Magda Trott

Pucki


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überlegten die Kinder, dann rief Paul, indem er davoneilte: »Ich hole einen!«

      Vor zwei Tagen war bei Niepels Wäsche gewesen, Paul hatte gesehen, dass die Gardinen geplättet wurden. Das war ein feiner Schleier. Oben in der Kammer lag ein großer Stoß solcher durchsichtigen Dinger. Davon konnte er einen holen.

      In der Kammer zerrte er aus dem Stoß eine Gardine heraus. Sie war viel zu lang als Schleier. Er nahm eine zweite, eine dritte, warf sie achtlos auf den Fußboden und fand schließlich eine Scheibengardine, die sich vorzüglich eignete. Strahlend kehrte er damit zurück.

      Das Kinderfräulein betrachtete die Gardine forschend.

      »Wer hat dir das gegeben?«

      »Es ist alles in Ordnung, du brauchst nicht immerzu dazwischen zu reden, Fräulein Irma.«

      Die Gardine wurde Pucki über das Gesicht gehängt.

      »Jetzt heirate ich«, sagte sie. »Komm, Fritz!«

      »Zum Heiraten gehören zwei«, lachte das Kinderfräulein, »erst muss –«.

      »Na, dann heirate ich dich auch noch, Walter, dann sind es zwei.«

      »Ich will auch geheiratet werden«, schrie Paul.

      »Nein, dich heirate ich nicht.«

      »Ich will aber geheiratet werden«, grollte der Knabe und riss Pucki den Schleier vom Kopf.

      »Gehste weg!« Walter versetzte dem Bruder einen kräftigen Puff.

      »Du hast mich nicht zu puffen. Ich bin beinahe ein armer Hinkeldei, und der Vater hat euch gesagt, ihr sollt mich schonen.«

      »Und die Mutter hat gesagt, ich bin der Schwächste von euch«, rief Fritz.

      »Was bin ich denn?« heulte Walter los. »Ich bin gar nichts! Ich will dich aber heiraten!«

      »Seid doch vernünftig, Kinder«, mahnte Fräulein Irma.

      »Ich heirate den Fritz«, sagte Pucki, »weil er so schwach ist, und du, Walter, bist unser Kindchen und der Paul ist der Großvater.«

      »Ich will kein Kindchen sein, ich will heiraten«, rief Walter und stampfte mit dem Fuss auf.

      Paul, der noch immer den Schleier in der Hand hielt, hing ihn sich selber über und wollte damit davongehen; er wurde von Pucki eingeholt, die ihm den Brautstaat aus der Hand zerren wollte. Ehe es das Kinderfräulein verhindern konnte, war die Gardine mittendurch gerissen.

      »Schämt ihr euch nicht, bei der Hochzeit so unartig zu sein?«

      »Wir schämen uns gar nicht«, sagte Pucki mit blitzenden Augen, »wir heiraten. – Nu komm, Kleiner.«

      Sie schob ihren Arm durch den Fritzens und stolzierte mit ihm den Kiesweg entlang.

      »Nu machst du bim–bam–bim, und ich singe ein Lied.«

      Während sich Paul und Walter prügelten, schritt das Brautpaar durch den Garten. Pucki sang:

      »Ihr Kinderlein kommet, o kommet doch all!«

      Fritz schwenkte die Hand wie eine Glocke und sagte unentwegt mit dumpfem Tonfall: »Bim–bam – bim–bam.«

      Das Kinderfräulein musste schließlich die beiden Kampfhähne trennen. Die Knaben hatten Tränen in den Augen, denn jeder hatte kräftig zugeschlagen.

      »Geht lieber zum Brautpaar und bringt ihm Blumen, wie man das bei einer Hochzeit macht.«

      »Ich bringe ihr nichts«, meinte Walter, »sie hat mich nicht geheiratet. Ich soll nur ihr Kindchen sein, und ich will nicht Kindchen sein.«

      Pauls Gesicht hellte sich ganz plötzlich auf. »Au – fein, ich bin der Großpapa, der hat mich mal mit 'nem Stock geschlagen. – Jetzt kriegt sie Prügel!«

      Abermals lief er ins Haus und kehrte mit des Vaters Spazierstock zurück.

