Magda Trott

Pucki


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kommen denn in unseren Wald keine kranken Kinder?«

      »Man hat gerade vor einigen Tagen an deine Mutti geschrieben, ob sie nicht auch ein Kind aufnehmen will. Auch bei den anderen Förstern und den Gutsbesitzern traf eine derartige Anfrage ein.«

      »Au, Mutti, dann lassen wir viele Kinder herkommen, ich gehe mit ihnen in den Wald, und du bäckst Waffeln.«

      »Vielleicht nimmt Mutti ein solches armes Kind in den großen Ferien auf. Doch das muss sie erst mit dem Vati besprechen.«

      Schon am nächsten Tage erzählte Pucki in der Schule von den armen Kindern, die gerne in den Wald und in die Försterei kommen möchten.

      »Meine Mutti will auch so ein Kind haben.«

      »Das ist sehr nett von deinen Eltern, Pucki. Es wird dir viel Freude machen, einem kleinen Stadtmädchen den Wald zeigen zu können.«

      Von nun an fragte Pucki tagtäglich die Eltern, ob nicht bald ein Kind aus der großen Stadt in den Wald käme.

      »Ich möchte gern mit dem Kindchen spazierengehen.«

      »Wenn du gern spazierengehen willst, Pucki, warum gehst du dann so selten mit Waltraut spazieren? Es wäre mir sehr lieb, wenn du dich mehr mit deinem Schwesterchen beschäftigen wolltest.«

      »Ihr könnt mich beide heute nachmittag in den Wald begleiten«, sagte Förster Sandler. »Wir haben direkt an der Straße zu tun, und es ist ein schöner Tag. Da werdet ihr viel Freude haben.«

      Pucki war es zufrieden. Die kleine Schwester konnte zwar nicht so schnell laufen, wie sie es liebte, sie stolperte auch oftmals, aber mit den Holzarbeitern konnte man sich so schön etwas erzählen. Auch war es gar lustig anzusehen, wenn lauter viereckige Haufen aus zersägten Baumstämmen zusammengetragen wurden.

      Obwohl Förster Sandler seinen Kindern streng befohlen hatte, in seiner Nähe zu bleiben, wanderte Pucki doch mit dem Schwesterchen ein wenig weiter. Es gab so viel zu zeigen. Waldi fürchtete sich zwar vor den großen schwarzen Käfern, die über den Weg krochen, doch Pucki meinte, das seien die lieben Mistkäfer, die einem nichts Böses täten.

      Ganz plötzlich horchte sie auf. Drüben, auf der anderen Seite des Weges mussten auch Holzarbeiter sein. Beständig knackte und raschelte es.

      »Komm, Waldi, wir wollen mal sehen, ob dort der Onkel Oberförster oder der Mann mit dem langen Bart ist.«

      Es war aber nur ein altes Mütterchen, das einen kleinen Handwagen voll Holz packte. Die alte Frau trug dürre Äste zusammen, von denen sie die kleinen Zweige abbrach.

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      Eine ganze Weile schaute Pucki diesem Tun zu. Es war dem Kinde nichts Neues, dass Holz zusammengetragen wurde, doch diese alte, kleine Frau schien große Mühe zu haben, den Wagen vollzuladen.

      »Warum holst du dir denn keinen Mann, der das Holz aufpackt?«

      »Ich habe keinen Mann. Ich bin ganz allein.«

      »Dann musst du den Wagen auch allein nach Hause ziehen?«

      »Ja.«

      »Kannst du das?«

      »Es muss gehen, Kleine. Wenn nur mein Fuß besser würde. Er ist krank, mit ihm kann ich nicht gut auftreten. Da geht es eben sehr langsam.«

      Ein Weilchen überlegte Pucki, dann sagte sie freundlich: »Ich hab' einen Roller. Wenn du den kranken Fuß auf meinen Roller setzt, geht es viel schneller. – Soll ich dir meinen Roller holen?«

      »Nein, du gutes Kind, der Roller kann mir nichts nützen. Ich werde schon heimkommen.«

      Wieder sah Pucki, wie die alte Frau bald hierhin, bald dorthin humpelte. Da packte sie mit zu und begann auch allerlei Zweiglein aufzulesen und auf den Wagen zu legen. Sogar Waltraut tat ein Gleiches. Es waren allerdings nur ganz kleine Ästchen, die sie herbeizutragen vermochte. Doch das alte Mütterchen schien sehr erfreut über diese Hilfe zu sein.

