Magda Trott

Pucki


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mit dem Wagen. Die Kleine ging von Schaufenster zu Schaufenster und betrachtete die Auslagen.

      »Du – was steht denn hier geschrieben?«

      Der gutmütige Kutscher gab bereitwillig Auskunft. Da wurden in der Apotheke die verschiedensten Mittel angepriesen; beim Bäcker wurde Reklame für ein neues Schrotbrot gemacht. Weiter ging es zur Tischlerei. Da hing ein großer weißer Zettel.

      »Was hat denn der Mann geschrieben?«

      »Hier wird das Wachsen von Möbeln übernommen.«

      »Was – – das Wachsen von Möbeln?«

      »Ach, du Dummerlack! Der Tischler meint, die Möbel werden schön aufpoliert und mit Wachs bestrichen.«

      Lautes Lärmen auf dem Markte verkündete, dass auch die beiden anderen Schulklassen geschlossen worden waren. Die Kinder tobten die Straßen entlang. Paul und Fritz waren am Wagen und stiegen bereits ein.

      »Wo bleibt denn der Walter«, forschte Pucki.

      »Der kommt auch gleich nach, der kann nicht so schnell laufen, er ist krank.«

      »Krank?« rief Pucki erschrocken, »was hat er denn? Ich werde ihn holen.«

      Doch da kam schon Walter. Er ging sehr langsam und hatte die eine Hand in die Seite gestützt.

      »Was fehlt dir denn?« fragte der Kutscher.

      »Mir tut es hier so weh«, sagte der Knabe und zeigte auf die linke Seite.

      »Bist wohl wieder toll herumgelaufen und hast Seitenstechen. Das wird gleich wieder vergehen.«

      Dann fuhr man ab. Pucki betrachtete Walter oftmals, der heute einen gar müden Eindruck machte.

      Pucki streichelte die Wange des Freundes. »Hab mal keine Angst, Junge, deine Mutti kann dir schon helfen. Die kocht dir Kamillentee, und dann ist alles gut. Oh, warte noch ein bisschen. Du steigst am Forsthause ab, dann gibt dir meine Mutti eine Medizin. Die hilft, ich weiß schon, was dir gut tut.«

      »Kannst du ihm helfen?« fragte Fritz.

      Pucki nickte mit dem Kopf. »Ja, ich helfe ihm.«

      »Er hat es gut«, seufzte Fritz, »ihm kannst du helfen, aber kannst du mir nicht auch helfen?«

      »Was soll ich denn?«

      »In der Schule war's heute sehr schlimm. Wir sollten etwas über ein Schiff erzählen, das hatte uns der Lehrer gezeigt. Und da war gerade ein Maikäfer, den hatte der Erich mitgebracht und auf der Bank herumkriechen lassen. Da haben wir nicht hingehört, was der Lehrer sagte. Und nun sollen wir was über das Schiff schreiben, und ich weiß doch nicht, was.«

      »Über das Schiff, das beim Schmanzbauer in der Stube hängt?«

      »Ich weiß nicht. Er hat uns auf einem Bilde ein Schiff gezeigt und davon erzählt.«

      »Weißt du gar nichts mehr davon, Fritz?«

      »Nein, gar nichts.«

      »Na, dann schreibe über das Schiff vom Schmanzbauer.«

      »Was soll ich denn schreiben?«

      »Da musst du mal hingehen. Dem Schmanzbauer sein Kind fährt immer auf einem Schiff. Der Schmanzbauer hat mir schon viel erzählt. – Du, ich weiß viel von dem Schiff.«

      Paul horchte auf. Auch er hatte heute in der Stunde nicht aufgepasst und wusste ebenso wenig über das Schiff zu sagen wie sein Bruder Fritz.

      »Wenn du so viel weißt, Pucki«, meinte er, »dann erzähle uns was von dem Schiff.«

      »O ja! – Das Schiff hängt beim Schmanzbauer an der Zimmerdecke. Auf einem Schiff können furchtbar viele Leute fahren. Es hat viele Plätze. Jedes Schiff hat einen Namen. Aber wie das Schiff vom Schmanzbauer heißt, weiß ich nicht, und sein Kind, das auf dem Schiff fährt, ist jetzt nicht da. – Wollen wir heute mal zum Schmanzbauer gehen?«

