Gisela Luise Till

Die Königin des Lichts


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drückte Tino enger an sich, schlang ihre Arme um Max und flüsterte: „Was will die Hexe von uns? Hoffentlich haut die bald ab.“

      „Vielleicht hat das was mit deinem Licht zu tun und sie will dich fangen.“

      „Das glaub ich nicht. Die ist hinter Tino her, das hat sie doch gesagt.“

      „Stimmt! Am besten bleiben wir hier und warten, bis sie weg ist.“

      Die drei saßen eng beieinander und warteten. Keiner sagte ein Wort. Plötzlich wurde Max ganz verlegen. Er druckste herum, wollte was fragen, traute sich aber nicht. Nach ein paar Minuten gab er sich einen Ruck und sagte mit gespielter Gleichgültigkeit: „Luzie ... zeigst du mir das Licht in deiner Brust?“

      Luzie zog schweigend den Pullover hoch und ließ ihr Licht leuchten. Max war wie geblendet. Mitten in ihrer Brust leuchtete ein goldener Punkt und strahlte wie eine kleine Sonne aus ihrem Körper. Er legte seine Hand darauf und fühlte eine wohltuende Wärme. Luzie saß ganz still und ließ es geschehen.

      Max legte seinen Kopf auf ihre Brust, kuschelte sich an sie und murmelte aus tiefer Seele: „Meine Blinki, meine strahlende Blinki!“

      Plötzlich begriff er, was das bedeutete, und befürchtete einen Wutausbruch. Doch Luzie lächelte ihn an. Es war unbegreiflich! Er nannte sie Blinki und Luzie lächelte.

      Verwirrt rückte er ein Stück von ihr ab. „Entschuldige. Ich wollte dich nicht ärgern. Ich find Blinki schön!“

      Sie knuffte ihn in die Rippen. „Wenn du meinst. Erdling ist auch nicht schlecht.“

      Max schloss erleichtert die Augen und genoss Luzies Wärme, die in seinen Körper eindrang. Die Hitze floss durch seine Adern, durchflutete seinen Leib und hinterließ ein wunderbares Glücksgefühl. Max hatte noch nie so ein schönes Gefühl kennengelernt und genoss jede Sekunde an Luzies Seite. Selbst Tino fühlte die Wärme und kuschelte sich näher an sie heran. So saßen sie eng zusammen und vertrauten darauf, dass die Hexe verschwand. Trotz der Gefahr, die noch immer unten lauerte, versank Max in einem wunderschönen Traum.

      Er rekelte sich benommen, als Luzie ihn plötzlich anstupste, ihren Pullover runterzog und ankündigte: „Die Hexe ist weg, wir können nach Hause.“

      Die Zeit war wie im Flug vergangen und er hatte ganz vergessen, dass sie nur darauf warteten, dass die Hexe verschwand. Er raffte sich auf und fragte verdutzt: „Und wie kommen wir hier runter?“

      Luzie zuckte die Schultern. „Ich frag die Weide, sie hat uns hochgeholfen und wird uns gewiss auch wieder runterhelfen.“

      Max zog die Augenbrauen hoch. „Wenn du meinst.“

      Luzie sprach mit der Weide wie mit einer alten Freundin und bat, sie hinabzulassen. Die Weide schüttelte sich, neigte ihre Krone und schob das Nest auf den Boden.

      Luzie bedankte sich, sprang hinaus und rief Max zu: „Bist du bereit, Erdling? Komm, wir rennen heim!“

      *

      Das goldene Hemd

      Drei Tage hatte Maria Luzies Haare kräftig gekämmt, alle Haarsträhnen aus der Bürste gezogen und diese in einer Schachtel gesammelt. Heute, am vierten Tag, fehlten ihr noch einige. Deshalb nahm sie sich an diesem Morgen besonders viel Zeit. Sie bürstete Luzies Haar heftiger als je zuvor und murmelte dazu geheimnisvolle Sprüche. Selbst als Luzie herumquengelte, ließ sie sich nicht davon abhalten und kämmte weiter. Als sie wieder einige Haarsträhnen ausriss, verlor Luzie die Geduld. Drei Tage hatte sie stillgehalten, doch als es nun am vierten Morgen wieder passierte, nahm sie die Bürste, zog sie dreimal durch die Haare, warf sie auf den Tisch und sauste mit Tino zu Max.

