gibt es auch Engel mit grauen Haaren im Himmel?«
»Nein, die Englein haben alle lange blonde Locken.«
Die Großmutter, die so gern auf Puckis Geplauder einging, wuchs der Kleinen von Tag zu Tag mehr ans Herz. Ihr zeigte das Kind das Grab von Männe, und als die Großmutter dann einige Blümchen im Garten pflückte und auf das Grab legte, wurde sie von der Kleinen stürmisch umhalst.
»Der liebe Gott freut sich schon auf dich, weil du so gut bist! Wenn du in den Himmel kommst, lässt er alle Englein laut singen.«
»Was sollen sie denn singen?«
Pucki überlegte ein Weilchen, dann sprang sie umher, nickte heftig mit dem Kopf und sang:
»Bimmele – bammele – hopsaßa, Kasperle ist wieder da! – Guten Tag, Großmutter!«
»Ganz recht, das hat der Kasper gesagt.«
»Großmutter, das war ein unartiger Kasper! Mit der Wurst hat er einen Mann gehauen, weil es eine Schlagwurst war. – Hahaha, Großmutter, hab' ich gelacht! Und dann hat der Kasperle seinen Schuh genommen und mitten durchgerissen. – Sieh mal, Großmutter, so hat er den Schuh angepackt – –«
Pucki zerrte ihren Schuh vom Fuß und riss kräftig an der Schnalle. Es gab einen Ruck, die Spange löste sich ab.
»Ach«, lachte die Kleine, »nu hab' ich's wie der Kasperle gemacht! – Nu is er kaputt!«
»Aber, Hedi! Soeben hast du mir gesagt, Kasperle sei ein unartiger Wicht, und nun machst du es genau so! Nun müssen wir den Schuh zum Schuhmacher bringen, das kostet Geld. Diese Ausgabe wäre nicht nötig gewesen. Dein Vati muss ohnehin jetzt viel bezahlen und hat kaum so viel Geld wie er braucht.«
»Warum muss er denn viel bezahlen?«
»Die Krankheit der Mutti kostet viel, und für dein kleines Schwesterchen hat der Vati auch viel bezahlen müssen.«
»Bück dich mal, Großmutter, ich möchte dir ganz leise was ins Ohr sagen. – So – Ich hätt' für das kleine Schwesterchen kein Geld ausgegeben. Wir brauchen sie nicht.«
»O doch, Pucki, wir brauchen sie.«
»Wozu brauchen wir sie, Großmutter?«
»Deine Eltern freuen sich darüber, und für dich ist es später gut, wenn du ein Schwesterchen hast.«
»Wenn es doch dem Vati so viel Geld kostet.«
»Um so weniger Ausgaben muss du den Eltern machen.«
»Großmutter, ich habe eine Sparbüchse. Soll ich die dem Vati geben?«
»Nein, Hedi, die darfst du behalten, aber nicht mutwillig Sachen entzwei machen. – Sieh mal, du kannst dir die Schuhe nicht bezahlen, du verdienst noch kein Geld, alles muss der Vati hergeben.«
Die Kleine war nachdenklich geworden. Es leuchtete ihr durchaus ein, dass der Vati Geld hergeben musste. Auch der Groschen, den sie für den Jahrmarkt bekommen hatte, war ihr vom Vater in die Hand gelegt worden. Wenn nun eines Tages der Vater gar kein Geld mehr hatte, was sollte werden?
Am Nachmittag nahm die Großmutter Pucki mit nach Rahnsburg. Sie machte Besorgungen; schließlich suchte sie den Gärtner auf.
»Morgen steht Mutti wieder auf, da wollen wir ihr eine schöne Blume auf den Tisch stellen. Ihr habt zwar Blumen genug im Garten, aber die Mutti freut sich sehr, wenn sie noch einen hübschen Blumentopf bekommt.«
Man wählte eine Hortensie von schöner blauer Farbe.
»Blumen gibt es wohl jetzt in Hülle und Fülle?« fragte Frau Blake die Gärtnersfrau.
»Gewiss, aber gerade in diesen Tagen habe ich fast alles abschneiden müssen. Wir hatten eine Doppelhochzeit und zwei Todesfälle. Blumen sind mitunter auch bei mir knapp.«
»Wir haben viele Blumen im Garten«, sagte Hedi.