      »Ich habe heute keine Zeit. Aber erzähle noch mehr von dem Schiff.«

      »Die Leute, die kein Geld bezahlen und das Schiff bedienen, sind die Matrosen. Kleine Matrosen heißen Schiffsjungen. Die müssen viel klettern und das Schiff scheuern. Der Steuermann dreht an einem Rad das Schiff hin und her, damit es richtig fährt. Der Führer auf einem Schiff ist der Kapitän.«

      »Was du alles weißt!« staunte Fritz. »Wer hat dir denn das erzählt?«

      »Der Schmanzbauer. Ich gehe gern zum Schmanzbauer. Nächstens gehe ich wieder hin, dann frage ich nach dem Schiff.«

      »Was du jetzt gesagt hast, schreibe ich auf«, rief Paul. »Aber der Fritz darf es nicht aufschreiben.«

      »Nein, das schreibe ich auf!«

      »Pucki«, sagte Fritz, »ich will auch was schreiben.«

      Das Försterkind starrte einige Augenblicke nachdenklich zum Himmel empor, dann rief es freudig. »Oh, ich weiß noch mehr, das sage ich dir ins Ohr, dann hört es der Paul nicht.«

      »Der hat schon genug.«

      »Die Matrosen und der Kapitän müssen sehr gute Augen haben. Manchmal ist ganz dicker Nebel auf dem Wasser, dass sie nichts sehen können. Bei Nebel tuten die großen Schiffe mit einem Horn. Die Stricke oben am Schiff haben einen komischen Namen, den habe ich vergessen. Aber das frage ich den Schmanzbauer noch. Meistens haben die Matrosen eine Pfeife im Munde und rauchen daraus. Wenn das Schiff in den Hafen kommt, dann geht der Matrose nach Hause und freut sich. – Hast du nu genug?«

      »Ach, Pucki, ich hab' dich schrecklich lieb, weil du immer einen guten Rat weißt. Du bist doch die Klügste von uns.«

      »Wenn mir noch was einfällt vom Schiff, sage ich es dir morgen früh, wenn ihr mit dem Wagen vorbeifahrt.«

      Walter hatte sich an der Unterhaltung wenig beteiligt. Er saß müde in der Wagenecke und fühlte sich gar nicht wohl.

      »Na, na«, meinte der Kutscher, »ich glaube, du hast dich erkältet und musst ins Bett, Walter.«

      »Ja, fahr recht schnell«, rief Fritz.

      Bald hielt der Wagen am Forsthause. Dort wurde Pucki abgesetzt. Diesmal winkte sie Walter besonders herzlich zu, denn sie hatte inniges Mitleid mit dem kranken Knaben. Dann eilte sie aufgeregt in die Küche, in der die Mutter beschäftigt war, und rief stürmisch:

      »Mutti, da bin ich!«

      Frau Sandler sah sofort Puckis bloße Füße.

      »Was ist denn das wieder? Wo sind deine Schuhe und Strümpfe?«

      »Die Schuhe hat die Thusnelda bekommen, die Strümpfe habe ich in die Mappe gesteckt.«

      Eifrig erzählte Pucki von der armen Thusnelda, die in zerrissenen Schuhen umherlief.

      »Ach, Mutti, sie hat sich sehr gefreut, nun kann sie heute nachmittag zu mir kommen, weil sie meine Schuhe hat.«

      »Du hättest mich erst fragen müssen. – Du darfst die Sachen, die du trägst, nicht verschenken, ohne dass wir davon wissen. Wenn Thusnelda heute kommt, will ich ihr noch ein Kleidchen von dir heraussuchen.«

      »Au fein, Mutti! Gestern hat uns Fräulein Caspari erzählt, dass es viele arme Kinder gibt, die gar nichts haben. In der großen Stadt mit den hohen Häusern sind noch viel mehr arme Kinder als in Rahnsburg. Und diese Kinder haben keinen grünen Wald, wie wir, – Mutti, das muss schlimm sein!«

      »Gewiss, Pucki, es gibt viele Kinder, die noch niemals aus der Stadt herausgekommen sind, die niemals frische Waldluft geatmet haben. Sie sehen blass und elend aus und sind oft krank.«

      »Kann man sie nicht in den Wald schicken, damit sie nicht krank sind?«

      »Es haben sich gutherzige Leute gefunden, die sich dieser Kinder annehmen. Dann wird Geld gegeben, damit die kränklichen Geschöpfe aufs Land oder in den Wald geschickt werden können. Alle Jahre fahren ganze Eisenbahnzüge mit Kindern aus den großen Städten