Magda Trott

Pucki


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ins Wohnzimmer hörte man Puckis kreischende Frage: »Willst du, dass wir noch einmal Musik machen?«

      Und wieder brach der Höllenlärm los. »Immer doller«, schrie Pucki, »damit er recht gut hört!«

      Plötzlich flog die Kugel des Fleischklopfers vom Stiel. Da griff auch Paul zu einem Stück Holz, um damit die Milchkanne weiter zu bearbeiten.

      »Ich kann nicht mehr«, sagte Pucki schließlich und atmete tief. Die Trompete flog auf die Erde, und nun schlug auch sie mit den Fäusten auf die Milchkanne ein.

      »Jetzt machen wir, wie wenn's regnet, und es geht immer: Tropf, tropf! Das soll er auch noch mal hören.«

      Bum – bum – bum fielen die Schläge auf die Milchkanne, und wieder schrie Paul dem alten Haegler die Frage ins Ohr:

      »Hörst du, wie's regnet?«

      Der alte Haegler hatte die Arbeit unterbrochen und schaute auf die sich wie wild gebärdenden Kinder. Und weil es gar so drollig aussah, wie sich alle aus Leibeskräften anstrengten, lachte auch er.

      »Jetzt hab' ich genug Glück«, sagte Pucki endlich und hielt im Schlagen inne. »Ach, das war fein!«

      Walter kam mit der großen Klingel und schüttelte sie dicht am Ohr des tauben Mannes. Der fuhr entsetzt zurück.

      »Er hört es«, jubelte Pucki erneut, hüpfte von einem Bein auf das andere, hielt dann aber erschrocken inne und schaute zu Boden. Die schöne Trompete, auf der sie eben geblasen hatte, war zerbrochen. »Aus ist's«, klang es traurig. »Kaputt! – Ach, dass die schönen Sachen immer gleich kaputt gehen müssen!«

      Greif, der Jagdhund, hatte das Konzert mit wütendem Gebell unterstützt, und als jetzt Oberförster Gregor in den Hof trat, eilte Pucki auf den Hund zu, umarmte ihn stürmisch und schrie in heller Begeisterung: »Hast du auch unsere Musik gehört? – Nächstens kommen wir wieder!«

      »Nun kommt mal ins Haus, ihr kleinen Musikanten, trinkt einen Schluck Limonade und eßt ein Stück Kuchen. Ihr habt eure Sache sehr schön gemacht, nur dürft ihr die Milchkanne nicht zerschlagen. Solch eine Kanne kostet viel Geld.«

      »Ach was, mein Vater hat tausend«, meinte Paul.

      »Tausend hat er nicht, du Aufschneider, außerdem darf man fremde Sachen nicht mutwillig zerschlagen.«

      Als die Kinder dann den Kuchen erhielten, stieß Pucki den großen Claus an. »Halte mir mal noch ein Stück hin.«

      Der große Claus legte dem Kinde drei große Kuchenstücke auf den Teller. Hedi sprang sogleich auf und lief hinaus. Im Hof legte sie dem alten Haegler zwei große Stücke auf den Holzklotz.

      »Soll ich sie haben, du liebes Kind?« fragte er freundlich.

      »Ja«, schrie Pucki aus Leibeskräften. Dann lief sie zurück ins Haus.

      Der Niepelsche Kutscher mahnte schließlich zur Heimfahrt. Die Kinder sagten auf Wiedersehen und kletterten auf den Wagen.

      »Na«, meinte der alte, langjährige Kutscher, »wollt ihr denn nicht eure Instrumente mitnehmen? Sollen die hierbleiben?«

      »Ach«, meinte Walter, »die Trompete ist kaputt, die Trommel auch, das kann hierbleiben.«

      »Ihr liederliches Volk«, schalt Oberförster Gregor, »hier bleibt nichts liegen. Alles, was ihr hergebracht habt, nehmt ihr hübsch wieder mit!«

      Nun ging es ans Suchen. Der Stiel der Holzkeule war nicht zu finden; wahrscheinlich war er unter das zerkleinerte Holz geraten. Ebenso fehlte der Trichter. Die Knarre fand man zertreten vor. Von der Trommel waren nur noch Stücke vorhanden.

      Schließlich mussten Claus und Eberhard nach dem Trichter und dem Stiel suchen.

      »Ladet alles ordentlich auf«, sagte der Oberförster. Er duldete es nicht, dass seine Söhne bei dieser Arbeit halfen.

      Die drei Knaben mussten die zerbeulte Milchkanne allein auf den Wagen heben.

