Neele, später“, beschwichtigte Frau Falkenberg ihre kleine Tochter.
„Mir ist aber kalt und es ist langweilig.“
„Du musst noch ein bisschen warten, Neele.“
Als hätte Herr Langen Luisas Gedanken gelesen, erklärte er: „Natürlich kann es vorkommen, dass du den Sprung nicht richtig triffst. Doch das sollte bei keinem Pferd zu häufig passieren. Deshalb musst du Reitstunden nehmen. Bei wem nimmst du Unterricht?“
„Wir haben vor ein paar Wochen einen guten Trainer gefunden, er ist jung und reitet richtig schwere Springen. Er erklärt viel und der Unterricht macht immer Spaß. Er heißt Toni. Toni Berggraf.“
„Ich glaube, ich habe von ihm schon etwas gehört“, überlegte Herr Langen.
Tim fragte: „Luisa, möchtest du noch irgendetwas ausprobieren?“
„Ach, ich glaube, ich habe ihn lange genug gequält“, lachte Luisa verlegen, beugte sich vornüber und umarmte den Fuchs.
Sofort rief Neele: „Ich will ihn reiten, ich will ihn reiten!“
„Wenn deine Eltern nichts dagegen haben, dann kannst du mit ihm eine Schrittrunde gehen“, unterstützte sie Herr Langen.
„Meinen Sie, der Fuchs ist brav genug für unsere Jüngste?“, fragte Frau Falkenberg. „Sie ist erst zehn Jahre alt.“
„Ja, der Russe ist ein sehr braves Pferd. Manchmal ist er ein bisschen zappelig. Das liegt an seiner Vollblutlinie. Brav ist er trotzdem. Und sie wissen ja, Vollblüter gehen für ihren Reiter durch dick und dünn.“
„Okay, Neele, dein Vater hebt dich auf den Fuchs“, rief Tim ihr zu.
Luisas Vater stand noch immer in der Mitte der Reithalle. Neele lief im Renngalopp zu ihm. „Langsam Neele, langsam. Erschrick mir nicht das Pferd.“ Luisa sprang von dem Fuchs herunter. Die Bügel wurden kürzer geschnallt und schon saß Neele hoch zu Ross. Luisa beäugte eifersüchtig ihre Schwester. Das passte ihr gar nicht, dass sie jetzt auch noch auf dem Fuchs saß. Zuerst ging Neele ein paar Runden im Schritt, fing dann selbstständig an zu traben und versuchte auch zu galoppieren.
„He, Neele, es war von einer Schrittrunde die Rede“, rief ihr Vater.
„Ach, er ist doch ganz lieb“, entgegnete sie freudig.
Tim, der sah, dass sich Neele auf dem Fuchs sehr wohlfühlte, fragte: „Willst du auch ein bisschen springen?“
Neele nickte und nachdem sie über ein paar auf dem Boden liegende Stangen getrabt war, überwand sie kleine Hindernisse in Form einer Acht. Sie konnte gar nicht damit aufhören. Immer wieder drehte sie die gleiche Runde und strahlte völlig unbekümmert ihre Zuschauer an.
„Jetzt hat der arme Kerl aber genug getan“, sagte Frau Falkenberg. „Reite ihn bitte trocken! Er ist ganz verschwitzt.“
Auch Vater und Sohn Langen freuten sich über die gelungenen Ritte.
„Unser Lehrmädchen hat inzwischen ein zweites Pferd fertig gemacht, das infrage kommen könnte“, wandte sich Herr Langen an Luisa. „Willst du es reiten? Dann hast du einen Vergleich.“
Luisa war verwirrt. Noch ein Pferd? Sie hatte sich bereits entschieden. Eigentlich wollte sie jetzt kein anderes Pferd mehr reiten, sondern den Fuchs absatteln und in seine Box bringen und einfach noch ein bisschen bei ihm sein.
„Dieser Braune ist aus einer Holsteiner Zucht“, erklärte Herr Langen. „Sechsjährig. Er hat mit Tim schon einige Turniererfahrungen gesammelt. Der Wallach ist ein mutiges, unerschrockenes Pferd.“
„Das hört sich gut an“, bestätigte Herr Falkenberg. „Bei dem wissen Sie, wie er sich auf dem Turnier verhält. Ich vermute, dass er teurer ist als der Fuchs.“
„Ja, das hat natürlich auch seinen Preis.“
Tim Langen ritt den Braunen vor. Luisa bemühte sich, ein wenig Interesse für ihn aufzubringen. Doch für sie waren die Würfel bereits gefallen. Sie wollte den Fuchs haben. Wie er wohl hieß? Er musste jedenfalls einen besonders hübschen Namen bekommen, weil er so unglaublich hübsch war. Nachher würde sie auf jeden Fall noch einmal zu ihm gehen und ihn streicheln.