      »Ich bin der Großpapa – na warte!«

      »Paul, was soll das?«

      Der stürmte, so schnell er mit seinem Bein laufen konnte, dem Brautpaar nach. Fräulein Irma eilte neben ihm her und wollte ihm den Stock entwinden. Dabei kam es zu einer erregten Szene.

      »Immer musst du uns unser Vergnügen kaputt machen. – Wenn wir doch so schön spielen!«

      Der Stock war Paul fortgenommen. Als Paul aber das Brautpaar erreicht hatte, versetzte er Braut und Bräutigam heftige Schläge.

      »Was fällt dir ein!«

      »Ich bin der Großpapa, der darf hauen!«

      Wieder musste Fräulein Irma die Erregten trennen. Paul griff rasch etwas Erde auf und bewarf Pucki damit, so dass das Kind über und über beschmutzt war.

      »Komm mit«, sagte das Kinderfräulein, »ich werde dich in meinem Zimmer säubern. Doch dann werdet ihr vernünftig spielen, sonst sage ich es dem Vater, und dann gibt es nachher keine Obstspeise.«

      Fritz folgte seiner Braut. Die beiden Kinder gingen in Fräulein Irmas Zimmer. Dort wurde Pucki gesäubert. Als Fräulein Irma gerade das Gesicht des Kindes abtrocknete, ertönte im Flur lautes Schreien. Rasch eilte sie hinaus, um die beiden Knaben, die sich erneut in die Haare gefahren waren, zu beruhigen. Wie unangenehm, denn im Wohnzimmer waren bereits die Geburtstagsgäste versammelt.

      So blieben Pucki und Fritz im Zimmer des Kinderfräuleins allein zurück. Das kleine Mädchen betrachtete interessiert alle die Fläschchen, die umherstanden. In diesem Augenblick schlug die Kuckucksuhr fünfmal.

      Hedi, die wohl den Kuckuck im Walde kannte, aber nichts von einer Kuckucksuhr wusste, starrte staunend zu der kleinen Uhr empor.

      »Ein Kuckuck – ein Kuckuck ist in dem kleinen Loch drin!«

      »Das ist doch 'ne Kuckucksuhr!«

      »Da hat sie 'nen Kuckuck eingesperrt?«

      »Der schreit nur, der ist aus Holz.«

      »Holz kann nicht schreien.«

      Auf der Treppe ging es recht lebhaft zu. Fritz war neugierig und lief aus dem Zimmer, um nachzusehen, was es gäbe.Hedi jedoch stand noch immer wie angewurzelt vor der Uhr, in die der Kuckuck zurückgekrochen war.

      »Armer, kleiner Kuckuck muss in dem kleinen Loch sein.«

      Einmal hatte der Vater ein Vöglein heimgebracht, ein Waldvöglein, das so durchnässt war, dass es nicht mehr fliegen konnte. Pucki wollte das Tierchen in den Bauer setzen, um es zu behalten. Sie wusste genau, dass es der Vater nicht duldete, er meinte, die Vöglein, die draußen im Walde wohnten, könnten in der Gefangenschaft nicht leben, man dürfe sie nicht behalten.

      »Hat sie dich hier eingesperrt, kleiner, lieber Kuckuck – komm, ich lass dich 'raus!«

      Hedi stieg auf einen Stuhl. Trotzdem konnte sie die Uhr nicht erreichen. Da schob sie das kleine Tischchen, das am Fenster stand, heran. Nun ging es.

      »Komm, kleiner Kuckuck, komm – komm!«

      Aber der Kuckuck kam nicht. Hedi drückte mit den Fingerchen hier und dort und öffnete schließlich das kleine Türchen, um abermals zu locken.

      »Komm – Kuckuck – komm – komm!«

      Als er wieder nicht kam, schob sie behutsam ein Fingerchen ins Loch, begann zu ziehen und zu reißen und bums – lag die kleine Kuckucksuhr am Boden. Die geschnitzten Verzierungen waren abgebrochen, auch ein Brettchen war losgegangen – doch vom eingesperrten Kuckuck war nichts zu sehen.

      »Wo bist du denn; kleiner Kuckuck?«

      Schließlich entdeckte das Kind den kleinen hölzernen Kuckuck, den es durchaus herausziehen wollte.

      »Das ist doch kein Kuckuck, wie der Kuckuck im Walde! Olles dummes Ding!«

      Der aus der Uhr gerissene Kuckuck wurde ins Zimmer geworfen, dann verließ Hedi zufrieden