Magda Trott

Pucki


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sind immer weniger schwarze Bohnen in das Kästchen gekommen, und jetzt geschieht es nur noch selten, dass die Mutter eine Bohne hineintun muss. – Nun hat die Mutter gesagt, dass sie für jede gute Tat eine weiße Bohne in das Kästchen legen will. Die kleine Grete kommt oft zu mir und zeigt mir, wieviel weiße Bohnen in dem Kästchen liegen. Das freut mich natürlich, darum nenne ich das Kästchen ein Wunderkästchen, weil aus der bösen Gretel ein gutes Gretel wurde.«

      »Hast du die Gretel nun sehr lieb, weil sie so gut ist?«

      »Ja, Pucki, liebe Kinder habe ich immer gern.«

      »Hast du sie noch lieber als mich?«

      »Wie wäre es, Pucki, wenn du auch jedes Mal eine schwarze Bohne in das Kästchen legen wolltest, sobald du einen schlimmen Streich machst?«

      »Guckst du dann nach, wie viele schwarze Bohnen in dem Kasten sind?«

      »Jawohl. – Wenn ich zu Weihnachten wieder auf Ferien komme, sehe ich nach.«

      »Wenn nun aber die schwarzen Bohnen alle gar nicht in den Kasten gehen?«

      »Oho, solch unartiges Mädchen wirst du doch nicht sein, dass du bis Weihnachten hundert schlimme Streiche ausführen wirst.«

      Rose Scheele, die bisher schweigend dabeigesessen hatte, sagte plötzlich: »Das ist kein Wunderkästchen, das ist ein Himmelskästchen.«

      Claus und Pucki blickten Rose fragend an.

      »Das ist wie beim lieben Gott«, fuhr sie fort. »Der hat viele große Schalen, für jeden Menschen eine. In diese Schale wirft er jedes Mal, wenn ein Mensch was Schlimmes tut, eine schwarze Kugel. Wenn der Mensch dann wieder was Gutes tut, wirft er eine weiße Kugel dazu. Das macht er so lange, bis der Mensch tot ist. Wenn der Mensch dann an die Himmelstür kommt und fragt, holt der liebe Gott sich viele kleine Englein herbei und sagt: ›Nun rasch, zählt mal die Kugeln!‹ Sind dann mehr schwarze Kugeln als weiße, dann schlägt der liebe Gott die Himmelstür zu und sagt: ›Hübsch draußen bleiben, lieber Mann.‹ Sind aber mehr weiße Kugeln, dann darf er in den Himmel kommen.«

      »Darf er auch hinein, wenn nur eine weiße Kugel mehr drin ist als schwarze?« fragte Pucki gespannt.

      »Ja«, sagte Rose. »Dann muss er aber ganz vorne bleiben und darf nicht in den schönen Himmel, in dem die Englein umherfliegen.«

      Nachdenklich blickte Pucki auf das Kästchen. »Vielleicht ist es gut so. – Man weiß dann, wie oft man böse gewesen ist. Ich werde auch immer schwarze Bohnen in das Kästchen tun, und dann nehme ich noch ein anderes Kästchen, in das lege ich die weißen Bohnen. Wenn du dann wiederkommst, großer Claus, zählen wir. Wenn zu viele schwarze Bohnen in meinem Himmelskästchen sind, will ich schnell recht viel Gutes tun.«

      »Ich hoffe, dass du recht oft an das Kästchen denkst, wenn du einen schlimmen Streich ausführen willst.«

      Das kleine Mädchen seufzte. »Ach, wenn ich immer artig sein soll, macht das keinen Spaß. Manchmal merkt man ja, dass man unartig war. Das ist eben der Puck, der in mir sitzt, und dafür kann ich nicht.«

      »Nun, ich denke, du wirst dich recht oft an das Himmelskästchen erinnern.«

      »Ja, großer Claus, aber die Gretel darf nicht so viele weiße Bohnen haben, das mag ich nicht leiden. Die Gretel wird auch ungezogen sein, du weißt es nur nicht.«

      Minna gab bereitwillig weiße und schwarze Bohnen heraus. Es war nur fraglich, ob Pucki die schlechten und guten Taten selbst erkennen würde. Schon am Abend kam die erste schwarze Bohne in das Kästchen. Waltraut hatte sich einige Puppenstubenmöbel zum Spielen geholt. Als Pucki das sah, nahm sie sie ihr fort und zerbrach absichtlich einen kleinen Stuhl.

      »Du«, sagte Rose ernst, »das war aber hässlich von dir.«

      »Ach ja«, seufzte Pucki gedrückt, nahm schweren Herzens aus dem Säckchen eine schwarze Bohne und legte sie mit traurigem Gesicht in das Himmelskästchen.

