ein.
Pucki klatschte hocherfreut in die Hände. »Oh, wie wird die Agnes schreien, dass du ihr die Flasche weggenommen hast! Morgen gebe ich dem Plüschli die Flasche. Darf ich das, Vati?«
»Es ist wohl besser, Pucki, wenn das der Vater zunächst selber besorgt.«
»Bitte, bitte, lass mich morgen dem Plüschli die Flasche geben.«
»Meinetwegen.« Sandler nahm sich aber vor, dabei zu sein, damit Pucki alles ordentlich besorgte.
Am anderen Morgen, in aller Frühe, war Pucki wieder bei dem Rehkitz. Dann stürmte sie zurück in die Küche.
»Minna, gib mir mal schnell die Flasche!«
Minna war eben dabei, die Milchflasche für die kleine Agnes zurechtzumachen, die durch lautes Schreien ankündete, dass sie erwacht war. Sie glaubte daher, Frau Sandler habe Pucki geschickt, um die Flasche mit der erwärmten Milch zu holen. So händigte sie dem Kinde die für Agnes bestimmte Milch aus.
Pucki lief sogleich zum Rehkitz. »So, Plüschli, jetzt bringt dir die Pucki die Milch. Nachher kann die Agnes was bekommen. Erst trink dich mal recht satt!«
Das kleine Tier machte einen langen Hals. Jauchzend schob ihm Pucki den Sauger ins Mäulchen.
»Ach, wie gut es ihm schmeckt! – Vati, Vati!«
Der Förster kam hinzu. »Pucki, was hast du denn da?«
»Plüschli wollte seine Milch haben!«
Herr Sandler nahm dem Rehkitz die Flasche fort, betrachtete sie einige Augenblicke und fragte streng: »Woher hast du diese Flasche, Pucki?«
»Die hat mir Minna gegeben. Du hast doch gesagt, ich kann Plüschli heute füttern. Es hat sich so gefreut.«
Schon kam auch Minna herbei, die durch Frau Sandler bereits von der Verwechslung erfahren hatte. Der Förster hatte Mühe, das Lachen zu unterdrücken, aber Pucki erhielt doch einen Verweis.
»Das ist doch die Milchflasche von deinem Schwesterchen«, zürnte Minna.
Pucki betrachtete die Flasche, die noch halb voll war. »Ach«, sagte sie, »die Agnes hat noch genug.«
Das Missverständnis hatte keine üblen Folgen, nur musste für Agnes nun ein neuer Sauger besorgt werden. Pucki begriff nicht recht, warum das nötig war. Sie hätte sich keinen Augenblick besonnen, mit Plüschli aus einer Flasche zu trinken.
Noch immer hockte sie neben dem kleinen Tier, als plötzlich die Mutter neben ihr stand.
»Pucki, vergisst du heute die Schule? Es ist höchste Zeit.«
Nun galt es, alles zusammenzupacken. Dabei fiel Pucki gar schwer auf die Seele, dass am weißen Meilenstein seit gestern abend der Sack mit dem Heu stand. Und der vierundzwanzigste Mai kam in bedrohliche Nähe. Gleich nach Schluss der Schule wollte Pucki den Sack mit dem Heu holen, um das Kissen zu stopfen.
In den ersten Schulstunden war Pucki sehr unaufmerksam, so dass ihr die Lehrerin, Fräulein Caspari, mehrfach mit dem Finger drohte. Und als ganz plötzlich ein starker Platzregen einsetzte, der kräftig gegen die Fensterscheiben trommelte, sprang Hedi Sandler mit beiden Füßen auf die Bank und schrie aus Leibeskräften:
»Der Sack wird nass!«
Fräulein Caspari, die gerade an der Tafel stand, fuhr erschrocken herum.
»Der Sack – – der Sack!« Pucki fuchtelte mit beiden Armen durch die Luft. »Jetzt ist er ganz nass. Ich habe vergessen, ihn zu holen, weil wir Plüschli im Hause hatten. – Ach, was mache ich nun? – Fräulein Caspari, trocknet der Sack schnell wieder?«
»Was ist denn mit dir los, Hedi?«
»Der Sack mit dem Heu – –«
»Erzähle einmal ganz ruhig, was mit dem Sack geschehen ist.«
Pucki war ans Fenster geeilt und blickte mit ängstlichen Augen zum grauen Himmel empor, der immer größere Regentropfen herunterschüttete.
