Magda Trott

Pucki


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      »Schau, Pucki, in der Küche scheint etwas zu brennen, und Minna hat die Tür abgeschlossen.«

      Entgeistert blickte das Kind durchs Fenster, stieß dann einen Schrei aus, stürmte davon, holte aus dem Ziegenstall den Küchenschlüssel, betrat die Küche und griff nach dem schwelenden Kissen. Aus der Unterseite hing das nasse Heu heraus, und der schöne Brokatstoff war verkohlt. Das alles ging so schnell, dass Pucki schon längst mit dem verbrannten Kissen verschwunden war, als Frau Sandler aus der Stube zurückkam, wo sie einen zweiten Küchenschlüssel suchen wollte.

      Pucki hatte das Kissen unter den Arm genommen, und während ihr die dicken Tränen über die Wangen rannen, ging sie hinaus in den Garten, wo sie mit Harras umhergetollt war. Der Hund, der das Schluchzen seiner kleinen Freundin vernahm, kam sogleich herbeigelaufen und legte seine Pfoten auf die Schultern des Kindes.

      »So lange habe ich genäht«, stieß Pucki unter heftigem Weinen hervor, »erst habe ich das olle Stroh 'reingeschoben, dann habe ich mich mit dem Heu gequält, und nun ist alles kaputt. – Nun kriegt der arme Vati für seinen krummen Rücken wieder kein Kissen, und ich hätte mich doch so gefreut, weil er sich freut. – Ach, Harras, was machen wir nun?«

      Der Hund schien den Schmerz des Kindes zu verstehen. Er hob mehrmals eine Vorderpfote, legte sie auf Puckis Arm und ließ ein leises Jaulen hören.

      »Nun weinst du auch«, sagte Pucki und fühlte sich durch das Jaulen des guten Harras ein wenig getröstet. Doch einen Rat, wie das Kissen wieder in Ordnung zu bringen war, wusste natürlich auch Harras nicht. – Wem sollte sie sich anvertrauen? Vielleicht der Thusnelda? Ja, die würde Rat wissen. Die gute Mutti sollte nichts davon wissen, der Vati erst recht nicht, und zu Minna hatte Pucki nicht das rechte Vertrauen. So blieben nur noch die Schulfreundinnen. Und nun zeigte es sich wieder, dass jede von ihnen dem kleinen Försterkinde freudig helfen wollte, denn alle hatten die kleine Hedi sehr lieb.

      »Meine Puppe hat eine blaue Wagendecke, die bringe ich mit. Dann nähst du sie auf das Loch.«

      »Das geht nicht, was drauf nähen«, beharrte Pucki.

      »So nimm Stecknadeln«, sagte die kleine Marie Rensing.

      Das leuchtete Pucki schon eher ein.

      Am anderen Tage wurden allerhand größere Flecken von den Klassenkameradinnen mitgebracht. Pucki wählte ein Stück hellblauen Strickstoff aus, der ihr am besten zu passen schien.

      »Stecknadeln kannst du nicht nehmen«, meinte Thusnelda, »sie pieken deinen Vater.«

      Am anderen Tage erhielt Pucki zahlreiche Sicherheitsnadeln, mit denen sie in aller Heimlichkeit den blauen Flicken auf das Kissen steckte. So schön wie früher sah es freilich nicht mehr aus, doch war es prall und rund, und Vati würde sich darüber freuen. Dass das Heu noch immer ein wenig feucht war, störte Pucki nicht.

      Einen Tag vor dem 24. Mai, dem Geburtstag des Vaters, war Hedi in der Apotheke von Rahnsburg und wurde von dem Apotheker mit ins Wohnzimmer genommen. Dort sah sie auch ein Kissen, das mit zwei Bändern am Stuhl befestigt war, damit es nicht herunter fiel. Zu Hause steckte Pucki zwei ihrer roten Haarschleifen mit Nadeln an je einer Ecke des Kissens fest. Nun war das Kissen wirklich schön und fertig!

      An diesem Tage kam auch Lehrer Strenke, der Freund des Försters Sandler, zu Besuch. Er hatte sich zwei Tage freigemacht, um seinen alten Schulgefährten wiederzusehen. Pucki, die sonst nicht scheu war, ging dem großen, breitschultrigen Manne aus dem Wege. Sie hatte ein schlechtes Gewissen. Das Lesen ging wohl recht gut, aber im Rechnen haperte es. Sie fürchtete, dass Lehrer Strenke sie auf die Probe stellen würde.

