ins Krankenzimmer. Die Mutti hatte noch immer so einen roten Kopf, sie sprach mitunter so komische Worte, die Pucki nicht verstand.
»Das ist das Fieber«, sagte Minna erklärend.
»Geht das Fieber mal wieder weg, wenn die Großmama kommt?«
»Wir wollen es wünschen, Pucki.«
Man duldete nicht, dass das Kind im Krankenzimmer verblieb. Nur von Zeit zu Zeit steckte das kleine Mädchen in großer Besorgnis den Blondkopf durch die Türspalte und warf der kranken Mutti Kusshändchen zu. Der Höhepunkt der Krankheit war erreicht, das Leben der Förstersfrau war in Gefahr.
»Wir wollen den lieben Herrgott bitten«, sagte der Vater, und seine Stimme klang ganz anders als sonst, »dass er dir die Mutti lässt, dass sie nicht stirbt.«
Es war Pucki recht angst ums Herz. Sie lief aus dem Garten, hinein in den Wald, lehnte sich an den Stamm einer Tanne, faltete die Händchen und unter heißem Weinen bat sie den lieben Gott, er möge die liebe Mutti nicht sterben lassen wie den Männe.
»Lieber Gott, ich versprech' dir wirklich, ganz toll artig zu sein, ich werde die Mutti gar nicht mehr ärgern. Aber wenn du nun schon den Männe in deinem Himmel hast, dann lass die Mutti bei mir. Mit der Mutti spielt es sich auch so schön, wenn sie gesund ist. Lieber Gott, ich will ein gutes Kind sein, aber mach die Mutti gesund.«
Vom Niepelschen Gut schickte man das Fuhrwerk. Walter und Fritz kamen, um die kleine Freundin zu holen. Das Kind wollte nicht mitgehen. Alle seine Gedanken weilten bei der Kranken, und angstvoll fragte es bald den Vati, bald Minna, ob die Mutti noch immer elend sei. Sogar nachts schlief die Kleine schlecht. Mehrfach wachte sie auf und immer kam ein kurzes Gebet über die Kinderlippen: »Lieber Gott, mache die Mutti gesund, ich will auch artig sein.«
Frau Niepel fuhr am nächsten Tage bei dem Forsthause vor; auch ihr gelang es nicht, Pucki aufs Gut zu holen.
»Ich möchte hierbleiben«, bat die Kleine mit feuchten Augen, »ich mag nicht fort. – Aber sei nicht böse, ich will doch artig sein. Das weiße Pferdchen darf ich doch streicheln?«
»Ja, das darfst du.«
Draußen stand die Kleine bei dem Pferd und weinte leise. »Kleines Pferdchen«, sagte das Mädchen, »Pucki ist so traurig.«
Der Arzt kam nachts noch einmal ins Forsthaus. Am nächsten Tage erklärte er, nun ginge es wieder besser. Die Kleine vermochte das Glück kaum zu fassen. Am liebsten hätte sie vor Freude laut geschrien. Doch das durfte nicht sein, sie wollte doch ein artiges Kind werden.
»Mutti – Mutti – Mutti –«, jubelte sie, als sie endlich das Krankenzimmer wieder betreten durfte, »nun stirbst du nicht, nun bleibst du bei Pucki. Ich hab' auch so viel gebetet!«
»Weil du solch liebes Kind warst«, sagte der Vater zärtlich, »darfst du nachher mit mir nach Rahnsburg gehen. Um fünf Uhr kommt die Großmama, wir holen sie ab.«
Obwohl Pucki die Großmama sehr liebte, bereitete es ihr viel mehr Freude, zu wissen, dass die Mutti nun wieder gesund werden würde.