»Kann ich nicht schnell mal nach Hause laufen?«
»Aber Hedi – du hast bis zum Forsthaus einen weiten Weg. Bei solch einem Regen geht kein Mensch auf die Straße hinaus.«
»Die Waldfrau ist schuld daran, die Waldfrau und Mucki und Pucki. Ich hab's schon lange gedacht, dass sie mich ärgern werden.«
Schließlich erfuhr die ganze Klasse von Puckis Sorgen.
»Stecke doch Sägespäne ins Kissen.«
»Oder Holzwolle«, sagte ein anderes Mädchen.
»Ich bringe dir morgen Hobelspäne mit«, erbot sich der Sohn eines Tischlermeisters.
»Dein Heu wird wieder trocken«, tröstete die Lehrerin. »Du brauchst gar nicht viel für ein Kissen. Breite es gut in der Sonne aus und gib schön acht, dass es nicht wieder nass wird.«
Aber Pucki war doch dafür, den Rat eines Schulfreundes zu befolgen. Der meinte nämlich, Hedi solle ruhig das nasse Heu ins Kissen stopfen und dann das Kissen auf dem Küchenherd trocknen.
»Wenn der Herd schön warm ist, trocknet das Heu schnell.«
Beim Schulschluss hatte der Regen nachgelassen. Pucki eilte am Forsthaus vorüber, hin zum Meilenstein und atmete erleichtert auf, als der Sack noch dort stand. Er war freilich völlig durchnässt, und als Pucki ihn mit beiden Armen aufhob, tropfte das Wasser unten aus dem Sack heraus. Es war wohl besser, sie brachte nachmittags das Kissen her, stopfte es mit Heu voll, nähte es dann heimlich zu und legte es abends auf den warmen Küchenherd. Dann würde das Kissen über Nacht trocknen, und sie konnte endlich das fertiggestellte Geburtstagsgeschenk im Schrank verwahren.
Am späten Nachmittag schlich Pucki aus der Försterei hin zum Meilenstein. Dort wurde möglichst viel Heu in den Brokatbezug gestopft, der sich nun bald feucht anfühlte. Pucki nahm das Kissen mit heim, setzte sich damit in den Ziegenstall, weil sie hier ungestört war, und nähte mit der großen Stopfnadel und dem dicken, schwarzen Zwirn die vierte Seite wieder zu. – Nun endlich war die Arbeit getan! Das Kissen glich zwar mehr einer dicken Rolle, doch Pucki meinte, je voller es gestopft sei, um so mehr würde es dem Vati gefallen.
Voller Stolz betrachtete sie ihr Werk. Dass das Kissen nass war, störte sie gar nicht. Es würde ja auf dem Herd bis morgen trocknen.
Minna wunderte sich, warum Pucki sie fragte, ob abends nochmals Feuer im Herd gemacht würde.
»Natürlich, ich muss die Milch für das Schwesterchen doch warm machen.«
»Und für Plüschli auch?«
»Freilich.«
»Minna, gehst du nachher 'raus aus der Küche?«
»Jawohl, ich muss noch nach Rahnsburg gehen und einkaufen.«
»Au, das ist fein!«
»Willst du mitkommen, Pucki?«
Die Kleine lachte verschmitzt. »Nein, heute will ich nicht mitkommen, ich mache was anderes.«
Nun passte Pucki genau auf. Kaum hatte Minna das Forsthaus verlassen, da eilte Pucki aus dem Kinderzimmer und legte das feuchte Kissen auf den warmen Herd. Damit aber weder Vater noch Mutter in die Küche kamen, schloss das Kind die Tür, die vom Hausflur hineinführte, einfach ab und versteckte den Schlüssel im Ziegenstall.
Der Küchenherd war zwar nicht mehr sehr heiß, trotzdem aber bräunte sich der golddurchwirkte, hellblaue Brokatstoff mehr und mehr. Das feuchte Heu begann zu riechen, und dadurch wurde Frau Sandler aufmerksam. Sie wollte in die Küche gehen – die war verschlossen. Ihr erster Gedanke galt Minna, die beim Fortgehen den Schlüssel gewiß mitgenommen hatte. Warum nur? Das tat sie doch sonst nicht.
Der brenzlige Geruch wurde immer stärker. Frau Sandler wollte vom Garten aus das Küchenfenster eindrücken, da sie vom Herd einen dünnen,