Magda Trott

Pucki


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fliegen fort, wenn ich schieße.«

      »Das machen sie ganz recht«, sagte Pucki. »Wenn einer mit einem Schießgewehr kommt, wissen sie schon, dass er ihnen was tun will.«

      »Und nun übt einmal eure kleinen Zungen«, sagte Fräulein Caspari, »versucht einmal recht schnell den folgenden Satz zehnmal nacheinander zu sagen: Zwischen zwei Zwetschgenbäumen zwitschern zwei Schwalben.«

      Da ging ein Gezwitscher los, dass den Erwachsenen die Ohren dröhnten. Sie beteiligten sich schließlich auch alle an der Aufgabe, die nicht recht glücken wollte.

      »Nun sage du es mal, großer Claus.«

      Der begann sofort: »Zwischen zwei Zwetschgenbäumen zwitschern zwei Schwalben. – Zwischen zwei Zwetschgenbäumen schwitzen zwei Schwalben – –«

      »Hahaha«, lachte Pucki, »das ist ja falsch, großer Claus.«

      »So sage du es doch richtig.«

      Doch Pucki versprach sich schon bei den ersten Worten.

      »Versucht es erst einmal mit einem leichteren Satz«, meinte Fräulein Caspari. – »Hört zu: Ulm ist eine große Stadt in Süddeutschland. Nun sagt einmal: In Ulm, um Ulm und um Ulm herum.«

      Abermals wurde unter Gelächter der Satz vollkommen verdreht. Noch lange versuchte die Kinderschar die Sätze nachzusprechen, es gelang aber nicht. Da eilte Pucki zu Herrn Hupfer.

      »Ich bin satt. – Geht es nicht bald weiter?«

      »Jawohl, mein Kind, nun kommt bald das Klettern an der hohen Stange.«

      »Na endlich!«

      Wieder ging es hinaus zum Sportplatz. Die Reihenfolge der Kletterer wurde durch das Los entschieden. Pucki hatte die Nummer vier gezogen. Der erste Knabe kam fast bis an die Spitze der Stange, dann rutschte er ab. Thusnelda konnte es gar nicht. Ihr folgte Fritz Niepel, der glücklich die Spitze erklomm, oben eine Tafel Schokolade abriß und unter dem Beifall der Zuschauer wieder herunterrutschte. Pucki, die schon an der Stange stand, wurde von Fritz kräftig getreten, doch das hemmte ihren Eifer nicht. Nun klomm das kleine Mädchen mit unglaublicher Gewandtheit an der glatten Stange empor und erreichte den Kranz mit den Süßigkeiten. Man klatschte lebhaft Beifall. Pucki riß ein Säckchen nach dem andern ab und warf es hinab.

      »Genug, Pucki«, rief Herr Hupfer, »nur ein Stück, andere wollen auch etwas haben.«

      Aber Pucki hörte nicht. Unentwegt plünderte sie den Ring, bis nicht ein Stück mehr an dem Kranz hing. Zwei Knaben begannen zu schimpfen, eines der Mädchen weinte, und Paul lief zur Stange und nahm zwei der heruntergeworfenen Beutelchen an sich.

      »Halt«, gebot ihm Herr Hupfer. »Pucki bekommt einen Beutel, die anderen bleiben als Preise für die Sieger liegen. Ihr werdet der Reihe nach versuchen, an der Stange hinaufzuklettern. Wem es gelingt, mit einer Hand den Kranz zu berühren, der bekommt eines der Säckchen.«

      Dann sammelte er die Beutelchen auf.

      Pucki kam blitzschnell heruntergerutscht. »Gib nur her«, meinte sie, »ich habe sie abgerissen.«

      »Nein, Pucki«, sagte der Hauslehrer, »ich habe vor Beginn gesagt, dass jeder nur ein Säckchen abreißen darf.«

      »Ich bin so rasch 'raufgeklettert, wie es die anderen nicht können.«

      »Das ist einerlei, du bekommst nicht mehr.«

      Da ging Pucki schmollend zur Seite.

      »Das hast du aber gut gemacht, Pucki«, rief der Oberförster, »ich habe noch nie ein Mädchen so gut klettern sehen wie dich.«

      »Und ich hab' doch nur ein Säckchen bekommen.«

      »Dann suche mal in meinen Taschen, kleines Mädchen.«

      Sofort fuhren Puckis Hände in eine der Taschen, aus der eine Tafel Schokolade zum Vorschein kam.

      »Du bist viel netter, Onkel Oberförster, als der Hauslehrer.«

      Die Kletterei an der Stange war beendet. Nur wenigen Kindern war es gelungen, den Kranz zu erreichen. Nun begann das Reiten für die Kinder, die sich am Klettern nicht beteiligt hatten. Zwei Ponys wurden auf den Sportplatz geführt, und dann kam noch etwas Seltsames. Alle Kinder machten lange Hälse. Herr Hupfer führte an einem Strick ein Dromedar.

