spielen«, meinte Paul.
Die Kinder vergruben sich tief ins Heu, wühlten Gänge von einem zum anderen und belustigten sich herrlich. Plötzlich ertönte ein lauter Schrei.
»Eine Maus!« brüllte Fritz, der kleinste der drei Knaben.
»Wo ist sie? Die schlagen wir tot!«
Pucki wühlte sich, so rasch es ging, aus dem Heu heraus und stellte sich vor Paul hin. »Du«, sagte sie mit warnend erhobenem Finger, »lass das kleine Mäuschen hübsch leben, es hat dir nichts getan.«
»Der Vater fängt auch Mäuse.«
»Mein Vater fängt sie auch, aber er fängt sie gleich so, dass sie nicht erst in Angst und Schrecken sind. Die Maus hier im Heu musst du leben lassen. Wenn du der kleinen Maus ein Leid antust, hilft sie dir nicht, wenn du in den Zauberwald gehst.«
»Hahaha«, lachte Paul und tippte mit dem Finger auf die Stirn, »wo ist denn der Zauberwald?«
»Bei meinem Vati! In dem Zauberwald sind auch Mucki und Pucki, die beiden Kinder der Waldfrau, die mit Kienäpfeln nach den Leuten werfen, um sie zu necken.«
»Deswegen heißt du auch Pucki.«
»Nein, die Pucki im Walde ärgert die Leute immerfort, und ich ärgere sie nur ein bisschen.«
»Wenn der Wald von deinem Vater ein Zauberwald ist, musst du dich doch fürchten, darin spazieren zu gehen«, sagte Fritz ein wenig ängstlich.
Pucki lachte. »Ich brauche mich nicht zu fürchten, denn alle Tiere im Walde haben mich lieb und alle Bäume auch. Sie sind alle meine Freunde. Ich tue aber den Tieren auch kein Leid an, und wenn wirklich mal der böse Zauberer käme und mich verhexte, würden alle Tiere kommen und mir helfen.«
»Dann werden die Tiere auch nicht helfen können«, meinte Paul.
»O doch – dem Fridolin haben sie auch geholfen. Und wenn mir die Tiere nicht helfen können, kommen die Heinzelmännchen. Die sind gut, die haben dem armen Schneider geholfen, sie haben mir auch schon mal geholfen. Dann kommen auch die kleinen Mäuschen, die du eben totschlagen wolltest, und helfen mir, denn dem Fridolin haben sie auch geholfen.«
Die drei Knaben kamen näher an Pucki heran, und Walter fragte: »Wer ist denn der Fridolin?«
»Das war ein kleiner Junge, der ging in den Wald, um Beeren zu suchen. Allen Tieren hat er geholfen und ihnen Krümchen von seinem Brot gegeben. Deshalb waren ihm alle Tiere sehr gut. Und wenn er sich zu den Ameisen setzte, nickten ihm die kleinen Ameisen freundlich zu.«
»Das ist ja dummes Zeug«, rief Paul. »Ich habe mich auch mal zu den Ameisen gesetzt, da sind sie mir in die Hosen und in die Jacke gekrochen und haben mich schrecklich gebissen. Noch drei Tage später sind sie an mir 'rumgekrochen. – Du, Pucki, der Fridolin hat sich ganz bestimmt nicht in einen Ameisenhaufen gesetzt.«
»Lass doch Pucki weitererzählen«, zürnte Fritz.
»Im Walde waren auch viele schwarze Käfer und niedliche graue Mäuschen, denen hat der Fridolin auch was geschenkt. Eines Tages aber kam der Zauberer und sagte: ›Hokus pokus, abra kadabra, jetzt wirst du verhext, denn hier ist der Zauberwald!‹ Dann hat er einen Zauberstab genommen und den Fridolin an einen Baum gebunden und mit tausend Stricken festgemacht, dass er sich gar nicht mehr bewegen konnte. ›Du Menschenjunge‹, hat er gesagt, ›jetzt wirst du langsam ein Baum. Du wirst immer mehr zusammenschrumpfen, nur wenn du dich losmachen kannst, bleibst du ein Mensch‹.«
»Ist der Fridolin zusammengeschrumpft?« fragte Fritz voller Spannung.
»Sssssssst – ist der Zauberer durch die Luft entwischt. Der Fridolin hat noch gehört, wie es ›Rrrrrrrrr‹ ging, dann war er allein und sehr traurig. – Aber auf einmal hörte er rings um sich her: ›Quik – quik – quik‹, und tausend kleine Mäuse kamen, immer mehr und noch mehr, die krabbelten an den Stricken hoch –«
»Hu, muss der sich gefürchtet haben! Wenn eine Maus an mir herumkrabbelt, schreie ich fürchterlich«, rief Fritz.
