Magda Trott

Pucki


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      Die Schmanzbäuerin war in der Küche beschäftigt, um für die Schweine einen großen Topf Kartoffeln zu kochen.

      »Geht nur ins Zimmer, Kinder, dort ist eine liebe Tante, die könnt ihr begrüßen.«

      Rose öffnete zögernd die Zimmertür. Auf der Bank, die den großen grünen Ofen umgab, saß eine Frau. Sie hatte ein graues Tuch um die Schultern gelegt, und in den Händen hielt sie einen Stock. Ihr Gesicht war voller Falten und Runzeln; die Augen hielt sie beim Eintreten der Kinder geschlossen.

      Pucki betrachtete die Sitzende nur wenige Sekunden. »Ich hab' mir's gedacht«, sagte sie laut, »der Onkel Oberförster hat's erzählt, nun wollen sie mich hier auch anführen.« Dann lief sie auf die Frau zu und fasste sie mit der einen Hand an die große Nase.

      »Bist du auch ausgestopft?« rief sie dabei.

      Ein erschreckter Laut klang durch das Zimmer, und auch Rose schrie angstvoll auf. Was fiel denn Pucki plötzlich ein?

      »Mädchen, Mädchen!« schrie die Alte.

      Da ließ Pucki entsetzt los. Das war ein altes, verrunzeltes Gesicht. Das war keine ausgestopfte Puppe, das war wirklich ein Mensch, der auf der Ofenbank saß. Aber genau so hatte beim Onkel Oberförster die Tante Pimpinella auf der Bank gesessen. Genau so hatte sie sich auf den Stock gestützt. Nun war das kein Spaß, sondern bitterer Ernst.

      »Du unartiges Mädchen, sollst du eine alte Frau an der Nase fassen?«

      Die Schmanzbäuerin kam aus der Küche ins Zimmer gelaufen.

      »Ja, was geht denn hier vor?« rief sie.

      »Soll ein Kind eine alte Frau an der Nase ziehen?«

      »Aber Mutter Minna, was hat Pucki denn getan?«

      »Soll ein Kind eine alte Frau an der Nase fassen?«

      Pucki begann jämmerlich zu weinen.

      »Was hast du denn gemacht, Pucki?« fragte die Schmanzbäuerin.

      Pucki weinte immer lauter. »Ich habe doch nicht gewusst, dass sie keinen Kopf aus Pappe hat«, klang es stoßweise.

      »Was redest du schon wieder für dummes Zeug?« rief Mutter Minna. »Was soll das heißen?«

      »Erzähle doch, Pucki, was hast du denn getan?« forschte die Schmanzbäuerin. Dann ging sie zum Schrank, holte ein weißes Beutelchen hervor und reichte es der Weinenden.

      »Nimm, es sind Backbirnen darin.«

      Pucki schüttelte noch immer schluchzend den Kopf.

      »So erzähle doch endlich, Pucki.«

      Da drückte das Kind den Kopf in die Schürze der Bäuerin und berichtete unter Weinen, dass es geglaubt hätte, die am Ofen sitzende Frau sei wieder eine Tante Pimpinella wie beim Oberförster.

      So erfuhr auch Rose, was sich bei Gregors ereignet hatte, und aus welchem Grunde Pucki so still und schweigsam gewesen war.

      »Ich bin ein böses Mädchen«, schluchzte Pucki, während noch immer die dicken Tränen über ihre Wangen liefen, »ich bin eben ein Puck. Die Waldfrau hat mich verhext. Immer, wenn ich was Schönes machen will, wird es etwas Schlimmes.«

      »Nein, Pucki, du bist mein liebes Mädchen, nur ein bisschen wild bist du«, tröstete die gute Schmanzbäuerin. »Sieh nur, Mutter Minna ist ja jetzt auch nicht mehr böse, seit sie weiß, dass du sie nicht kränken wolltest.«

      »Ich bin sehr ärgerlich«, sagte die alte Frau. »Ein artiges Mädchen geht auch auf eine Puppe nicht so wild los. Außerdem bist du ein ganz dummes Ding, wenn du nicht einmal unterscheiden kannst, was ein Menschengesicht und was eine Papiermaske ist. Solch ein dummes Mädchen ist mir noch nicht vorgekommen!«

      Diese Worte stachen Pucki ins Herz. Sie hatte sich bis heute eingebildet, dass sie klüger sei als ihre Freundinnen. Nun sagte ihr die alte Frau, dass sie furchtbar dumm sei. Pucki musste zugeben, dass sie sich recht dumm benommen hatte.