      Nun war endlich Vatis Geburtstag. Auf dem Tisch stand ein Kuchen mit Lichtern, und viele schöne Dinge lagen rings herum. Puckis Herz schlug vor Freude. Auf dem Gabentisch lag auch ihr Lesezeichen, das der Vati voller Freude betrachtete. Doch hatte sie ihm das Rückenkissen noch nicht gebracht. Jetzt aber, da es zum Frühstücken ging, wollte sie es bringen, damit der Vati es sogleich benutzen konnte.

      Frau Sandler rief zum Kaffee. Da stürmte Hedi davon, kam mit hochroten Wangen wieder und trug in beiden Armen das riesige, vollgestopfte Kissen.

      »Vati«, sagte sie strahlend, »jetzt wirste weich im Rücken sitzen. Das habe ich alles ganz allein gemacht! – Guck, hier musst du es anbinden, und dann musst du dich dransetzen. – Ist es nicht herrlich?«

      »Wirklich ganz herrlich«, sagte der Förster. »Was soll das vorstellen, Pucki?«

      »Nun, ein Rückenkissen für dich!«

      »Wirklich fein!« Der Förster wollte es auf den Stuhl legen, doch wagte er nicht, sich darauf zu setzen. Das Kissen musste ja zerplatzen.

      »Aber Vati, das ist doch nicht zum Draufsitzen, es ist für den Rücken. – Sieh mal – so! Und nun setz dich mal hin.«

      Herr Sandler setzte sich wieder, doch das Kissen, das Pucki an die Rückenlehne hielt und anzubinden versuchte, stand wegen seiner Fülle so weit vor, dass der Förster, als er sich auf dem Stuhl niederließ, den Oberkörper weit nach vornüber biegen musste. Wie ein Häufchen Unglück saß er da.

      Pucki verschränkte die Arme und betrachtete den Vati.

      »Ist's fein?« fragte sie zaghaft.

      »Ganz herrlich!« klang es zurück.

      Obwohl Sandler sehr unbequem saß, ließ er das Kissen ruhig an seinem Platz. Er konnte es nicht übers Herz bringen, seiner Pucki die Enttäuschung zu bereiten, dass ihr Rückenkissen in dieser Form einfach unbrauchbar sei.

      3. Kapitel: Freude für alle

      Jubelnd wurde der Sohn des Oberförsters Gregor, der Student Claus Gregor, von Pucki in der Försterei begrüßt. Stolz wies sie auf das goldene Herzchen, das sie am Halse trug.

      »Es ist noch nicht ganz schwarz geworden, großer Claus, ich habe es immer am Halse baumeln, und immer denke ich an dich. Du bist mein allerbester Freund!«

      »Ich freue mich, meine kleine Pucki wiederzusehen«, entgegnete der Student. Jedes Mal, wenn er zu den Ferien heimkam, ging er ins Forsthaus, um das kleine Mädchen aufzusuchen, das er schon lange kannte.

      »Weißt du auch, großer Claus, dass Freundschaft etwas sehr Schönes ist? Eine Freundschaft muss dauern, bis man alt ist, und du bleibst mein Freund, bis ich hundert Jahre geworden bin.«

      »Aber freilich, Pucki.«

      »Und weil du mein bester Freund bist, Claus, musst du mir auch in mein Poesiealbum einen schönen Vers schreiben. In mein Tagebuch schreibe ich dann, dass du mein Freund bist und bleibst. – Willst du mir einen Vers schreiben?«

      »Gerne, Pucki, du kannst mir dein Album bringen, ich nehme es mit heim, und wenn du in den nächsten Tagen zu uns kommst, wird der Vers im Buche stehen. Soll mein Bruder Eberhard auch etwas einschreiben?«

      »Meinetwegen«, sagte Pucki gleichgültig, »er ist zwar nicht mein Freund, aber in Muttis Album stehen auch so viele Kinder, die nicht mehr ihre Freunde sind.«

      »So lauf und hole das Album«, sagte er lachend.

      »Ich habe doch noch keins! Erst wenn ich Geburtstag habe, großer Claus, wünsche ich mir eins von dir. Und weil ich noch lange nicht Geburtstag habe, wünsche ich es mir schon jetzt, weil es mir doch so viel Freude macht, und weil du einen Vers hineinschreiben sollst.«

      Claus Gregor lachte belustigt. »Ich soll dir ein Poesiealbum schenken?«

      Pucki nickte. »Ach ja! Die Freundin von Mutti hat ihr mächtig viel Geld geschenkt, damit sie was lernen kann. Und wenn jemand einen Freund hat, oder wenn du eine Freundin hast, musst du auch was geben.«

      »Eigentlich wollte ich dir zum Wiedersehen etwas anderes schenken, Pucki, da du aber durchaus ein Poesiealbum haben möchtest, sollst du es übermorgen, wenn du zu uns kommst, von mir bekommen.«

      »Wenn du mir noch was schenken willst, großer