst nicht interessierte.) War ja auch egal, sie hatte jetzt echt Wichtigeres zu tun.

      Schnell räumte sie ihre Müslischale in die Spülmaschine und schlüpfte in Jeans und T-Shirt. Sie schnappte sich Handy und Haustürschlüssel, stürmte aus der Wohnungs­tür und dann die Treppe herunter.

      Malu und ihre Mutter bewohnten eine kleine Drei­zim­merwohnung ganz oben unterm Dach eines Mehr­fa­mi­lien­hauses. Das war eigentlich ganz gemütlich, weil es in jedem Raum Dachschrägen gab, nur wenn Malu ihrer Mutter helfen musste, die Einkäufe hochzuschleppen, hätte sie lieber ebenerdig gewohnt.

      »Hallo Herr Hahnwald«, grüßte sie den ewig mürrischen Mann aus dem Erdgeschoss, der ihr ein Immer langsam junge Frau hinterhergrummelte. Aber für langsam hatte sie heute keine Zeit. Sie zerrte ihr grünes Mountain­bike aus dem Keller, schleppte es die Treppe hoch und schwang sich in den Sattel. Dann gab sie Gas.

      Bald hatte sie die Wohnstraßen des Vorortes hinter sich gelassen und fuhr über die Feldwege, vorbei an goldgelben Weizenfeldern und mannshohen Maispflanzen. Schon kam der Wald in Sicht, der die Grenze zum Anwesen der Funkelfelds markierte. Sie radelte die Allee aus uralten Kastanienbäumen entlang und dann durch das große guss­eiserne Tor, das immer offen stand, seit die Scharniere durchgerostet waren.

      Links von ihr lag Papilopulus’ Weide mit seinem Offen­stall. Den hatte Gesine von Funkelfeld damals gebaut, als ihre Schwester nicht mehr reiten konnte. So hatte das Pferd immer genug Auslauf und konnte auf der Weide grasen, wann es wollte. Das war allerdings schon etliche Jahre her und auch hier müsste das Dach an manchen Stellen geflickt werden. Aber das konnte Malu bestimmt reparieren. So schwer konnte das ja nicht sein. Wofür gab es schließlich das Internet?!

      Sie lehnte ihr Fahrrad an den Zaun und ging zum Stall hinüber. »Papilopulus«, rief sie. »He, Papi, wo bist du?«

      Malu runzelte die Stirn. Irgendetwas stimmte hier nicht. Normalerweise kam Papilopulus sofort, wenn Malu ihn rief. Er konnte ja nur noch hinter dem Offenstall sein, denn die Weide konnte sie von hier aus überblicken. Schnell schlüpfte sie durch die Zaunbretter, um nachzusehen. Nichts! Papilopulus war verschwunden! Ihr Magen krampfte sich zusammen. Das konnte doch nicht sein. Das durfte nicht sein! Gesine! Gesine wusste bestimmt, was los war. Malu drehte sich um und wollte gerade über den Zaun klettern und zu ihrer Wohnung rennen, da hörte sie Huf­ge­klapper aus der Stallgasse. Und diesmal bildete sie sich das nicht ein. Kurz darauf folgte ein leises Wiehern. Papi­lo­pu­lus!

      Malu schwang sich über den Zaun und rannte zum Stall. Sie war noch nicht ganz an der Tür, da konnte sie schon Stimmen hören.

      »Du hast mir gesagt, wir fahren auf ein Gestüt. Und alles, was es hier gibt, ist das da.«

      »Ein Pferd ist ein Pferd«, antwortete eine etwas genervte Män­nerstimme. »Lenka, ich hab jetzt wirklich anderes zu tun.«

      Gerade wollte Malu in die Stallgasse stürmen, als sie in einen großen, braungebrannten Mann mit ordentlich gestutztem