wirst schon wieder frisch und gesund werden«, sagte Pucki beim Empfang und umarmte die geliebte Freundin ein um das andere Mal.
»Mein lieber, lieber Wald, die lieben Vögel und alle ihr lieben Menschen, ich habe es vor Freude kaum aushalten können!«
Pucki kam sogleich mit dem Poesiealbum angelaufen. »Sieh mal, Rose, das hat mir der große Claus geschenkt. Darin stehen alle meine Freundinnen mit Versen und Bildern. Du wirst staunen, wie viele Freundinnen ich habe. Und jetzt musst du auch einschreiben. – Sieh mal, der Harras hat auch eingeschrieben.«
Rose lachte. »Der Harras kann doch nicht schreiben.«
»O doch! – Ich habe ihn an der Pfote gehalten, dann hat er einen Bleistift bekommen. Sieh mal, das hat er geschrieben.«
Rose Scheele las die undeutlich gekritzelten Worte: »Ich bin dein bester Freund.« Die schmutzige Pfote des Hundes machte sich auf dem Blatt deutlich bemerkbar.
Pucki schlug das Blatt um. »Gleich hinterher hat der Fritz Lange, weißt du, der freche Bengel mit dem großen Ritz auf der Stirn, eingeschrieben: Ich bin dein allerbester Freund.«
Rose blätterte weiter. Da standen viele Verse von den Schulkameradinnen, es fehlten aber auch Minna und die Oberförsterin nicht. Dann kam der Schmanzbauer und die Schmanzbäuerin; sogar deren Sohn Michael, der zur See fuhr, hatte einen Spruch eingeschrieben.
»Und hier steht die Ida auf dem allerletzten Blatt. Guck mal, was sie geschrieben hat.
Wer dich lieber hat als ich,
Der schreibe sich noch hinter mich.«
»Aber hier hinten auf dem Einbanddeckel steht ja noch eine. ›Ich habe Dich doch noch lieber‹, hat sie geschrieben.«
»Ach, das ist die Meta, die können wir alle nicht leiden. Die wollte mich nur ärgern. Und nun musst du auch einschreiben, Rose. In das Buch der Freundschaft gehörst du doch zuerst.«
Schon am nächsten Tage schrieb Rose Scheele das folgende Verslein hinein:
»Ich bin Deine Freundin, so schreib' heute ich ein,
Ach, könnt' ich fürs Leben Dir stets Freundin sein.«
Pucki las den Vers mit Begeisterung. »Natürlich bist du fürs ganze Leben meine Freundin, so wie Erika die Freundin meiner Mutti fürs ganze Leben ist. Du kommst immer zu uns, dann werden wir zusammen groß, und wenn wir heiraten, ziehen wir auch zusammen, und unsere Kinder sind wieder Freunde.«
Rose hatte so viel zu fragen. Sie wollte wissen, wie es dem Schmanzbauern und seiner Frau ginge. Sie hatte die beiden Leute bei ihrem Aufenthalt im Sandlerschen Hause von Herzen lieb gewonnen.
»Weißt du, was wir heute machen?« sagte sie. »Wir holen uns aus dem Wald grüne Zweige, dann machen wir einen Kranz mit Blumen, gehen zum Kirchhof und legen ihn der guten Großmutter, der ich vorlesen durfte, aufs Grab. Ich kann nämlich einen Kranz flechten.«
»Was du alles kannst«, staunte das Försterkind. »Meiner Mutti hast du so einen schönen Teller aus bunten Perlen mitgebracht, und dem Vati hast du aus kleinen Lederstückchen einen Tabaksbeutel zusammengenäht.«
»Deiner Mutti mache ich noch eine kleine Kommode für Knöpfe und deinem Schwesterchen aus Streichholzschachteln allerlei Möbel für die Puppenstube. Die sind fein.«
»Kannst du das auch?«
»Und dann mache ich noch einen Hampelmann –«
»So einen, der mit den Beinen zappelt, wenn man am Faden zieht?«
»Ja, so einen.«
»Bist du aber klug«, sagte Pucki bewundernd. »Was kannst du denn noch, Rose?«
»Aus einem großen Blatt kann ich einen Puppenhut machen und eine Girlande aus grünen Blättern – –«
»Hahaha«, lachte das Försterkind, »das kann ich schon lange, das haben wir schon oft gemacht. – Na, und was kannste noch?«
»Stricken.«
»Puh – das ist eklig! Nun komm aber rasch, wir wollen grüne Zweige holen. Wir gehen zu den großen Büschen, die sind gar nicht weit, da bekommen wir schöne Zweige.«
Noch am selben Tag band Rose Scheele einen Kranz aus Tannengrün. Frau Sandler erlaubte gern, dass die Kinder aus dem Garten Blumen abschnitten, um sie in den Kranz zu flechten.
