Jörg Weigand

Die Welten des Jörg Weigand


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deren Übersetzung zugleich in einem Begleitschreiben die Umstände der Auffindung aufgezeigt, darüber hinaus einige notwendige Anmerkungen zum Planeten Maa-do und zur Rasse der Maa gegeben.

      Im Folgenden soll zunächst dieses Begleitschreiben Polachewskis vorgelegt werden, da erst nach dessen Lektüre einige Einzelheiten des Maa-Dokuments begreiflich erscheinen. Danach folgen die beiden Teile des Dokuments in der Übersetzung Polachewskis, die der Schreiber dieser Zeilen nur an einigen wenigen Stellen stilistisch etwas geglättet und modernisiert hat. In einer abschließenden Bemerkung sollen dann noch die kargen Ergebnisse eigener Recherchen über den heutigen Stand auf Maa-do aufgezeigt werden.

      Eine Einordnung in den geschichtlichen Gesamtzusammenhang ist auf Grund dieser doch sehr spärlichen Unterlagen selbstverständlich nicht möglich, doch kann vorsichtig formuliert werden, dass das Maa-Dokument trotz aller Vorbehalte bereits wertvolle Einblicke in die psychologische Konstitution einer Fremdrasse gewährt. Bleibt zu hoffen, dass eventuelle weitere Funde, so unwahrscheinlich sie im Augenblick auch erscheinen mögen, hier irgendwann für zusätzliche Aufhellung sorgen werden.

      Lund Samwall, Oberarchivar

      Zentralstelle für Dokumentation von Fremdrassen

      Terra-City, 19. Tag im 3. Monat d. J. 1078 n. D.

      Polachewskis Begleitbrief

      Maa-do, im siebenten Monat d. J. 723 n. D.

      An Zentralarchiv

      Dokumentation Fremdrassen

      Terra-City, VBW

      In Erfüllung von § 5 meines Arbeitsvertrages mit der Explorerflotte, der mir das Sammeln von Dokumenten über Fremdrassen und deren Weitergabe an das Zentralarchiv zur Aufgabe macht, reiche ich in Anlage die Fragmente eines Berichtes ein, der auf dem Planeten Maa-do (d. i. »Welt der Maa«) entstanden ist.

      Maa-do ist der fünfte Planet der Sonne Mi-ra (d. i. »Gott des Lichts«), etwa 860 Lichtjahre von unserem eigenen Sonnensystem entfernt. Vor rund zwei Jahrzehnten erkundete ein Scoutschiff der Explorerflotte zum ersten Mal das Mi-ra-System und katalogisierte in groben Zügen den fünften Planeten, der sich als einziger als bewohnbar und bewohnt erwies. Vor zwei Jahren wurde ich als Xenobiologe auf Maa-do abgesetzt, um mittels einer Feldstudie das Verhalten der Eingeborenen, der Maa (d. i. »Geschöpfe«), zu untersuchen.

      Die Maa gehören zu den Hominiden; sie messen zwischen 90 und 120 Zentimetern Körpergröße, gehen aufrecht und haben sechs Finger an jeder Hand und sechs Zehen an den Füßen. Sie verfügen über unwesentlich mehr Haarwuchs als wir Menschen. Die Sprache der Maa ist reich an Worteinheiten und erinnert in der Sprachstruktur ein wenig an das irdische klassische Chinesisch, das heißt, die Sprache kennt so gut wie keine Grammatik; lediglich über die Syntax wird dem einzelnen Wort der genaue Bedeutungsinhalt und seine Funktion im Satzzusammenhang zugewiesen.

      Maa-do, der Planet, besitzt eine Achsneigung ähnlich Terra, der breite Mittelgürtel quer zur Polachse verfügt durchschnittlich über ein fast mediterranes Klima; gegen die beiden Pole hin allerdings nimmt die Wärme rasch ab bis hin zu erbitterter, ewiger Kälte. Die Maa, einzige intelligente Spezies dieser Welt, leben in jenem Mittelstreifen. Technische Errungenschaften sind ihnen fremd, selbst das Rad ist noch nicht erfunden. Dennoch verfügen sie über eine – auf mehr geistiger Ebene basierende – Zivilisation. Sie führen ein ruhiges Leben als Bauern und sporadische Jäger.

      Dieses eben Geschriebene basiert weitgehend auf Vermutungen bzw. auf den Beobachtungen einer einzigen Großfamilie von genau siebzehn Individuen. Es ist mir in den zwei Jahren meines Aufenthalts auf Maa-do nicht gelungen, weitere Maa-Leute aufzustöbern, obwohl ich mit dem Schweber weite Vorstöße in alle Himmelsrichtungen unternommen habe.

      Die Maa leben dem Jahresrhythmus angepasst, der ihnen drei Ernten schenkt. Nahrungsmangel scheint demnach nicht die auslösende Ursache für die gravierende Dezimierung an Individuen zu sein. Ich vermute, dass das beigelegte Dokument dem Kundigen einen Schlüssel zum Verständnis des Maa-Schicksals bietet.

