Magda Trott

Pucki


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Vati auf den Teller noch einen Zettel, darauf schreibe ich meinen Namen.«

      »Du kannst ja noch nicht schreiben, Pucki.«

      »Doch – meinen Namen schreibe ich. – Pass mal auf.«

      Pucki ging hinüber in des Vaters Arbeitszimmer. Die Eltern waren nicht daheim, Minna war mit den Kindern allein im Hause. Pucki nahm den Federhalter und ein Stück Papier und machte darauf die verschiedensten Striche, an die sie zum Schluss das gelernte »i« hing. Zum Schluss kam noch ein dicker Punkt über das i. Dazu tauchte sie die Feder tief in die Tinte. Da fiel ein dicker, schwarzer Tropfen auf den schön gestickten Lampenteller.

      Das Kind erschrak. Im ersten Augenblick dachte die Kleine, die Schiefertafel vor sich zu haben. Sie legte drei Finger an die Zunge und fuhr mit ihnen hastig über den Tintenfleck hinweg.

      »Oh – oh –!« Die Tinte verwischte sich über den Teller, über die mühevolle Stickerei und machte das Geschenk unbrauchbar. »Minna! – Minna!«

      Pucki stürmte in die Küche, hielt der treuen Hausgenossin den Lampenteller hin, und während ihr Tränen aus den blauen Augen tropften, rief sie schluchzend:

      »Mein schöner Teller. – Minna, was wird Vati sagen?«

      »Du Schmierfink, was hast du denn da wieder gemacht? Das ganze Geschenk ist verdorben, so etwas kannst du unmöglich dem guten Vater schenken. – Aber Pucki!«

      »Ich wasch' ihn schnell ab.«

      Schon hatte das Kind die Bürste genommen und fuhr damit über den Lampenteller hinweg, ehe Minna es verhindern konnte.

      »Aber Pucki!«

      Das kleine Mädchen rieb aus Leibeskräften. Das Wasser begann die bestickte Pappe zu erweichen, und plötzlich zerfiel der Teller in zwei Stücke.

      »Minna – Minna – –«. Fassungslos stand Pucki mit den beiden Hälften vor dem Mädchen und weinte so heftig, dass der kleine Körper zitterte. »Immerfort habe ich daran gestickt, der Finger ist dabei kaputt gegangen, und nun ist alles futsch!«

      Der Jammer des Kindes griff Minna ans Herz, doch es gelang ihr nicht, das Kind zu trösten.

      »Du musst dem Vati morgen etwas anderes schenken. Dann freut er sich gewiss auch.«

      »Ach, der schöne Teller! Minna, sticke mir einen neuen Teller.«

      »Das geht nicht, Pucki, ich habe auch keinen Lampenteller. Weine doch nicht so, wir werden alles der Mutti erzählen, vielleicht weiß sie Rat.«

      Kummervoll erwartete das Kind die Heimkehr der Mutter. Noch immer weinend, eilte sie ihr entgegen und hielt ihr den zerstörten Lampenteller hin.

      »Da hast du wieder durch deine Unvorsichtigkeit etwas Schönes angerichtet, Pucki. Der Vater hätte sich sehr über deine erste Handarbeit gefreut. – Nun kannst du ihm morgen nichts schenken.«

      »Ich möchte aber dem Vati was schenken! Ach, Mutti, hilf mir doch!«

      »Es ist dir verboten worden, an das Tintenfass zu gehen, Pucki, du bist also wieder einmal unfolgsam gewesen, und das ist nun die Strafe.«

      Über alle Massen betrübt, ging Pucki in das Kinderzimmer, sie hielt noch immer die beiden Hälften des Lampentellers in den Händen. Sie dachte daran, dass jeder dem Vati morgen etwas schenken durfte, nur sie würde mit leeren Händen dastehen. Da tropfte Träne auf Träne aus den blauen Augen.

      »Wenn ich die ganze Nacht durch sitze und immerzu nähe, kann ich dem Vati vielleicht noch so einen Lampenteller machen.«

      Wieder lief sie zur Mutter, um ihr diesen Vorschlag zu machen.

      »Ach, Mutti, Pucki ist traurig, wenn sie dem Vati nichts schenken kann.«

      »Das ist deine Schuld, mein Kind, ich kann es nicht ändern.«

      Beim Abendessen vermochte das Kind nur mit Mühe zu essen, und als der Vater fragte, was ihm fehle, hätte Pucki am liebsten wieder geweint.