      Der Besuch beim Schmanzbauern war ihr heute gründlich verleidet. Immer wieder schielte sie zu Tante Minna hinüber, die noch immer ein bitterböses Gesicht machte. Heute schmeckten ihr die schönen Backbirnen nicht einmal. Sie lauschte auf Roses Worte, die immer so freundliche Antworten auf alle Fragen gab.

      »Kommst du im nächsten Jahr wieder?« fragte die Schmanzbäuerin.

      »Ja, Tante Sandler hat mich wieder eingeladen. Oh, ich freue mich so sehr!«

      »Ich habe dir wieder ein Paket zusammengepackt, Rosel; das sollst du deiner Mutter und den Geschwistern mitnehmen: Butter, Wurst und Speck.«

      Roses Gesicht strahlte vor Glück. Jedes Mal, wenn sie von der Reise heimkehrte, gab es daheim ein Freudenfest. So gute Sachen, die Rose heimbrachte, sah man auf dem Tisch der Scheeleschen Familie sonst nie. Dort musste sehr gespart werden.

      Beim Heimkommen ins Forsthaus eilte Pucki sogleich zur Mutter. Bisher hatte sie ihre schlimmen Streiche verschwiegen, doch heute bedrückte es sie gar zu sehr. So berichtete sie, was sich beim Onkel Oberförster und was sich heute auf der Schmanz ereignet hatte.

      »Ach, Mutti, ich gehe so gern zum Onkel Gregor und zum Schmanzbauern, aber jetzt werde ich mich immer furchtbar schämen müssen, wenn ich sie besuche. Heute abend lege ich schon wieder eine schwarze Bohne ins Himmelskästchen. Ich will ganz gewiss keinen großen Mund mehr haben. – Wenn der große Claus zu Weihnachten kommt, wird das Kästchen ganz voll sein.«

      »Es wird noch viel Schlimmeres geschehen, mein Kind, wenn du auch weiterhin einen so großen Mund hast. Dann wird dich bald niemand mehr leiden können. Du wirst dann auch keine Freundinnen mehr haben, und die Schulkameradinnen werden sich von dir abwenden.«

      »Ich möchte doch aber recht viele Freundinnen haben, Mutti.«

      »Wenn du das willst, Pucki, musst du viel netter zu deinen Kameradinnen sein. Du musst dir nicht einbilden, dass du alles am besten weißt und am klügsten bist.«

      »Ach, Mutti, ich bin dumm!«

      »Mit acht Jahren kann ein Kind auch noch nicht klug sein, es kann sich aber Mühe geben, lieb und nett zu sein. Pucki, Pucki, ich fürchte, dass du in einigen Jahren, wenn es so weitergeht, ohne jede Freundin sein wirst.«

      Da saß nun das kleine Mädchen in seinem Zimmer, das Poesiealbum auf den Knien, und las die vielen Verse, die darin standen. Alle sprachen von Liebe und Freundschaft. Besonders Roses Vers machte heute einen tiefen Eindruck auf Pucki. Rose hoffte, dass sie mit Pucki fürs ganze Leben Freundschaft halten werde.

      »Wenn ich weiter so hässlich bin, können mich alle nicht mehr leiden. – Ich ärgere alle, und ich will doch viele Freundinnen haben!«

      Sorgenvoll klappte sie das Album zu. Dann lief sie hinaus zum kleinen Rehkitzlein und streichelte es zärtlich.

      »Du hast mich doch lieb, Plüschli? Zu dir bin ich doch gut!«

      Das Rehlein leckte Pucki die Hände. Das hob die gedrückte Stimmung des Kindes. Es rief nach Peter, und auch der Kater kam herbei und sprang auf Puckis Nacken.

      »Du hast mich auch lieb, das weiß ich. – Unsere Freundschaft wird durchs ganze Leben hindurch dauern. – Und nun noch mein lieber Harras!« Auch nach dem Hunde rief sie. Harras knurrte den Peter an, der auf Puckis Nacken saß.

      »Sei gut, lieber Harras, ich will heute alle meine Freunde um mich haben. – Ach, es ist so schlimm, wenn man sich alle Freunde vergrault. – Bin ich wirklich ein böses Mädchen, Harras?«

      Der Hund sprang an Pucki empor und wedelte lebhaft mit dem Schwanz.

      »Nun komm, Harras«, sagte Pucki, »ich will dir zeigen, wie oft ich häßlich war.«

      Sie ging mit dem Hunde ins Kinderzimmer. Dort nahm sie das Himmelskästchen hervor und öffnete es. Harras neigte den Kopf darüber und beroch die schwarzen Bohnen.

      »Sieh