Ariane Gilgenberg

Karamell - Ein Pferdekrimi


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noch ein bisschen zusammensetzen und wenigstens ein Stück Kuchen essen? Eben habe ich gesehen, wie eine großartige Erdbeerrolle an der Tortenbar abgegeben wurde. Vielleicht gibt es noch etwas davon.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr sie fort. „Suchst du bitte deine Schwester und sagst ihr Bescheid? Sonst verpasst sie den Erdbeerkuchen.“

      Luisa gab keinen Ton von sich. Sie mochte jetzt nichts essen. Aber nach Hause fahren, das mochte sie auch nicht. In ihrem Kopf schwirrten die Gedanken. Papa wollte Condor verkaufen. Mama wollte ein neues Pferd kaufen. Aber was sie selbst wollte, danach hatte keiner gefragt.

      Missmutig kickte sie ein paar Tannenzapfen vor sich her. Betont langsam zog sie ihr Jackett aus, streifte sich die weißen Reithandschuhe von den Händen und schlüpfte in einen gemütlichen Pullover. Die steifen Reitstiefel tauschte sie gegen ein paar heruntergetretene Turnschuhe aus. Dann machte sie sich mit Umwegen auf die Suche nach ihrer Schwester. Sie fand Neele am Pferdehänger ihrer Freundin Hanna, die vergeblich versuchte, ihre störrischen Haare unter den Reithelm zu stopfen. Neben ihr stand Klaus Jungholz, Hannas Vater, der damit beschäftigt war, Diamant zu satteln. Ihm gehörte die Reitanlage Mandelhof, auf dem auch Condor und Topsi, das Pony ihrer Schwester, standen.

      „Na Luisa“, grüßte Herr Jungholz fröhlich, „wie ist es bei dir gelaufen?“

      „War wieder nichts“, grummelte Luisa.

      „Ach, das wird schon wieder.“

      „Letzte Woche bei dem Hallenturnier hat bei mir auch nichts geklappt“, erzählte Hanna. „Diamant war schlecht gelaunt, ging überhaupt nicht vorwärts. Irgendetwas hat ihm nicht gepasst.“

      „Vielleicht tut ihm etwas weh? Oder er hat sich verrenkt?“

      „Ach, das glaube ich nicht. Der spinnt eben ein bisschen. Und stell dir vor, diese Stute von der Rücker, das neue Superpferd, ist dauernd stehen geblieben.

      „Meinst du die Sabrina Rücker?“, fragte Luisa.

      „Ja, ja diese eingebildete Tante. Hält sich für etwas Besseres, weil sie von ihrem Vater ein teures Pferd gekauft bekommen hat. Die glaubt, dass mit so einem Pferd alles wie von selbst geht und sie ganz groß rauskommt.“

      „Würde mich nicht wundern, wenn sie damit ein ganz kleines bisschen danebenliegt. Die ist schon mit ihrem Pony schrecklich geritten. Wer weiß, wie oft sie den ins Hindernis hineingesetzt hat. Und der arme Kerl hat das auch noch mitgemacht. Das neue Pferd ist bestimmt anderes gewöhnt.“

      „Vielleicht nimmt sie jetzt Reitstunden.“

      „Training ist für die doch ein Fremdwort“, schimpfte Luisa. „Dafür hat sie ihre Leute. Die sitzt nur am Wochenende zum Turnier auf ihrem Pferd. Und bevor der Gaul merkt, wer auf ihm hockt, ist der Parcours vorbei.“

      Luisa war plötzlich so in Fahrt, dass sie ihr eigenes Unglück fast vergessen hatte. Nach ihrer Auffassung musste sich jeder Reiter selbst, und zwar jeden Tag, um sein Pferd kümmern, wollte er Erfolg im Reitsport haben. Alles andere war unehrlich und unfair.

      „Dabei könnte die Sabrina ein paar mehr Reitstunden ganz gut vertragen“, feixte Hanna, „so fett, wie sie ist.“ Sie klopfte mit der Springgerte auf den Schultern ihres Vaters herum.

      „Papa, meine weiße Reithose ist schon wieder zu klein. Sie kneift überall.“

      „Dann musst du weniger essen, damit du nicht so dick wirst wie diese Sabrina“, neckte ihr Vater sie und hielt die Hände über den Kopf.

      „Papa, gib gut acht.“ Hanna schwang drohend die Gerte.

      Herr Jungholz lachte und hob seine Tochter aufs Pferd. Die beiden machten sich mit Diamant auf den Weg zum Reitplatz.

      Kaum hörbar rief Luisa ihnen nach: „Papa will Condor verkaufen!“

      Traurig schleifte Luisa ihre Schwester hinter sich her.„Mama will Kuchen essen!“

      „He, lass mich los, du tust mir weh“, meckerte Neele.