Noch in Gedanken setzte sie sich auf das andere Pferd. Aber sofort fühlte sie sich unwohl. Er hatte einen breiten, groben Hals, sein Schritt war holprig und die Fellfarbe matt. Dieses Pferd wollte sie nicht reiten. Hilfe suchend sah sie zu ihrer Mutter, die ihr jedoch nur aufmunternd zunickte. Luisa versuchte ihr Bestes zu geben, doch sie war verkrampft.
Zunächst ging noch alles gut. Aber dann heizte sich das Tier zunehmend auf, es wurde immer schneller. Den Braunen störten die klopfenden Unterschenkel seiner Reiterin. Auch ihre Hände waren unruhig. Das Pferd war irritiert. Vater und Sohn Langen hatten alle Mühe, ihn mit ihren Stimmen zu beruhigen. Sie gaben Luisa viele Hinweise. Doch die Unruhe wuchs und das Mädchen wurde immer unsicherer.
Ängstlich beobachtete Luisas Mutter das Schauspiel von der Bande aus. „Thomas“, flüsterte sie, „müssen wir hier nicht mal eingreifen? Ich mag mir das gar nicht ansehen.“
„Ach, wartʼs ab. Die Langens kennen sich aus. Die wissen, was sie tun.“
Luisa nahm allen Mut zusammen, ritt die Sprünge an und da passierte es. Sie kam unpassend an, setzte das Pferd in einen Sprung hinein, eine Stange zerbrach und Luisa fiel herunter. Ihre Mutter hielt sich vor Schreck die Augen zu. Ihr Vater kam sofort angerannt.
„Hast du dir wehgetan? Hast du dich verletzt?“ Luisa schaute ihn benommen an, schüttelte dann aber den Kopf. Er reichte ihr die Hand und zog sie hoch. Mit wackeligen Beinen stand sie neben ihrem Vater. Derweil rannte das Pferd eine Runde nach der anderen wild in der Halle herum, machte Bocksprünge und die Zügel zerrissen.
„Ich habe doch geahnt, dass das nicht gut geht“, murmelte Frau Falkenberg.
Nach vielem guten Zureden gelang es Vater und Sohn Langen, den Braunen wieder einzufangen. Erst danach hatte auch Herr Langen Zeit, Luisa zu fragen, ob sie sich wehgetan hätte.
Sie lächelte schwach. „Ach, es geht schon, aber die zerbrochene Stange und die zerrissenen Zügel, das tut mir sehr leid. Ich glaube, ich werde nie eine gute Reiterin.“ Erneut kam die Unsicherheit in ihr hoch. Da sah man es wieder. Vielleicht wäre ihr Schimmel mit einem anderen Reiter doch ein gutes Springpferd geworden.
„Papperlapapp“, beschwichtigte Herr Langen, „der Braune ist einfach nicht das richtige Pferd für dich.“
Herr Langen war so nett. Wenn sie ihm nur glauben könnte. Sie nahm ihre Reitkappe ab und strich sich ihre braunen Locken aus dem Gesicht. Dann klopfte sie den Sand von der dunklen Reithose ab und lief geknickt zu ihrer Mutter. „Ach Mama, wenn mir das auch mit dem Fuchs passiert? Was ist dann? Muss ich dann mit dem Reiten aufhören?“
„Also Luisa, zum einen hat es eben mit dem Fuchs sehr gut geklappt. Ihn haben deine unruhigen Schenkel nicht gestört. Zum anderen kennst du beide Pferde gerade mal ein paar Minuten. Es wird eine Weile dauern, bis ihr euch zusammengerauft habt. Dabei wird es auch Tiefpunkte und Rückschläge geben. Schließlich bist du kein Profi und schon auf dem Pferderücken geboren worden.“
„Mama, was ist ein Profi?“, wollte Neele wissen.
„Das sind die Leute, die den Reitsport zu ihrem Beruf gemacht haben. Das heißt, sie verdienen ihr Geld damit.“
„Das will ich auch machen. Dann kann ich jeden Tag bei den Pferden sein und muss nicht in die doofe Schule.“ Vor lauter Freude über diese Aussicht hopste Neele im Kreis herum. „Ich werde Profi, ich werde Profi“, sang sie.
Luisa schnauzte Neele an: „Jetzt hör auf mit dieser blöden Singerei. Du bist noch viel zu klein.“
Neele streckte ihrer Schwester die Zunge heraus. „Olle Zicke!“
„Na, na ihr beiden, nun benehmt euch mal. Wir