      Das Tier sah wirklich reizend aus! Herr Hupfer hatte dazu vier Kinder genommen, ein größeres und drei kleinere. Das größte der Kinder wurde vornean gestellt, das zweite und dritte Kind gingen hinter dem ersten her und hielten sich mit den Händen am Vordermanne fest. Das vierte Kind musste den Kopf senken, die Hände auf dem Rücken zusammenlegen und damit einen Federbesen festhalten, der den Schwanz vorstellte. Allen Kindern waren graubraune Strümpfe angezogen worden. Dann wurde die kleine Gruppe mit einer großen, hellbraunen Decke überdeckt. Die Köpfe des zweiten und dritten Kindes bildeten die Höcker, die noch ein wenig ausgepolstert worden waren. Der Kopf des Dromedars war von Herrn Hupfer selbst angefertigt worden. Er war mit Heu ausgestopft, und Augen und Maul waren aufgemalt. Dann wurde das Tier angeschirrt, und nun kam das Ungetüm langsam auf den Sportplatz. Die Kleinen fürchteten sich anfangs, doch die größeren Kinder begannen sogleich das Ungetüm zu necken. Sie ließen aber davon ab, als Hupfer warnend mit dem Finger drohte.

      »Ich staune über meine Kinder«, sagte Frau Niepel.

      »Dieses Sportfest wird noch lange in angenehmster Erinnerung bleiben.«

      Auf den Ponys begann ein lustiges Reiten; dann wurden die Tiere wieder fortgeführt. Noch einmal gab es Darbietungen an den Turngeräten, dann klingelte Herr Hupfer wieder und sagte, es würde nun eine kleine Pause eintreten, weil Paul, Walter und Fritz einige Zeit zur Vorbereitung ihrer Überraschung haben müssten. Inzwischen sollten sich die Kinder an der Schieß- und Würfelbude belustigen.

      Auch hier ging alles ruhig ab. An der Würfelbude stand Fräulein Caspari und händigte den Gewinnerinnen kleine Geschenke aus. Pucki stand nur an der Schießbude. Sie wollte dem großen Claus durchaus helfen, die Gewehre zu laden, doch er erlaubte es nicht.

      »Ich bin doch ein Försterskind«, meinte sie.

      »Schießgewehre dürfen Mädchen unter sechzehn Jahren nicht in die Hand nehmen.«

      »Ich möchte aber auch einmal schießen.«

      Sie versuchte es, traf jedoch nicht einmal die Scheibe, weil sie zum Sportplatz hinüberschielte, auf dem merkwürdige Vorbereitungen getroffen wurden. Zwei Knechte des Gutes ließen in den Erdboden vier lange Stäbe ein. Das abgesteckte Quadrat wurde daraufhin mit Seilen verbunden. Über das Gesicht des Hauslehrers huschte ein Lächeln. Die Vorbereitungen ließen darauf schließen, dass die Knaben einen Boxkampf planten. Vom Boxen hatten die drei keine Ahnung, denn Herr Hupfer war der Ansicht, dass zehnjährige Knaben dafür noch nicht reif wären. Woher sie überhaupt die Idee hatten, war ihm unklar. Jedenfalls würde es ein recht eigenartiger Kampf werden. Hoffentlich gab es nicht zu viele blaue Flecken.

      Nach kurzer Zeit erschien das Hausmädchen und bat Herrn Hupfer, er möge auf das Grammophon eine Marschplatte legen und klingeln.

      Die Zuschauer nahmen wieder auf den Bänken Platz und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Der Marsch begann. Da kamen im Gänsemarsch die Drillinge angeschritten. Voran Fritz, der kleinste. Er war nur mit Turnhose und Sandalen bekleidet. Ihm folgte Walter. Herr Hupfer verbiss sich das Lachen. Auch Walter und Paul hatten nur die Turnhose angelegt, aber die Hände steckten in Männersocken, die dick mit Stroh ausgestopft waren. Die Strohwülste waren um die Handgelenke mit Bändern festgebunden. Auch die Knie waren geschützt. Breite Stoffstreifen waren mehrmals darumgewickelt, die oberhalb und unterhalb des Knies mit Bindfaden befestigt waren.

      In dieser sonderbaren Aufmachung schritten die drei Knaben, stolz erhobenen Hauptes, nach den Klängen des Grammophons um den abgesteckten Kampfplatz zweimal herum. Dann krochen sie unter den Seilen in das Innere des Kampfplatzes.

      Während sich Walter und Paul gegenüberstellten und die Arme verschränkten,