      Maria betrachtete zufrieden die vielen Haare in der Bürste und ordnete sie der Länge nach auf dem Tisch. Heute wollte sie das Zauberhemd nähen. Es musste weich wie Samt, leicht wie Federn und dünn wie Seide werden. In Luzies Haar steckte die Zauberkraft und diese Zauberkraft sollte das Licht in Luzies Brust unsichtbar machen.

      Maria wählte den besten Seidenkokon, den sie in ihrer Sammlung fand, und setzte sich ans Spinnrad. Sie streifte den Faden über ihre Finger, fügte einzelne Haare hinzu und wickelte alles auf eine Spule. Danach webte sie alles zusammen. Sie webte und nähte, nähte und webte. Und während sie flocht und spann, murmelte sie eine Zauberformel nach der anderen:

      „Rädchen, dreh dich geschwind,

      will heut weben für mein Kind.

      Aus goldnem Haar gewonnen,

      wird das Garn gesponnen.

      Drei wie Vater, Mutter, Kind,

      drei miteinander verwoben sind.

      Drei heißt die magische Zahl,

      drei ist die richtige Wahl.

      Wie die Seide rein und fein

      soll das Hemd geflochten sein.

      Aus Zauberhaar gewonnen,

      wird das Hemd gesponnen.“

      Maria hatte den ganzen Tag gesponnen, gewebt, genäht und machte nun die letzten Stiche. Sie war so in ihre Arbeit versunken, dass sie gar nicht bemerkte, wie spät es schon geworden war. Ein lauter Schlag und freudiges Hundegebell rissen sie aus ihren Gedanken. Dann hörte sie eine Tür zuknallen und hastige Schritte über den Flur rennen. Luzie lief, gefolgt von Max und Tino, in die Küche, öffnete den Kühlschrank und stellte alles Essbare auf den Tisch.

      Maria blickte zur Uhr und bekam ein schlechtes Gewissen. Es war schon Abend und sie hatte noch kein Abendbrot gemacht. Steifbeinig stand sie auf, versteckte das Hemd hinter ihrem Rücken und ging in die Küche. Die Kinder saßen wie Kannibalen am Küchentisch und stopften sich große Scheiben Wurst und Brot in den Mund. Selbst Tino fraß gierig eine riesige Wurst.

      Maria traute ihren Augen nicht und fragte verwundert: „Wo kommt ihr denn her? Wieso seid ihr so hungrig?“

      Luzie steckte sich gerade ein Stück Speck in den Mund. Sie würgte es mit dicken Backen hinunter und nuschelte: „Aus dem Wald. Wir haben Tino Kunststücke beigebracht und den ganzen Tag noch nichts gesessen.“

      „Ihr wart den ganzen Tag im Wald? Wieso kommt ihr denn so spät nach Hause? Max, wissen deine Eltern, wo du bist?“

      Max biss ein Stück von seiner Wurst ab: „Jaaa ... bei Luzie.“

      „Aber das erklärt immer noch nicht, wieso ihr so spät heimkommt. Wart ihr bei Papa? Der war auch im Wald.“

      Die Kinder sahen sich kopfschüttelnd an und verneinten.

      „Wo wart ihr dann?“

      Luzie druckste herum und wollte nicht so recht mit der Sprache heraus. Doch sie begriff, dass sie ihrer Mutter alles erzählen musste.

      „Wir haben im Wald eine verfallene Hütte entdeckt. Darin haust eine alte Frau mit ihrem Jungen. Kennst du die zwei?“

      „Ich weiß nicht, wo war das denn?“

      „Auf dem Weg zur hohen Gracht.“

      „Was?! Ihr wart an der hohen Gracht? Aber Luzie! Das ist doch Sperrgebiet!“

      „Ich weiß, wir haben nicht gemerkt, dass wir schon so weit gelaufen waren, und standen plötzlich im schwarzen Wald vor der Hütte.“

      Maria runzelte nachdenklich die Stirn. „Das kann nur die alte Einsiedlerin gewesen sein. In der Gegend hat mal ein Zwergenvolk gehaust. Die Männer suchten in den Bergen nach Gold und Diamanten. Nachdem sie bei einer Explosion in der hohen Gracht umgekommen sind, zogen die Frauen und Kinder in ein anderes Land. Die Alte blieb als Einzige zurück. Papa ist ihr schon mal im Wald begegnet. Doch meistens versteckt sie sich. Hat sie euch denn gesehen?“

      „Und ob!“, knirschte Max. „Die war richtig gruselig und wollte uns Tino wegnehmen.“

      „Was?