      »Ich glaube«, sagte Fritz ein wenig kleinlaut, »der Vater wird bei uns auch den Trommler machen. Wir werden wohl was abkriegen.«

      »Und Minna wird auch schelten«, meinte Pucki sorgenvoll. »Zu schlimm, dass immer auf eine große Freude großer Kummer folgt.«

      Der Kummer folgte auch wirklich. Die Niepelschen Knaben erhielten eine Stunde Stubenarrest, und Pucki wurde von Minna gehörig ausgescholten. Aus der Sparbüchse wurden ihr fünfzig Pfennige genommen, und davon kaufte Minna einen neuen Stiel für den Fleischklopfer.

      4. Kapitel: Ich glaube es nicht

      Pucki stand im Schulhof neben ihrer Klassenkameradin Thusnelda Reichert und biss, wie immer, an den Fingernägeln.

      »Du sollst nicht beißen«, mahnte Thusnelda, »dir tun die Finger doch schon weh. Eines Tages wirst du krank.«

      »Ach nein«, lachte Pucki, »von so 'nem bisschen Nagel werde ich nicht krank.«

      »Aber die Finger werden schlimm.«

      »Ach nein, die werden nicht schlimm, da müssten schon längst alle zehn Finger schlimm geworden sein, und sie werden nicht schlimm. Ich glaub' das nicht.«

      »Es wird schon noch kommen«, beharrte Thusnelda.

      Pucki biss unentwegt weiter. Ihr Gesicht nahm einen immer nachdenklicheren Ausdruck an. »Glaubst du, was sie uns gesagt hat?«

      »Wer?«

      »Fräulein Caspari.«

      »Von der schlimmen Tat?«

      »Ja. – Ich glaube es nicht! Ich habe schon manche schlimme Tat gemacht, und es ist nicht gleich die Strafe gekommen. Die Niepeljungen machen auch viel Schlimmes; manchmal bekommen sie Prügel, manchmal werden sie eingesperrt, manchmal merkt es keiner. Es stimmt also nicht!«

      »Es wird schon stimmen, Pucki.«

      »Ich glaube es eben nicht.«

      In der letzten Unterrichtsstunde war den Kindern von der Lehrerin gesagt worden, dass jede schlimme Tat bestraft würde. Wenn auch die Eltern mitunter das Unrecht nicht merkten, so käme die Strafe doch von anderer Seite.

      Pucki überlegte auf dem Heimwege alle die törichten Streiche, die sie in letzter Zeit begangen hatte. Da war vieles, was bisher noch ungestraft geblieben war. Von nun an wollte sie genau aufpassen, ob Fräulein Caspari recht behielt.

      Bei der Ankunft im Forsthause hob Pucki die Nase hoch. Es duftete ganz wunderbar.

      »Waffeln!« jauchzte sie. »Mutti bäckt Waffeln!«

      Sofort war sie in der Küche und stellte fest, dass sie sich nicht getäuscht hatte. Auf einem Glasteller lag bereits eine ansehnliche Menge knuspriger Waffeln. Die Mutter stand am Herd und buk lustig drauflos.

      »Schenkst du mir eine?«

      »Nein, Pucki, es gibt in wenigen Minuten Mittagessen. Erst zum Nachmittagskaffee wirst du Waffeln bekommen. Lauf rasch einmal zu Agnes und sieh nach, ob alles in Ordnung ist.«

      Pucki warf noch einen begehrlichen Blick auf den Teller mit den geliebten Waffeln, dann verließ sie die Küche. Im Kinderzimmer war Waldi und spielte mit der Puppe. Die kleine Agnes lag im Wagen.

      »Hier ist doch alles in Ordnung«, sagte Pucki unwillig, »was soll ich hier?«

      In demselben Augenblick begann Agnes zu weinen. »Sei still!« rief Pucki. »Warum schreist du denn, ich bin doch hier!« Als die Kleine nicht mit Weinen aufhörte, versetzte ihr Pucki ein paar Schläge auf die Händchen. Die Schläge waren nicht derb gewesen, trotzdem begann Agnes noch heftiger zu schreien.

      Als Frau Sandler herbeigeeilt kam, zog Pucki sich beschämt in die Zimmerecke zurück. Sie stellte fest, dass ihr Betragen dem kleinen Schwesterchen gegenüber nicht nett gewesen war. Wenn Fräulein Caspari recht hätte, würde auf diese böse Tat von irgendwoher eine Strafe kommen. Da aber