du nun erst im Sommer.«
Pucki fragte mehrmals, was er ihr denn hätte schenken wollen, aber Claus schwieg beharrlich.
»Ach, ich weiß«, sagte sie schließlich, »du schenkst mir ein Schaukelpferd oder ein Tagebuch oder eine Puppe, die sprechen kann, wenn man sie auf den Bauch drückt oder – – einen kleinen Wagen, auf den ich Holz laden kann – – oder eine große Trompete, wie sie der Paul Niepel hat. Ach, großer Claus, schenke mir doch noch eine Trommel dazu, die macht so schön Radau, und dann noch ein Kätzchen mit einem weißen Fell. Wenn du willst, kannst du mir auch noch einen kleinen Möbelwagen schenken, wie er beim Kaufmann Puche in Rahnsburg steht.«
»Bescheiden bist du gerade nicht, Pucki. Ein kleines Mädchen darf sich nicht so viel auf einmal wünschen.«
Das Kind hielt sich mit beiden Händen den Mund zu. »Jetzt rutscht auch kein Wunsch mehr 'raus, großer Claus, und wenn mir später noch was einfällt, sage ich es dir ganz leise.« –
Voller Ungeduld erwartete das Försterkind den Mittwoch, an dem es mit der Mutter und Waltraut nach der Oberförsterei gehen sollte. Pucki wollte das kleine Reh, Harras und den geliebten Kater Peter mitnehmen, aber der Vater erlaubte es nicht.
»Du hast in der Oberförsterei den Greif, mit dem du spielen kannst.«
»Und den großen Claus. Der ist mir noch viel lieber als das Kätzchen, Mutti. Der Claus schenkt mir ein Poesiealbum, dann schreibt er gleich einen Vers von der Freundschaft hinein.«
»Pucki, du darfst nicht so aufdringlich sein. Du bist ein achtjähriges Mädchen, und der Claus ist schon ein junger Herr, der anderes im Kopf hat, als mit so kleinen Mädchen zu spielen. Du darfst auch nicht immer Wünsche äußern. Eines Tages wird Claus ärgerlich sein, dann kommt er nicht mehr ins Forsthaus.«
Pucki kniff die Augen zusammen und lachte hellauf. »Hast du 'ne Ahnung, Mutti! Der Claus ist doch mein bester Freund, er freut sich fürchterlich, wenn er nach der Försterei kommt. Wirklich, Mutti, ich weiß das!« –
Kaum hatten die Gäste die Oberförsterei betreten, als Pucki auf Claus Gregor zustürmte und lebhaft rief:
»Du kommst doch gerne zu mir, nicht? Mutti meint, du wirst böse, wenn so ein kleines Mädchen wie ich mit dir spielen will?«
Claus Gregor hob das Kind empor, schwenkte es durch die Luft und sagte lachend: »Nein, kleine, liebe Pucki, der große Claus wird nie böse, er hat dich herzlich lieb.«
Hedi drehte sich zur Mutter um: »Hast du es nun gehört?«
Sehr bald fragte sie nach dem Poesiealbum. Mit hellem Entzücken betrachtete sie das kleine blaue Buch, das ihr Claus reichte. Auf dem Deckel stand, genau wie bei dem Buch der Mutti, das Wort »Poesie-Album«.
Pucki drückte das Buch ans Herz und sprang damit wie unsinnig vor Freude im Zimmer umher. Dabei rief sie laut: »Nun habe ich auch ein Buch von der Freundschaft!«
»Waltraut will auch so ein Buch haben«, klang es.
»Pah«, sagte Pucki ein wenig verächtlich, »du Dummsack bist noch viel zu klein, um zu wissen, was Freundschaft ist.«
Dann schlug sie das Buch auf und las:
»Willst du glücklich sein im Leben,
Trage bei zu anderer Glück,
Denn die Freude, die wir geben,
Kehrt ins eigene Herz zurück.
