still sein.«
»Mutti, das Fräulein wird doch wohl keinen Hunger haben? Sie ist nicht arm, ich brauche sie also nicht zum Kuchen in den Garten einzuladen wie die kleine Thusnelda?«
»Nein, Pucki, das brauchst du nicht. Doch sieh, da steht der Vati, er wird sich freuen, von dir etwas über den heutigen Tag zu hören.«
Pucki flog dem Vater in die geöffneten Arme.
»Im Walde bei dir ist es viel, viel schöner, Vati, aber ich denke, dass ich mich auch mit Thusnelda vertragen werde.«
2. Kapitel: Pucki will keinen hungern lassen
Die kleine Schulkameradin mit dem merkwürdigen Namen und dem festgeflochtenen Zopf, der wie ein Haken aus dem Hinterkopf herauskam, beschäftigte das Försterkind unaufhörlich. Dass das Kind immer Hunger hatte und nichts zum sattessen bekam, erschien Pucki unfasslich. Sie hatte auch manchmal Hunger, aber dann bekam sie stets etwas zu essen. Auch Milch war stets vorhanden, viel Milch, von der sie trinken durfte. Ob Thusnelda jeden Tag solch einen Topf Milch bekam?
Alle diese Gedanken beschäftigten Pucki schon am nächsten Morgen, als sie sich erhob. Würde die Schulkameradin wenigstens heute satt sein? Ob sie die große Tüte schon leer gegessen hatte? –
»Mutti, wenn die Thusnelda nichts zu essen hat und auch keine Milch bekommt, möchte ich ihr etwas zu essen mitnehmen, wenn ich heute in die Schule gehe. Sie soll sich wieder freuen.«
»Frage das kleine Mädchen ruhig, und wenn es Hunger hat, will ich dir gern an jedem Tage ein Butterbrot mitgeben, das du ihr schenken darfst.«
»Wenn sie aber heute schon Hunger hat?«
»Das kleine Mädchen kann auch einmal nach dem Forsthause kommen, um Milch zu trinken. Das bestelle ihr. Sie soll sich von der größeren Schwester herführen lassen, denn Milch ist immer bei uns vorhanden.«
»Bekommt dann die große Schwester auch Milch? Die größere Schwester hat vielleicht noch viel größeren Hunger.«
»Selbstverständlich bekommt auch die größere Schwester etwas zu essen. Doch nun beeile dich, Pucki, wir müssen zur Schule. Heute dauert es zwei Stunden, bis du wieder heimkommst.«
»Das ist aber lange!« –
Auch am heutigen Tage brachte Frau Sandler ihr Töchterchen bis zum Schulhause. Wieder saß Pucki mit dreiundvierzig anderen Kindern in der Klasse, wieder stand Fräulein Caspari vor ihnen und ließ die Tafeln herausnehmen, damit die Kinder auch heute zeichneten und schrieben.
»Wir haben gestern einen Buchstaben auf die Tafel gemalt. Wer weiß noch, wie dieser Buchstabe hieß?«
»Ein Osterei!«
»Eine Null!«
»Nein, ich meine den Buchstaben mit dem Punkt. – Nun, Pucki, du wirst es sicherlich behalten haben.«
»Ja, – ich habe ihn behalten, ich kenne ihn ganz genau, aber ich habe seinen Namen vergessen.«
»Vielleicht weißt du ihn, Thusnelda?«
Aber Thusnelda senkte verlegen den Kopf und steckte die kleine Hand in den Mund.
»Nun, Thusnelda?«
»Ach, Fräulein«, rief Pucki, »fragen Sie mal das kleine Mädchen nicht; Thusnelda hat Hunger, und darum kann sie nicht antworten. – Hast du Hunger?«
Thusnelda nickte.
»Bei uns bekommst du ein Butterbrot, morgen bringe ich es dir mit, und Milch bekommst du auch. Du musst nur zu uns kommen. Deine große Schwester bekommt dann auch Milch.«
»Pucki«, mahnte die Lehrerin, »im Schulzimmer musst du ruhig sein und warten, bis du gefragt wirst.«
»Wenn ich nun aber was sagen will?«
»Dann hebst du den Finger in die Höhe und meldest dich.«
Sofort ging Puckis Fingerchen in die Höhe, und erneut wandte sie sich an Thusnelda.
