Magda Trott

Pucki


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schadet ihr gar nichts«, sagte Herr Gregor, »wenn wir sie mal ein wenig anführen, sonst wird der kleine Mund immer größer, und aus dem lieben, kleinen Ding wird ein garstiges Mädchen, das keiner mehr leiden mag.«

      Schon zwei Tage später wurden Pucki und Rose nach der Oberförsterei eingeladen. Die gesamte Familie war im Garten, als die beiden Mädchen ankamen.

      »Nun können wir gleich mit dem Kaffeetrinken und dem Waffelessen beginnen«, sagte der Oberförster. »Komm, Pucki, wir holen nur noch Tante Pimpinella herüber. Sie soll auch mitessen.«

      Pucki lachte herzlich. »Tante Pimpinella, ach, das ist drollig! Was ist denn das für eine Tante?«

      »Eine alte, liebe Dame, die am Stock geht. Du musst sehr nett zu ihr sein, musst sie auch ganz laut begrüßen, sie hört sehr schwer.«

      »So schwer wie der Holzhacker?«

      »Beinahe so schwer. Nun sei recht artig und zeige, dass du ein liebes Mädchen bist.«

      »Ja, Onkel Oberförster, das will ich sein.«

      An der Hand des Oberförsters betrat Pucki das Zimmer, in dem eine dicke Dame auf der Bank am Ofen saß. Sie hatte ein großes Tuch um die Schultern geschlagen und auf dem Kopf ein Spitzenhäubchen. In den Händen hielt sie einen Stock. Das Gesicht der alten Dame war freilich recht merkwürdig. Pucki stellte fest, dass Tante Pimpinella scheußlich aussah. Da sie aber dem Onkel Oberförster versprochen hatte, recht artig zu sein, trat sie vor die alte Dame hin, machte einen tiefen Knicks und sagte laut und deutlich:

      »Guten Tag, du liebe Tante!«

      Es erfolgte keine Antwort.

      »Guten Tag!« rief Pucki lauter. »Wir wollen jetzt Waffeln essen und kommen, um dich zu holen.«

      Die alte Dame rührte sich nicht.

      »Vielleicht hilfst du ihr ein bisschen beim Aufstehen, Pucki, ich fasse auch mit an.«

      »Sie ist doch so groß und dick«, flüsterte Pucki dem Onkel Oberförster zu, »sie wird mir zu schwer sein.«

      »Nimm sie nur vorsichtig am Arm.«

      »Willst du nicht ein bisschen aufstehen, liebe Tante? Komm, ich helfe dir!«

      Dann fasste Pucki nach dem Arm, der unter dem Tuch hervorschaute, und zog daran. Aus dem Ärmel fiel einekünstliche Hand, die geschickt aus Pappe nachgebildet war. Pucki schrie auf. Da brach der Oberförster in lautes Lachen aus.

      »Ein unnützes Mädchen hat einmal behauptet, es ließe sich nicht anführen.«

      »Onkel, was ist das?«

      Der Oberförster nahm die Maske von der Tante weg. Ein Sofakissen war dahinter.

      »Hier hast du die Tante Pimpinella. Wir wollten dir nur einmal beweisen, du kleines, vorlautes Mädchen, was du für einen großen Mund hast. Nun bist du gründlich 'reingefallen. – Hast du denn nicht gesehen, dass das nur eine ausgestopfte Figur ist?«

      Pucki senkte das Köpfchen: sie fühlte sich tief beschämt. Es war nur gut, dass keine ihrer Freundinnen zugegen war, sonst hätten sie sie furchtbar ausgelacht.

      »Weiß der große Claus von der Tante Pimpinella?« klang es leise.

      »Ja, der große Claus hat die Tante mit angezogen.«

      Puckis Gesicht wurde dunkelrot. Am liebsten wäre sie sogleich heimgelaufen und hätte sich vor allen Menschen versteckt. Aber der Oberförster nahm sie in seine Arme und sagte warm und herzlich:

      »Denke nur immer an den kleinen Scherz, mein liebes Mädchen, wenn du wieder mal einen gar so großen Mund hast. Es wird dir eine heilsame Lehre sein. Wir meinen es doch gut mit dir. – So, nun komm, der Kaffee wird längst fertig sein, die Waffeln erwarten dich.«

      Pucki war während des Kaffeetrinkens sehr still. Sie wagte kaum, den großen Claus anzusehen, obwohl er heute ganz besonders herzlich mit ihr sprach. Es war das erste Mal, dass Pucki bald nach dem Kaffeetrinken zum Heimgehen mahnte. Rose Scheele wunderte sich darüber, denn Pucki konnte sonst nicht lange genug in der Oberförsterei bleiben. Besorgt blickte sie auf die schweigsame Freundin.