      Ich erhielt die fünf Blätter während einer der drei jährlichen Erntedankfeste, die dem Gott Mi-ra, also der Sonne dieses Planeten, gelten. Zuvor schon hatte ich ab und an vom »Vater der Zukunft« gehört, wenn ich bei abendlichen Gesprächen oder auch während der täglichen Feldarbeit versuchte, Einzelheiten der Vergangenheit zu ergründen. Der »Vater der Zukunft« scheint im Denken der Maa, zumindest aber dieser Großfamilie, eine tragende Rolle zu spielen. Einzelheiten aus dem Dokument, das die Flucht in den Norden anlässlich einer Seuche beschreibt, vermögen Aufschlüsse über den Mann zu geben, der später mit dem Ehrennamen »Vater der Zukunft« bedacht wurde.

      Die fünf Blätter des Dokuments, in der Rundbogenschrift der Maa abgefasst, sind vor und während des Marsches in den Norden beschrieben worden. Der Mittelteil des Berichts fehlt leider, er scheint verloren gegangen zu sein. Wenigstens förderte eine auf meinen Wunsch durchgeführte Suche keine weiteren Blätter zutage.

      Die dem Maa-Dokument beigegebene Übersetzung habe ich zusammen mit meinem alten Freund Lu-a, dem Oberhaupt der Großfamilie, angefertigt. In strittigen Fragen habe ich seinen Anregungen und Interpretationen Folge geleistet. Im Übrigen wurde darauf geachtet, den Inhalt der Papiere mit der gebührenden Sorgfalt wiederzugeben.

      In Erwartung des Schiffes, das mich ins Plaje-System zu einem neuen Einsatz befördern soll,

      Heribert Polachewski

      Das Maa-Dokument, erster Teil

      »… schlechte Kunde aus allen Himmelsrichtungen: Es scheint, als sei die Rote Seuche wieder ausgebrochen. Die Stammesältesten haben sich bereits gestern zu einer Beratung zurückgezogen, die – wie üblich – mehrere Tage beanspruchen wird. Bo-o, unser noch junger Anführer, wird sich bei diesen Beratungen zum ersten Mal richtig bewähren müssen. Wer aber kann sagen, was wird, wenn die Rote Seuche nicht zum Stillstand kommt?

      (Einige Zeilen im Original nicht mehr zu entziffern. H. P.)

      Wir opfern jeden Tag mehrmals; Mi-ra möge uns gnädiger gestimmt werden! Seit Tagen regnet es, die Ernte verfault auf den Feldern. Unser Gott zürnt mit seinem Volk. Die Weise Urfrau möge uns helfen, einen Weg zur Besänftigung des zürnenden Mi-ra zu finden.

      Die Ältesten haben ihre Beratungen beendet. Bo-o konnte sich mit seinem Vorschlag nicht durchsetzen. Seine Idee war, vor der Roten Seuche nach Norden auszuweichen. Er verweist auf die Heilige Überlieferung, die davon spricht, dass in den Nordgebieten das Heilmittel zu finden sei, falls einmal die Große Krankheit ausbrechen sollte. Doch weiß man, ob mit dem Begriff ›Große Krankheit‹ die Rote Seuche gemeint ist? Darauf hat Ta-u, der Rivale Bo-os nicht nur im Rat der Stammesältesten, sondern auch um die Gunst von Ba-i, der Tochter von Sa-a, dem Breitkornanbauer, zu Recht hingewiesen. Die Heilige Überlieferung sei nur eine Sage, und im hohen Norden gebe es keine Möglichkeit zu überleben. Ich warte, dass … (Unleserlich. H. P.)

      Sa-a ist gerade aus dem Nachbardorf gekommen. Dort sind alle tot. Sa-a hat geschworen, dass er nichts und niemanden berührt hat, aber alle hier haben Angst. Wir haben ihn gezwungen, wegzugehen. Ba-i, seine schöne Tochter; hat sich ihm angeschlossen, nachdem es ihr nicht gelungen war, das Dorf umzustimmen. In der Angst waren sich alle einig. Am ärgsten hat sich Ta-u, der immer um Ba-is Gunst buhlte, gegen das Verbleiben ihres Vaters im Dorf ausgesprochen.

      Doch vielleicht ist es schon zu spät, und Sa-a hat die Ansteckung bereits eingeschleppt. Möglicherweise hat Bo-o mit seinem Vorschlag doch recht, auf jeden Fall wird sich der Rat der Ältesten noch einmal damit befassen.

      Seit gut zehn Wochen sind wir auf der Wanderung. Bo-o führt uns in die Gebiete des Nordens, nachdem der Ältestenrat nach nur eintägiger Beratung beschlossen hat, seinem Vorschlag zu folgen. In den letzten Wochen war wenig Gelegenheit auszuruhen, daher musste diese Niederschrift warten. Heute haben wir eine etwas längere Rast eingelegt, denn wir haben die ersten Ausfälle. Für viele Maa sind die Anstrengungen zu groß, sie bleiben zurück, denn tragen können wir sie nicht. Wir haben die Rote