»Das glaube ich dir gern, ich habe auch eine Menge, doch mitunter reichen sie nicht aus, und ich muss welche dazukaufen.«
»Das macht Ihnen hier gewiss keine Schwierigkeiten«, sagte die Großmutter.
»Mitunter doch. – Ich bekomme wohl von den Gütern allerlei, auch bringt mir der Niepelsche Wagen fast täglich Blumen mit. Doch mitunter langt es noch nicht.«
Aufmerksam lauschte Pucki auf das Gespräch. Einmal sagte die Mutti, dass man aus dem Garten Blumen nehmen dürfe, das war damals gewesen, als Frau Niepel Geburtstag gehabt hatte. Die Gärtnersfrau sprach heute davon, dass sie die Blumen mitunter teuer bezahlen müsse. Der arme Vati hatte kein Geld, und die Schuhe mussten zum Schuster.
»Ich weiß was«, jauchzte Pucki plötzlich.
»Was weißt du denn?«
»Sehr was Schönes, Großmutter! Das wird dem Vati Freude machen. – Ach, wie der springen wird!«
»Was ist denn los, Hedi?«
»Ich sag's nicht – ich sag's nicht – ich sag's nicht!« Hedi sprang von einem Füßchen aufs andere und klatschte in die Hände. Für das Kind stand der Plan fest, dass es der Gärtnersfrau die Blumen aus dem Garten bringen wollte. Das Geld bekam der Vati, weil er für die kranke Mutti und das Schwesterchen viele Ausgaben hatte und ganz arm war.
»Der wird sich freuen – na, der wird sich freuen!« wiederholte die Kleine mehrmals auf dem Heimweg.
Frau Blake lachte über das Kind, das wahrscheinlich einen kindlichen Plan erdacht hatte.
Am nächsten Morgen wartete die Kleine auf den Wagen, der die Niepelschen Kinder zur Schule brachte. Es entstand ein geheimnisvolles Flüstern. Aus drei Knabenkehlen ertönten begeisterte Zustimmungen.
»Das machen wir«, sagte Paul, »und wenn uns was übrig bleibt, wollen wir mal nachsehen, ob die Würfelbude noch dasteht. Dann holen wir uns einen großen Pfefferkuchen.«
Hedi lehnte ab. »Mein Geld bekommt der Vati, er ist ganz arm geworden, weil wir noch ein Kindchen haben.«
»Wir sind heute um drei Uhr mit dem Wagen wieder da. – Pass auf, wir fahren allein.«
»Wenn ich doch nicht mit darf?«
»Du brauchst ja nichts zu sagen!«
»Doch, ich muss immer sagen, wenn ich fortgehe.«
»Das musst du gar nicht«, sagte Fritz fast zärtlich. »Sonst muss man es immer, aber zu Weihnachten braucht man es auch nicht zu sagen. Wir wollen doch deinem Vati Geld bringen. – Na, der wird sich aber freuen!«
Hedi überlegte ein Weilchen. Was der Fritz sagte, stimmte schon. Sie erinnerte sich an die Weihnachtsvorbereitungen. Immer wieder sagte der Vati, man müsse alles vor der Mutti geheimhalten, denn es gälte, ihr eine Freude zu machen. Wie oft hatte sie ihre kleine Flechtarbeit versteckt, wenn die Mutti das Zimmer betrat; sie war sogar heimlich mit dem Vati nach Rahnsburg gegangen.
»Nun ja«, entschied sie sich endlich, »ich komme ganz leise mit. Ich laufe bis zu der dicken Buche, und dort steige ich ganz schnell mit in den Wagen. Dann fahren wir zum Gärtner nach Rahnsburg.«
»Die Blumen musst du aber mitbringen.«
»Hundert!«
»Das ist gut. – Wir bringen auch welche mit, dann haben wir viel Geld.«
Aber der Plan ging nicht so glatt. Als die drei Knaben das weiße Pferdchen aus dem Stall holen wollten, um es vor den Wagen zu spannen, kam der Knecht und fragte, was das zu bedeuten hätte.
»Wir fahren gleich los«, sagte Walter.
»Mit wem?«
»Allein!«
»Dann gebt mir das Pferd wieder her, euch drei kann man nicht allein fahren lassen. – Ihr wollt wohl verunglücken?«
»Wir verunglücken nicht«, sagte Walter.
Der Knecht