»Nein, Fritzchen, der Fridolin hat gar nicht geschrien. Er wusste, dass ihm die Mäuschen zu Hilfe kamen. Dann ging es: ›Knabber, knabber, krix, krax‹, und bald waren alle Stricke kaputt, und der Fridolin war frei. Da ist er froh und glücklich nach Hause gegangen.«
»Ist der Zauberer nicht mehr gekommen?«
»Nein. – Darum darf man keiner Maus was tun. Wenn ich mal von dem Zauberer an einen Baum gebunden werde, kommen auch tausend Mäuschen und knabbern.«
»Was du immer für verrückte Geschichten weißt, Pucki.«
»Das sind keine verrückten Geschichten, du dummer Paul, das ist so.«
Vom Hof herüber scholl lautes Rufen. Man suchte die Kinder, die sich zunächst noch still verhielten. Erst als Herr Niepel selber erschien und energisch nach den Kindern rief, steckte Pucki den Kopf aus der Tür des Heubodens heraus. Sie war über und über mit Heuhalmen behangen. Niepel brach in Lachen aus, als er das kleine Mädchen sah.
»Nun aber rasch herunter, sonst gibt es keinen Schokoladepudding.«
Das half! Schon eine Minute später waren alle vier zur Stelle. –
Als man abends die beiden Kinder nach dem Forsthaus Birkenhain fuhr, hütete Pucki einen kleinen Sack. Er enthielt die kostbare Füllung für das Rückenkissen.
Frau Sandler stand in der Tür, als der Wagen vor dem Forsthause anhielt. Pucki machte ein ängstliches Gesicht. Sie wollte unter keinen Umständen ihr Geheimnis preisgeben. So tuschelte sie schließlich mit dem Kutscher.
»Hast du den weißen Stein gesehen, an dem wir eben vorbeigefahren sind?«
»Natürlich habe ich den gesehen.«
»Nimm den kleinen Sack wieder mit und stelle ihn an den weißen Stein. Nachher hole ich ihn mir, denn die Mutti darf ihn nicht sehen. – Willst du das machen?«
»Ich werde den Sack lieber in den Garten legen.«
»Nein, nein, dort sieht man ihn. Bitte, lege ihn an den weißen Stein, er ist gleich dort hinten.«
Der gutmütige Kutscher erfüllte dem Kinde den Wunsch, hielt an dem bezeichneten Stein an und stellte das Säckchen mit dem Heu daneben. Dann fuhr er zurück nach dem Gut.
Puckis Absicht, den Sack noch am Abend ganz heimlich zu holen, misslang. Es hatte sich inzwischen etwas ganz Neues und furchtbar Wichtiges im Forsthause ereignet. Der Vater fand auf seinem Rundgang ein Rehkitz, ein ganz junges Tierchen, das vergeblich nach der Mutter verlangte. Ob das Muttertier durch einen Wilderer abgeschossen oder verunglückt war, konnte nicht festgestellt werden. Es war unmöglich, das Kitz im Walde zu lassen. So hatte es Sandler heimgebracht, um es im Forsthaus mit der Flasche aufzuziehen.
Als nun Pucki und Waltraut vom Niepelschen Gute zurückkehrten, schauten sie entzückt auf das kleine, unbeholfene Tierchen. Während sich Waltraut darüber freute, dass das Rehlein von nun an im Hause bleiben würde, empfand Pucki innigstes Mitleid mit dem Tier.
»Nun rufst du immerfort nach der Mutti, und sie kommt nicht! – Ach, es ist schrecklich, wenn keine Mutti da ist, die dich streichelt und dir was zum Essen gibt.«
Pucki war nicht zu bewegen, von dem Rehkitz fortzugehen. Vergessen war der Sack mit dem Heu, der am weißen Meilenstein stand, vergessen das Abendbrot. Pucki saß bei dem kleinen Tier und strich ihm behutsam über das braune Fell.
»Was hast du für ein liebes, weiches Schnäuzchen und ein so schönes Fell.«
Förster Sandler kam, um nach dem Tier zu sehen.
»Vati, es sieht aus wie der Teppich in der Stube. So ein weiches Fell hat es, und genau so braune Augen wie die Blumen auf dem Teppich. Weißt du, ich meine den schönen Plüschteppich. Jetzt nennen wir das Rehkitz ›Plüschli‹, weil es sich wie der Plüschteppich anfasst. – Nicht wahr, Plüschli, der Name gefällt dir