»Es ist sehr lieb von dir, Rose, dass du an die Schmanzgroßmutter denkst. Du hast ihr so manche frohe Stunde bereitet – –«
»Ich auch, Mutti! Als ich ihr vorgelesen habe, ist sie in den Himmel gegangen. Sie hat sich auch über mich gefreut.«
»Du hast aber niemals daran gedacht, der guten Schmanzgroßmutter ein paar Blümchen aufs Grab zu legen.«
»Das mache ich heute, Mutti. Ach, ich weiß schon, ich werde sie sehr erfreuen. Sie hört es ja nicht mehr, sonst würde ich ihr gern eine Geschichte vorlesen.«
»Aber sie schaut vom Himmel auf euch nieder und freut sich, wenn kleine Mädchen zu ihr kommen.«
Der Kranz, den Rose geflochten hatte, war recht nett geworden. Sie hatte sich große Mühe bei der Arbeit gegeben. Pucki trug einen großen Strauß Gartenblumen in den Händen. Die Kinder wanderten in Begleitung der Mutter nach dem Rahnsburger Kirchhof. Auch Frau Sandler hatte Blumen mit, um einige Gräber lieber Bekannter zu schmücken.
Nun standen die Kinder am Grabe der Schmanzgroßmutter. Frau Sandler war weitergegangen, sie ließ die beiden Mädchen allein zurück. Rose faltete andächtig die Hände und sprach halblaut ein Gebet. Dann schloss sie mit den Worten:
»Ich danke dir, liebe Schmanzgroßmutter, dass du immer so gut zu mir gewesen bist. Ich war doch ein ganz fremdes Kind, doch du hast mich immer lieb gehabt. Nun bringe ich dir heute einen Kranz, den ich selber gewunden habe.«
»Ob sie das hört?« fragte Pucki flüsternd.
Behutsam legte Rose den Kranz auf dem Hügel nieder. »Sie hört es und sieht uns auch.«
»Schmanzgroßmutter, siehst du auch meine Blumen? Wenn die Schmanzgroßmutter noch lebte, würde sie auch einen Vers in mein Poesiealbum geschrieben haben.«
Pucki schaute unverwandt auf die ältere Freundin. Rose stand noch immer mit gefalteten Händen am Hügel. Da legte auch sie die Händchen ineinander und sagte leise:
»Lieber Gott, lass es der Schmanzgroßmutter auch im Himmel recht gut gehen. Großmutter, wir werden bald wiederkommen.«
»Freilich, Pucki, man soll die Leute, die gestorben sind und die wir lieb hatten, nicht vergessen, auch wenn sie in der Erde liegen. Wir gehen auch immer an Vaters Grab und bringen ihm Blumen.«
»Nun wollen wir heimgehen«, sagte Pucki ein wenig ängstlich. Der Gedanke, dass der Vati oder die Mutti einmal in der Erde liegen sollten, war so schrecklich für das Kind, dass es daran nicht denken wollte. Pucki sah sich auf dem Friedhof um, erblickte die Mutti an einem der Gräber, lief auf sie zu, umschlang sie stürmisch und sagte:
»Nicht wahr, Mutti, du stirbst aber nicht? Ich will dich auch nicht wieder ärgern, du sollst kein Herzweh haben. Und wenn ich einmal unartig bin, haust du mich, dann ist dir wieder gut.«
»Aber Pucki, es tut mir doch selber weh, wenn ich dich strafen muss.«
»Dann strafste mich eben nicht mehr«, klang es zurück. »Ich will aber ganz artig sein.«
»Davon merke ich im Augenblick nichts, Pucki, denn schon wieder beißt du an den Nägeln. – Pfui, wie deine Händchen aussehen!«
Hastig zog Pucki die Handschuhe aus der Tasche und streifte sie über. »So, nu sind die Hände wieder fein, nun sieht es keiner, Mutti.«
»Du bist und bleibst ein übermütiges Mädelchen.«
»Ich bin eben dein lieber Puck.«
Gemeinsam gingen die drei zur Försterei zurück. Unterwegs