Magda Trott

Pucki


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Ich hab' in der Kammer schöne Brötchen mit dicker Wurst gesehen. Die hätte ich gerne essen mögen, weil – ich doch heute so artig war.«

      »Artig nennst du das?« sagte Fräulein Irma streng und wies auf das unsaubere Kleid. Es war unmöglich, Pucki in diesem Auszug nach Hause zu schicken.

      »Pucki war sehr artig!« – –

      Die Eltern waren jedoch nicht derselben Meinung, als sie am Abend hörten, wie alles gekommen war.

      »Schimpf mal nicht«, sagte Pucki und legte zärtlich beide Ärmchen um den Hals des Vaters.

      Die Niepelschen Jungen dagegen bekamen noch am Abend eine gehörige Tracht Prügel und wurden ohne Abendessen zu Bett gebracht.

      8. Kapitel: Bitteres Leid

      »Was machst du da, Pucki? Warum nimmst du die Wurst vom Brot? – Aber Pucki, man steckt doch die fettige Wurst nicht in die Tasche. – Was soll das?«

      Förster Sandler drohte dem Töchterchen, mit dem er beim Abendessen saß, mit dem Finger.

      »Für Männe!«

      »Du willst Männe die Wurst geben?«

      »Ja, Vati – weil Männe krank ist und weil Männe so gerne Wurst frißt. – Er wird sich freuen.«

      »Unserem Männe tut Wurst im Augenblick nicht gut, Pucki.«

      »Er hat sie gestern aber gleich gefressen, sie hat ihm sehr gut geschmeckt. Ach, Vati, ich will auch gar keine Wurst haben, nur der kleine Männe soll gesund werden.«

      »Und die Mutti?«

      »Ja, die Mutti soll auch gesund werden.«

      Frau Sandler lag seit wenigen Tagen zu Bett. Sie hatte sich bei der Wäsche erkältet. Der Arzt war gekommen, da sich Fieber einstellte.

      »Ich glaube, die Mutti ist nicht so krank wie der Männe. Die Mutti lacht noch, aber der liebe Männe liegt ganz still, er wackelt nicht mal mit dem Schwänzchen.«

      Der kranke Dackel bereitete dem Kind große Sorgen. Das Tierchen war alt, und Förster Sandler trug sich schon seit längerer Zeit mit dem Gedanken, dem treuen Tier durch einen wohlgezielten Schuss ein rasches Ende zu bereiten. Noch wollte er freilich abwarten, ob sich das Befinden des Tieres bessern würde. Sandler wusste genau, dass das Ende des Hundes seiner Tochter einen großen Schmerz bereiten würde.

      »Unser Männe ist so elend«, sagte der Förster, »und so krank, dass er wahrscheinlich sterben muss.«

      »Wenn er stirbt, ist er ganz weg, Vati? Kommt er nie wieder?«

      »Nein, mein Kind.«

      »Dann soll er nicht sterben, er soll bei mir bleiben.«

      An diesem Vormittag belauschte das kleine Mädchen ein Gespräch der Eltern, das ihm das Herz fast zum Stillstehen brachte.

      »Es wird das beste sein, wenn ich Männe totschieße. Er ist gar zu elend.«

      »Er soll sich nicht quälen«, sagte die kranke Förstersfrau. »Es ist eine Wohltat für das Tier, wenn du ihn von den Schmerzen schnell erlöst.«

      Als Sandler das Krankenzimmer verließ, stürzte Pucki auf den Vater zu und umklammerte ihn angstvoll.

      »Nicht totschießen«, rief sie unter hervorbrechenden Tränen. »Du sollst meinen guten Männe nicht totschießen, weil er so elend ist. Ich werde Männe pflegen, ich werde ihm immer meinen Zucker geben. Ich will ihn in mein Bettchen nehmen und immerzu streicheln. Dann lassen wir den Onkel Doktor kommen, der zur Mutti kommt, der muss ihm auch 'ne Medizin geben wie der Mutti. Ach, Vati, Vati – –«

      Pucki konnte vor Weinen nicht weiterreden.

      Der Förster war sehr bestürzt, dass sein Töchterchen die Unterhaltung mit angehört hatte. Gar gern würde er dem Kind den Kummer ersparen. Als er zu Männe trat, um den kranken Hund noch einmal genau anzusehen, kniete Pucki nieder und breitete schützend beide Arme über das Tierchen aus.