»Wenn sie aufsteht, Vati, kriegt sie doch keinen Herzschlag und ist tot wie der Männe, nicht?«
»Vorläufig steht die Mutti noch lange nicht auf, und wenn sie aufsteht, brauchst du nichts mehr zu fürchten.«
»Oh, ich bin so froh, Vati!«
9. Kapitel: Pucki will Geld verdienen
Die Niepelschen Drillinge fanden es gar nicht nett, dass in der Försterei eine Großmutter angekommen war, die mit Pucki Spaziergänge unternahm und die Kleine beschäftigte. Vergeblich versuchte Paul, wenn er mittags aus der Schule kam, das kleine Mädchen zu veranlassen, mit ihm einen Streich zu machen. Er hatte sich allerlei ausgedacht und flüsterte Pucki seine Pläne zu. Dann legte die Kleine das Köpfchen auf die Seite, schaute nachdenklich zu den hohen Tannen empor und sagte:
»Mach's mal allein, ich glaube, das ärgert wieder meine Mutti, und meine Mutti ist noch immer so'n bisschen krank und kann keinen Ärger vertragen.«
»Kommst du nicht endlich mal wieder zu uns, die Lehmgrube ist wieder so schön glitschig.«
Hedi schüttelte heftig das Köpfchen. »In die Lehmgrube gehe ich nicht mehr, Mutti will es nicht, und die Großmutter wird es auch nicht wollen.«
»Bring die Großmutter doch mit. Wir stellen sie oben auf den Berg an der Lehmgrube, lassen sie 'runterrutschen, und dann lachen wir sie aus, wenn sie schmutzig ist.«
»Nein, dann muss man die Großmutter waschen, und die Mutti ist krank geworden, weil sie die Lehmgrube aus meinem Kleide waschen musste.«
»Quatsch! – Kommst du heute nachmittag? Ich werde dem Vater sagen, dass er den Wagen schickt.«
»Ich werde die Großmutter mitbringen. Sie freut sich, wenn sie eure Schweinchen und eure Kühe sieht.«
»Die Großmutter wollen wir nicht. Deine Großmutter können wir überhaupt nicht leiden.«
»Warum denn nicht?« fragte Pucki erstaunt.
»Ach – die hat 'ne Brille auf der Nase. – Wie heißt sie eigentlich?«
»Na, Großmutter.«
»Ach, Quatsch! – Jede Großmutter hat einen Namen.«
»Ich nenne sie immer nur Großmutter; aber die Großmutter müsst ihr auch lieb haben, sie ist so gut zu mir.«
»Unsere Großmutter heißt Alwine Hasensprung.«
Pucki lachte, dass sie sich schüttelte. »Hasensprung! – Kann sie denn so hopsen wie ein Hase? – Ich habe deine Großmutter noch nicht gesehen! Sag doch deiner Großmutter, dass sie herkommen soll.«
»Sie kommt nicht, sie hat noch andere Kinder, bei denen sie immer ist.«
»Vielleicht kommt sie nicht, weil ihr drei unartige Jungen seid. – Mutti hat gemeint, wenn ich ein unartiger Junge bin, würde mich die Großmutter auch nicht leiden können. Aber ich will mal die Minna fragen wie die Großmutter heißt. Warte mal noch ein bisschen.«
Minna war in der Küche beschäftigt, als Pucki eintrat und nach dem Namen der Großmutter fragte.
»Das ist Frau Blake.«
»Und wie heißt sie noch? Dem Paul seine Großmutter heißt Alwine Hasensprung.«
»Barbara Blake.«
»Barbara Blake – – ist das ein komischer Name!«
Pucki lief zu ihrem Freund zurück. »Meine Großmutter hat auch 'nen komischen Namen, sie heißt – sie heißt – Blake und – und – Barber – Berber – –«
Jetzt lachte Paul. »Sie weiß nicht mal, wie die Großmutter heißt! Nu lass mal deine Großmutter zu uns kommen, die werden wir aber ärgern.«
»Nein, Paul, meine Großmutter wird nicht geärgert. Meine Großmutter ist sehr gut. Wenn du sie ärgern willst, komme ich nicht.«
Als aber auch Walter und Fritz Pucki herzlich baten, sie möchte bald wieder hinaus aufs Gut kommen, meinte die Kleine nachgiebig:
»Na, ich komm' bald, vielleicht schon heute.«
Beim Mittagessen setzte sich Pucki ganz plötzlich auf den Schoß der Großmutter.
»Wie heißt du eigentlich? – Der Paul hat schrecklich gelacht, weil ich es nicht wusste.«
»Pucki, was soll das?« tadelte der Vater. »Man springt nicht vom Tisch auf, sondern bleibt schön auf seinem Platz sitzen, bis man fertig gegessen hat, erst dann fragt man.«
Der schwierige Vorname der Großmutter machte dem Kinde noch lange Sorgen. Gar zu schwer sprach sich dieser komische Name aus.