      »Ich – wollte dir was schenken – nun ist es nicht mehr da.«

      »Das ist freilich schlimm. Wo ist es denn hin?«

      »Kaputt.«

      »Hast du es kaputt gemacht, Pucki? Nun, vielleicht können die Heinzelmännchen es wieder ganz machen.«

      »Oh – – die Heinzelmännchen!« Puckis Gesichtchen strahlte vor Freude. Die guten Heinzelmännchen hatten einstmals dem Schneider geholfen, die Heinzelmännchen konnten gewiss auch einen Lampenteller sticken oder den zerbrochenen zusammenleimen und die Tintenflecke fortwischen. – Die Heinzelmännchen waren die einzige Rettung.

      Gleich nach dem Abendessen lief das Kind hinaus in den Garten. Fromm faltete es die Hände.

      »Lieber Gott, ich bin so furchtbar traurig, weil ich morgen dem Vati nichts schenken kann. Lass alle deine Heinzelmännchen zu mir kommen, die im Walde wohnen. Sieh mal, lieber Gott, hier ist der Lampenteller, den ich dem Vati schenken wollte. Bitte, bitte, schicke mir die Heinzelmännchen, damit der Vati eine Freude hat.«

      Pucki wartete ein Weilchen. Es rauschte gar seltsam in den Bäumen. – Ob das Englein waren, die zu den Heinzelmännchen hinflogen?

      »Pass gut auf, lieber Gott, ich lege jetzt den kaputten Teller auf die Bank in die Laube. Wenn's Nacht ist, dann, bitte, bitte, schicke die Heinzelmännchen. Ich will auch zu meinem Schwesterchen lieb sein und bau' ihr immerfort einen Turm. Und morgen werde ich in der Schule gut aufpassen und nicht so viel plappern. – Lieber Gott, du hast doch kleine Mädchen furchtbar gern – schick mir die Heinzelmännchen.«

      Sehr behutsam wurden die beiden Tellerhälften auf die Bank gelegt. So inbrünstig wie heute hatte Pucki noch niemals eine Bitte an den lieben Gott gerichtet.

      »Du hast doch auch meinen Vati gern, der immer so lieb ist. Nun hat er keine Freude, wenn er den kaputten Teller bekommt. – Lieber Gott, die Mutti sagt, dass du gut bist, ach – sei doch heute recht lieb zu Pucki, sag es schnell den Heinzelmännchen und den lieben Englein und sage ihnen auch noch, dass sie nicht falsch nähen sollen, sonst muss die Mutti alles wieder auftrennen. – Lieber, lieber Gott, bitte, schick die Heinzelmännchen her.«

      Ganz leise verließ die Kleine die Laube und stellte sich abwartend hinter einen Baum. Wohl rauschte es in dessen Krone, aber über den Kiesweg huschten keine kleinen Männchen. – Ganz plötzlich glaubte Pucki leise Schritte zu vernehmen.

      »Ich glaub', lieber Gott, nu kommen sie! Oh, ich hab' so große Freude! Nicht wahr, du sagst ihnen, dass sie den Teller bis morgen früh fertig haben. Ich komm' aber ganz früh her und hole ihn.«

      In der Veranda des Forsthauses stand Frau Sandler, die jedes Wort ihrer kleinen Tochter vernommen hatte. Sie hatte damals zwei ganz gleiche Lampenteller gekauft. Den einen hatte Pucki bestickt und durch ihre Unvorsichtigkeit wieder verdorben. Der andere sollte im Sommer für die Großmutter fertig gemacht werden.

      »Pucki, wo bist du, du musst nun schlafen gehen!«

      Die Kleine hörte die Mutter rufen. Noch einmal schaute sie zum Himmel empor und bog winkend den Zeigefinger um.

      »Komm rasch runter, lieber Gott, und sage es den Heinzelmännchen. Nicht wahr, du hilfst mir heute?«

      Seltsam getröstet kehrte das Kind zur Mutter zurück und schaute sie mit schalkhaftem Lächeln an.

      »Ob sich der Vater sehr freut, wenn ich ihm morgen doch den Lampenteller schenke?«

      »Den hast du doch verdorben, Pucki.«

      »Vielleicht wird alles noch gut, Mutti, warte mal ab.«

      »So? – –«

      »Mutti, ich habe ein schönes Geheimnis vor dir. – Aber morgen sage ich es dir. – Hab nur keine Angst, wenn es heute Nacht immerzu trippelt. Du brauchst dich nicht zu fürchten. Der liebe Gott passt auf uns alle auf und auch auf – – die