      »Vati, schieß lieber einen anderen Hund tot, aber nicht den Männe und nicht den Harras. – Bist du wirklich elend, mein liebes Hündchen? Pucki pflegt dich wieder gesund!«

      »Du brauchst nicht mehr zu weinen, Pucki, der Vati wird noch mal den Tierdoktor rufen lassen. Vielleicht kommt Männe wieder auf die Beine. Aber ganz gesund wird er doch nicht wieder.«

      »Ich werde auch immer artig sein, Vati – ich werde nicht mehr in die Lehmgrube gehen und nicht mehr mit Tannenäpfeln nach den Leuten werfen, die vorübergehen. Wenn du mich wieder in den Wald mitnimmst, geh ich immer gleich nach Hause. – Und wenn die Mutti sich mal wieder ein Kindchen holt, will ich es lieb haben. Oh, Pucki will immer nur artig sein. Aber den lieben Männe darfst du nicht totschießen, weil er so elend ist.«

      Dem Förster tat der Kummer seines Kindes leid; so beschloss er zuvor, nochmals mit dem Tierarzt zu reden. Viel Hoffnung hatte er nicht mehr. Dem alten Hunde wäre es am wohlsten, wenn er ein schnelles Ende fände.

      »Ich muss nun in den Wald gehen, Pucki. Sei recht brav, denn Mutti ist krank. Du darfst ihr keine Sorgen machen, darfst auch nicht lärmen.«

      »Nein, Vati, Pucki ist ganz artig, du kannst ruhig in den Wald gehen, ich passe auf. – Kann ich das Hündchen herumtragen?«

      »Nein, mein Kleinchen, lass Männe ganz ruhig liegen. Es ist ihm am liebsten, wenn er auf seinem Lager bleibt.«

      Das Kind kniete nochmals neben dem Dackel nieder, streichelte ihn zärtlich und sagte beruhigend: »Er schießt dich nicht tot, kleines, liebes Hündchen, weil du so elend bist. Du kriegst Zucker und Muttis Medizin, dann wirst du wieder gesund.«

      Der kranke Hund leckte die Händchen des Kindes, dann streckte er sich wieder aus und schloss die Augen.

      Auf leisen Sohlen schlich Pucki ins Zimmer der Mutter. Sie war nicht elend, es ging ihr ganz gut, denn sie lachte noch, wenn sie Pucki sah.

      »Stehste nu bald wieder auf, Mutti?«

      »Ich hoffe es, mein Kind.«

      »Solange du im Bett liegst, bin ich ganz artig, Mutti.«

      »Dann nicht mehr?«

      »Ach, Mutti, es – ist so schrecklich schwer, immer artig zu sein. Aber jetzt mache ich dir keinen Kummer, weil du krank bist. Ich habe schon so viele Tannenzapfen gesammelt; wir wollten die Leute tüchtig schmeißen. Aber solange du krank bist, schmeiße ich nicht.«

      »Mein liebes, kleines Mädchen, du darfst überhaupt die Vorübergehenden nicht werfen, das machen nur unartige Jungen, die keiner lieb hat.«

      »Oh, Mutti«, strahlte Pucki, »die Jungens von Onkel Niepel sind immer so hübsch unartig, das macht soviel Spaß! Richtig frech ist der Paul, ganz frech!«

      »Das ist schlimm, Pucki. – Ein kleines Mädchen darf niemals frech sein, kein Mensch würde dich sonst lieb haben. Und deinen Eltern machst du dadurch großen Kummer.«

      »Ich will dir aber keinen Kummer machen, Mutti.«

      »Dann darfst du auch mit den Niepelschen Jungen keine tollen Streiche ausführen. Du weißt genau, was gut und böse ist und wodurch du die Eltern betrübst.«

      »Ja, Mutti – als ich im Auto weg war, haste dich auch ins Bett gelegt und warst krank. – Warum liegste denn jetzt im Bett? – Weil ich mich in der Lehmgrube schmutzig gemacht hab'?«

      »Vielleicht, Pucki. Mutti hat sehr lange an dem weißen Kleidchen waschen müssen, dabei hat sie sich erkältet. Nun hat sie Stiche in der Brust.«

      »Nur weil ich in der Lehmgrube war?«

      »Weil du der Mutti viel unnütze Arbeit machst, mein Kind.«

      »Ach, Mutti, dann werde ich dir gar keine Arbeit mehr machen. Dann zieh' ich mir immer erst das Kleidchen aus, wenn ich in die Lehmgrube gehe.«

      »Du