Seiner kleinen Freundin in herzlicher Liebe
der große Claus.«
Pucki las den Vers andächtig zweimal durch. »Das ist gewiss sehr was Schönes, großer Claus, was du mir da 'reingeschrieben hast. Das ist so was Ähnliches, wie ich mal auf einem Wandbrett gelesen habe: Beglücke du, dann wirst du glücklich sein!«
»Ja, Pucki, das ist ganz dasselbe. Da ich weiß, wie gerne du immer bereit bist, anderen etwas Liebes zu erweisen, habe ich für dich diesen Vers ausgesucht. Den sollst du während deines späteren Lebens beherzigen und immer daran denken, dass man nur dann recht glücklich sein kann, wenn man andere Menschen glücklich macht. Wenn wir sehen, dass wir andere froh machen, ist unser Herz – –«
»Ich weiß, ich weiß«, schrie Pucki begeistert, »als die vielen Kinder bei uns Waffeln gegessen haben, war ich auch froh. Und als die Rose Scheele bei uns war und – und – als ich der Schmanzgroßmutter endlich eine Geschichte vorlesen konnte – –« Pucki neigte sich wieder über das Poesiealbum und las noch einmal:
»Denn die Freude, die wir geben,
Kehrt ins eigene Herz zurück.
Ja, großer Claus, jetzt weiß ich, wie das ist. Und ich werde auch überall Freude geben, weil du es hier hineingeschrieben hast.«
»Nicht deswegen, Pucki, das muss man ganz aus sich selbst heraus tun.«
Pucki nickte: »Ja, großer Claus.« Dann fragte sie: »Hat der Eberhard auch etwas eingeschrieben?«
Sie schlug die Seite um und las:
»Unsere Freundschaft, die soll brennen
Wie ein dickes Dreierlicht,
Freunde wollen wir uns nennen,
Bis der Greif französisch spricht!
Dies schrieb Dir zur Erinnerung Dein Dich herzlich
liebender Eberhard Gregor.«
Pucki lachte hellauf. »Hahaha, der Greif soll französisch sprechen? Er ist zwar ein hübscher Hund, aber – – so ein Quatsch! Greif, komm mal rasch her!«
Schweifwedelnd umsprang der Jagdhund das kleine Mädchen. Pucki nahm ihn bei den Ohren: »Kannst du Französisch?«
»Wau, wau, wau«, bellte der Hund.
»Wau, wau, wau, hat er gesagt, das ist doch kein Französisch. Aber nun kommt, ich möchte gern zu eurem schönen Auto gehen.«
Der Rundgang durch den großen Hof und die vielen Ställe begann. Jedem Tier erwies Pucki eine Liebkosung. Ganz plötzlich blieb sie stehen. In einer Ecke des Hofes saß ein alter Mann auf einem Klotz und spaltete Holz. Er schien weder Claus noch das kleine Mädchen zu beachten.
Hedi schaute ihm längere Zeit aufmerksam zu, denn es sah gar zu lustig aus, wenn das Holz in kleinen Stücken nach rechts und links flog. Daheim kamen auch mitunter zwei Männer, die die großen Holzstücke zersägten und zerschlugen, doch bei dem alten Manne ging es viel schneller.
»Weidmannsheil, lieber Mann!« rief Pucki.
Der Alte hackte wortlos weiter. Pucki trat noch einige Schritte näher heran.
»Weidmannsheil!« klang es noch einmal erheblich lauter.
Der Alte hob nicht einmal den Kopf, er ließ sich in der Arbeit gar nicht stören. Da stellte sich Pucki dicht vor ihn hin und sagte mit ganz lauter Stimme:
»Weidmannsheil, alter Mann!«
Nun erst hielt der Mann im Arbeiten inne. Er nickte dem kleinen Mädchen freundlich zu, antwortete aber immer noch nicht.
»Weidmannsheil!« rief da Pucki zum vierten Male.
Der Mann begann schon wieder mit dem Holzhacken. Da lief Pucki zu Claus zurück, der etwas abseits stehen geblieben war, und sagte unwillig: »Den alten Mann kann ich gar nicht leiden, der sagt ja nichts!«
»Das ist ein sehr lieber alter Mann, Pucki, er kommt schon seit vielen Jahren in die Oberförsterei und zerkleinert das Holz. Es ist der gute Vater Haegler. Leider kann er nicht hören.«
»Warum hört er denn nicht?«
»Weil er taub ist, kleines Mädchen. Das ist sehr traurig, und darum hat er deinen Gruß auch nicht beantwortet.«
Die blauen Kinderaugen richteten sich voller Entsetzen auf den Arbeitenden. »Taub ist er? – Großer Claus, kann er gar nichts hören? Auch nicht, wenn das Holz kracht?«