      6. Kapitel: Geheimnisvolle Vorbereitungen

      In der kleinen Stadt Rahnsburg und in der Försterei Birkenhain herrschte seit Tagen große Erregung. Etwas ganz Neues sollte den Kindern geboten werden: Ein Sportfest, das der Hauslehrer auf dem Niepelschen Gute, Herr Hupfer, noch während der großen Ferien veranstalten wollte.

      Herr Hupfer hatte sich mit Fräulein Caspari in Verbindung gesetzt und sie gefragt, ob es nicht möglich wäre, dass bei diesem Sportfest draußen bei Niepels acht Mädchen aus Puckis Klasse einen Volkstanz aufführten. Dieser Vorschlag wurde begeistert aufgenommen. Die Lehrerin erbot sich, einen hübschen Reigentanz einzuüben. Es wollten nur wenige von Puckis Klassenkameradinnen verreisen, und alle anderen sollten zu dem Sportfest geladen werden und sich nach Möglichkeit daran beteiligen.

      »Ich plane einen Wettlauf, Preisringen, scherzhaftes Wettreiten, Hindernislaufen und andere Wettspiele mehr. Dazu sollen die Knaben und Mädchen zeigen, was sie im Turnen leisten können. Herr Niepel lässt auf einer der Koppeln die verschiedensten Turngeräte aufstellen.«

      Fräulein Caspari wählte acht Mädchen ihrer Klasse aus. Pucki war nicht darunter. Sie war zu derartigen Dingen nicht zu gebrauchen. Herr Hupfer bedauerte das; er meinte jedoch, er werde sich mit Pucki und Rose Scheele persönlich in Verbindung setzen. Vielleicht könnten die beiden Mädchen ganz aus sich selbst heraus etwas zur Verschönerung des Festes beitragen.

      Die Vorbereitungen, die auf dem Niepelschen Gute getroffen wurden, erregten natürlich allgemeine Aufmerksamkeit. Noch nie waren so viele Rahnsburger Kinder hinaus nach dem Gute gepilgert wie während dieser Ferien. Besonders die Turngeräte, die der Gutsbesitzer aufstellen ließ, erregten das helle Entzücken der Knaben. Die Leute, die mit diesen Arbeiten beschäftigt waren, mussten viele neugierige Kinder fortjagen.

      Vor allem waren es die Niepelschen Drillinge, die Herrn Hupfer dauernd mit ihren Fragen quälten.

      »In Ihrem dicken Sportbuch stehen noch viel mehr Sportsachen: Jagdsport, Schwimmsport, Boxen, Radfahren. Wir müssen noch viel mehr machen, Herr Hupfer.«

      »Sorgt nur dafür, dass ihr im Turnen und im Laufen etwas Gutes leistet«, meinte er.

      »Speerwerfen und Kugelstoßen muss noch sein«, sagte Walter.

      »Es wird wie die Olympischen Spiele«, meinte Paul. »Ich habe in Rahnsburg erzählt, dass wir Olympische Spiele machen, nur wird es noch großartiger. Ich reite wie ein Indianer auf ungesatteltem Pferde.«

      »Nicht immer einen solch großen Mund, mein Junge«, mahnte Herr Hupfer. »Ich hoffe, dass ihr euch manierlich betragt. Jeder, der auf dem Sportfest Dummheiten macht, wird ausgeschlossen.«

      »Da wird wohl bald keiner übrig sein«, maulte Walter.

      »Ich habe nichts dagegen, wenn ihr euch noch ganz heimlich etwas ausdenkt und einübt und uns damit beim Sportfest überrascht. Es darf aber keine Dummheit sein, es muss in den Rahmen der Veranstaltung passen.«

      »Geben Sie uns Ihr dickes Buch?«

      »Das tue ich gern, doch legt es dann wieder an seinen Platz.«

      Von nun an konnte der Hauslehrer mehrfach sehen, wie die drei Knaben voller Eifer das Buch durchblätterten und dabei flüsterten.

      Pucki hatte natürlich auch keine Ruhe mehr, seit Herr Hupfer persönlich im Forsthause gewesen war und angefragt hatte, ob sie und Rose auch etwas zur Belustigung der Teilnehmer beitragen wollten.

      »Ich klettere an der langen Stange hoch und hole die Schokolade herunter. Ich kann fein klettern! «

      »Die lange Kletterstange ist nur für die Knaben.«

      »Ich bin wie ein Knabe, sagt Fräulein Caspari immer. Ich ziehe mir den Turnanzug an, dann geht es los!«

      »Vielleicht findest du noch etwas Besseres«, meinte Herr Hupfer, »du hast doch immer so hübsche Gedanken, und Rose kann dir manchen guten Rat geben.«

      Schon am andern Tage erschien Pucki auf