      »Ihr seid zwei gute Kinder.«

      »Ich werde dir immer helfen. Kommst du oft in den Wald? Dort drüben, beim Vati, liegt so viel Holz. Komm mit, das holen wir jetzt!«

      »Nein, nein, das dürfen wir nicht.«

      »Dann bringe ich dir was. Dort sind Männer, die tragen dir das Holz her.«

      Wieder wehrte die alte Frau ab und meinte, es sei genug. Sie wolle nun heimfahren. Aber es war schwer, den Wagen mit der Holzlast anzuziehen.

      »Ich helfe dir ein bisschen«, sagte Pucki gutmütig.

      »Wenn du hinten ein wenig stoßen wolltest, mein Kind, dann geht es gewiss.«

      Wahrhaftig – es glückte. Pucki strahlte geradezu. Es machte ihr Freude, recht kräftig an das Wäglein zu stoßen, damit die alte Frau nicht so schwer zu ziehen brauchte. Da sie ein krankes Bein hatte, konnte sie leider nicht gut laufen. An das Schwesterchen dachte Pucki in ihrem Eifer nicht mehr. Sie schob und stieß an dem Wäglein nach Leibeskräften, bis der breite Waldweg erreicht war.

      »Nun geht es schon allein, mein liebes Kind, ich danke dir herzlich.«

      »Nur noch ein ganz klein wenig, weil du doch ein böses Bein hast.«

      Plötzlich erblickte Pucki einen Herrn in grüner Uniform, der auf dem breiten Wege daher geschritten kam.

      »Oh, hast du Glück«, sagte sie erfreut, »da kommt der Onkel Oberförster, der kann auch ein bisschen schieben helfen.«

      Es war wirklich der Oberförster. Doch er machte kein freundliches Gesicht, er streckte gebieterisch die Hand aus und hielt den Wagen an.

      »Ist heute Holztag?«

      Die alte Frau machte ein erschrockenes Gesicht; Pucki dagegen streckte dem Onkel Oberförster freundlich das Händchen hin und sagte mit ihrer süßen, hellen Stimme:

      »Sieh mal, Onkel Oberförster, ich bin schon ganz heiß. Stoß du auch mal an dem schweren Wagen.«

      »Wissen Sie nicht, dass am Donnerstag kein Holz gesammelt werden darf?«

      »Entschuldigen Sie nur, Herr Oberförster, aber ich habe zu Hause nichts mehr. Ich konnte gestern nicht in den Wald.«

      »Ordnung muss sein, in Zukunft werde ich es nicht wieder dulden, dass Sie an verbotenen Tagen aus dem Walde Holzholen. Was sollte werden, wenn jeder die Vorschriften übertreten wollte.«

      Oberförster Gregor war ein gutherziger Mann, aber er hielt streng auf Ordnung. Seine Stimme klang barsch, trotzdem meinte er es nicht schlimm.

      Hedi Sandler hatte den guten Onkel Oberförster noch niemals so sprechen hören. Mit weit offenen Augen schaute sie zu ihm auf.

      »Wenn doch die Frau gar kein Holz hat – sie hat nicht so viel wie der Vati.«

      Die Alte wollte sich mit ihrem Wäglein schnell aus dem Staube machen.

      »Merken Sie sich, dass am Montag und Donnerstag kein Holz aus dem Walde geholt werden darf«, sagte der Oberförster. »Von rechts wegen müsste ich Ihnen das Holz eigentlich fortnehmen.«

      »Herr Oberförster«, jammerte die Alte.

      »Schon gut, fahren Sie los, aber kommen Sie nicht wieder am Montag oder am Donnerstag in den Wald!«

      »Nein, nein, Herr Oberförster.«

      Puckis Herz klopfte stürmisch. War das der gute Onkel Oberförster, der sonst immer so vergnügt lachte? Einer armen Frau wollte er das Holz wegnehmen? So ein bisschen Holz, das im Walde herumlag, sollte die alte Mutter nicht behalten dürfen?

      »Na, –« sagte Oberförster Gregor und schaute Pucki an, »was machst du denn allein im Walde? Bist wohl von daheim fortgelaufen?«

      »Ich hab' auch Holz gesucht, ich habe der Frau geholfen, weil