      »Willst du vielleicht krank werden, Pucki?«

      »Nein!«

      »Wir dürfen aber doch noch ein bisschen bleiben.«

      »Ich möchte heim.«

      Man ließ Pucki ruhig gewähren. Keiner hielt sie zurück, denn alle wussten, dass diese kleine Lehre, die das Kind soeben bekommen hatte, ihren Eindruck nicht verfehlte.

      »Ich begleite euch ein Stückchen«, sagte der große Claus beim Abschiednehmen.

      »Wir finden allein den Weg«, flüsterte Pucki kleinlaut.

      »Nein, Pucki, ich bringe euch noch ein Stückchen.«

      Das Kind sprach auf dem Heimweg nur wenig. Nur als endlich das Forsthaus in Sicht kam, hob es die Augen und sah Claus an.

      »Es sind schon so viele schwarze Bohnen im Himmelskästchen«, sagte sie stockend, »ich werde heute noch eine dazulegen. – Ach, es ist sehr schlimm.«

      »Nein, Pucki, heute brauchst du keine schwarze Bohne dazuzulegen.«

      »Ich bin sehr traurig, großer Claus.«

      Am Abend wollte Rose durchaus wissen, was der Freundin fehlte, zumal Pucki ganz plötzlich bitterlich zu weinen begann. Als Rose teilnahmsvoll noch weiter in sie drang, trocknete Pucki die Tränen ab, machte ein finsteres Gesicht und sagte:

      »Den Onkel Oberförster werde ich auch mal ärgern.«

      »Pfui, Pucki, du wirst doch den guten Onkel nicht ärgern.«

      Das Kind schwieg, legte sich ins Bett und schlief bald ein. Doch im Traum erschien ihr noch einmal Tante Pimpinella und drohte ihr mit dem Stock. –

      Die Ferien neigten sich dem Ende zu. Auch Rose Scheele musste ans Abschiednehmen denken. Diesmal würde es nicht so schwer sein wie die beiden ersten Male, denn Rose wusste, dass sie im nächsten Jahre wiederkommen durfte.

      »Das ganze Jahr über werde ich mich darauf freuen, dass ich im nächsten Juli wiederkommen darf. Ich denke immerfort an euch und an den lieben Wald. – Wollen wir nicht noch einmal zum Schmanzbauern gehen? Wir werden ihm Blümchen pflücken und mitbringen, denn ich möchte auch diesen guten Leuten Lebewohl sagen.«

      Pucki stimmte begeistert zu. Sie ging gar zu gern hinüber zur Schmanz, in das hübsche Bauernhaus zu den alten Leuten, die für Pucki und Rose immer eine besondere Leckerei hatten. Die getrockneten Birnen schmeckten daheim lange nicht so gut wie beim Schmanzbauern, und Pucki bekam immer ein ganzes Säckchen davon. – Oh, es war doch zu schön beim Schmanzbauern, in dessen Stube oben an der Decke ein Schiff hing, das in eine Flasche gehext worden war. Und außerdem waren noch allerlei seltsame Tiere da, die der Sohn des Schmanzbauern, der schon oft um die ganze Erde gefahren war, mit heimgebracht hatte. Das alles erregte immer wieder die Aufmerksamkeit der Kinder.

      Nun wanderten die beiden Hand in Hand durch den Wald. Förster Sandler hatte die beiden Mädchen ein großes Stück Weges begleitet.

      »Recht artig und bescheiden sein, Pucki!«

      Sie nickte. Unterwegs pflückten die Kinder allerlei Blumen. Dann kam das Bauernhaus in Sicht, und nun ging es im schnellen Lauf darauf zu.

      Der Schmanzbauer war im Begriff, das Haus zu verlassen.

      »Ich muss aufs Feld. Wenn ihr morgen gekommen wäret, hättet ihr beim Mähen zusehen können. Nun geht mal hinein ins Haus, dort findet ihr eine besondere Überraschung. Es ist Besuch da.«

      »Dein großer Junge?« fragte Pucki.

      »Nein, eine alte, gute Tante.«

      Pucki warf einen misstrauischen Blick auf den Schmanzbauern. Von einer lieben, alten Tante hatte auch