      „Dann komm mit und bummele nicht herum“, knurrte Luisa.

      Während Herr Falkenberg zusammen mit seinen Töchtern freie Sitzplätze suchte, jonglierte seine Frau die Tortenstücke und Getränke durch die Zuschauerreihen.

      „Vielleicht lässt es sich so ein bisschen besser über die Zukunft nachdenken“, erklärte sie und setzte sich an den Tisch. Aber Luisa stocherte nur in ihrem Kuchen herum.

      Auch ihr Vater nahm nur einen Bissen und legte die Gabel wieder beiseite. Ihm machte die Sache mit Condor sehr zu schaffen. Natürlich war der Reitsport nur ein Hobby. Aber genau deshalb sollte er nicht von Kummer begleitet sein, sondern Freude bereiten. Seine Töchter hatten ihn und seine Frau ganz in den Bann der Pferdewelt gezogen. Sie beide fieberten immer mit ihnen mit und erfreuten sich an ihren Fortschritten. Die letzten Wochen waren allerdings weniger schön gewesen, was Luisa betraf.

      Wie konnte er ihr nur helfen? Welcher Weg war der richtige?

      Neele wusste mit der muffigen Stimmung nichts anzufangen. „Was habt ihr denn alle?“, fragte sie.

      „Es gibt eine ganze Menge Probleme, alles nicht so einfach“, seufzte ihr Vater. Er umfasste seinen dampfenden Kaffeebecher und berichtete nach und nach von Condors und damit auch von Luisas Unglück.

      „Der arme Condor“, pflichte Neele bei. „So eine gemeine Frau. Was passiert denn jetzt mit ihm?“

      Als keiner eine Antwort wusste, beschloss sie: „Dann muss Luisa mit dem Springreiten aufhören und Dressurreiterin werden!“

      „Ich will aber keine Dressurreiterin werden“, empörte sich Luisa. „Das ist total langweilig. Dann höre ich lieber ganz auf zu reiten.“

      „Wenn du aufhören willst zu reiten, dann kann ich Condor zum Dressurpferd ausbilden“, konterte sie fröhlich.

      „Den bekommst du nie! Außerdem bist du viel zu klein für ihn.“

      „Wieso? Ich bin zehn Jahre alt, du bist nur zwei Jahre älter als ich.“

      „Vielleicht ist die Idee gar nicht schlecht“, schaltete sich Luisas Mutter ein.

      „Aber dann hat Neele zwei Pferde. Und ich habe gar keins.“

      „Du willst ja auch keines“, erwiderte Neele.

      „Doch, ich will Condor und keinen anderen.“

      „Ja“, beruhigte sie ihr Vater, „das habe ich begriffen. Wir werden dir Condor nicht wegnehmen. Ehrenwort! Du brauchst keine Angst zu haben. Aber ich glaube, es ist besser, ein anderes Mal weiterzudiskutieren.“ Er legte seine Hand auf ihren Arm. „Denk über alles nach.“

      Luisa Gesicht entspannte sich ein wenig und sie zog den Arm unter der Hand ihres Vaters weg. Aus dem zerbröselten Kuchen pickte sie die Erdbeeren heraus und leerte danach ihre Cola. Immerhin wollten ihre Eltern Condor jetzt nicht mehr verkaufen. Aber was sollte jetzt geschehen? Alle ihre Pläne waren mit einem Schlag zerstört!

      Unterdessen holperte der Pferdehänger von Sabrina und ihren Eltern auf das Turniergelände. Erst vor wenigen Wochen hatte Herr Rücker seiner Tochter ein neues Pferd gekauft, die Stute Tosca.

      Zugegeben, das Pferd war nicht ganz preiswert gewesen, aber Martin Rücker liebte seine Tochter sehr und sonnte sich gerne in ihrem Glanz. Und ganz nebenbei wollte er natürlich nur das Beste für sie. Fast drei Jahre hatte Sabrina auf einem Haflinger-Pony gesessen, das mehr an gemütlichen Ausritten interessiert war als am Springen über Hindernisse. Mit Mühe, vor allem aber mit ein paar untergeschobenen Geldscheinen bei den Prüfungsrichtern hatte es Sabrina geschafft, einige Turniererfolge zu erringen, die ihr die Aufnahme in den Kader ermöglichten. Der Vorstand des Pferdesportverbandes signalisierte Herrn Rücker jedoch, dass Sabrina mit diesem Pony wenig Zukunftsaussichten habe und man lieber andere Ponys in den Kader aufnehmen würde, die sich besser präsentieren würden.

      Martin Rücker versuchte es erneut mit der