»Meine Mutti hat gesagt, du sollst zu uns kommen, du brauchst nicht mehr zu hungern. Weißt du was, du kommst heute zu uns, mit deiner Schwester. Wir gehen dann zur Kuh, und die wird gemelkt, dann trinken wir immerfort.«
»Pucki, hast du nicht gehört, dass ich dir verboten habe, so viel zu plaudern?«
»Ich halt' ja den Finger hoch, dann darf ich es doch!«
»Nein, dann darfst du noch lange nicht plaudern.«
»Fragst du mich nicht?«
Aufs neue versuchte die Lehrerin, den Kindern klarzumachen, dass sie sie nicht duzen dürften. Das war eine ziemlich schwierige Arbeit. Pucki fand es gar seltsam, dass sie zur Lehrerin anders sagen sollte, wie zu allen anderen Menschen.
Man begann wieder mit dem Stäbchenlegen, dann erzählte die Lehrerin vom lieben Gott, der die Erde geschaffen, der das Licht und die Meere gemacht und Adam und Eva in das Paradies gesetzt hatte.
»Ich kann auch das Licht machen«, rief der vorlaute kleine Heinz. »Ich knips' einfach, dann ist das Licht da.«
»Ich knips' auch«, rief Pucki.
Wilder Tumult entstand. Fast jedes Kind erzählte von dem Licht, das es im Elternhause andrehen konnte. Nur wenige Kinder blieben still; darunter auch Thusnelda.
»Darfst du nicht knipsen?« fragte Pucki.
Sie schüttelte den Kopf. Sie kannte kein elektrisches Licht. Daheim saß man bei der Petroleumlampe.
Die Lehrerin bemühte sich erneut, durch ihre Erzählung vom lieben Gott die Aufmerksamkeit der Kinder zu erregen. Sie sprach von Gottes Güte, von seiner Weisheit und dass er jede Unart sähe und auf jedes Kind aufpasse.
»Wenn ihr in den finsteren Wald geht, braucht ihr euch nicht zu fürchten, weil immer jemand da ist, der auf euch aufpasst. – Nun, wer weiß mir diese Frage zu beantworten: Wer ist auch im finstersten Walde?«
»Mein Vati!« jubelte Pucki, »der geht immer mit der Flinte durch den Wald.«
»Aber der liebe Gott ist auch da.«
»Und der Schutzengel, der läuft immer neben mir her, Fräulein Caspari!«
»Jawohl, Pucki, du hast recht.«
Wieder wollte sie anfangen, von dem Vater zu erzählen, von den Holzfällern, vom Eichkätzchen und den Bäumen, aber sie wurde auch jetzt wieder zur Ordnung gerufen und musste still sein.
»Ich wiederhole noch einmal, Pucki, wenn du etwas fragen willst, hebst du den Finger, dann werde ich dir stets Antwort geben.«
Schon fuhr das Fingerchen wieder in die Höhe.
»Was möchtest du wissen?«
»Ob wir nicht bald nach Hause gehen können?«
»Gefällt es dir nicht in der Schule? Willst du ein dummes Mädchen bleiben und nichts lernen?«
»O nein, Fräulein Caspari, aber vielleicht steht die Mutti heute wieder mit 'ner Tüte draußen.«
»Das gibt es nur am ersten Schultage.«
»Es haben aber so viele Kinder keine Tüte bekommen. Ich habe meine Tüte der Thusnelda geschenkt, und nun soll die Thusnelda zu uns kommen und was Schönes zu essen haben.«
»Ich habe auch keine Tüte bekommen«, rief einer der Knaben.
»Dann komm nur auch zu uns, Mutti schenkt dir was.«
Es meldeten sich noch verschiedene Kinder, die ebenfalls wehmütig davon berichteten, dass sie am ersten Schultage leer ausgegangen waren.
»Hat eure Mutti auch kein Geld für eine Tüte?«
»Nein«,