Lisbeth Pahnke

Britta und die Pferde


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nämlich noch etwas mitgebracht: Einen Schellenkranz!“

      „Du hast tatsächlich einen richtigen Schellenkranz gefunden“, rief ich begeistert. Am liebsten hätte ich ihn vor Freude umarmt. „Thomas! Sieh mal! Diesen wunderbaren Schellenkranz können wir morgen Rauhbein umhängen.“

      Alle liefen herbei, um den Schellenkranz zu schütteln und den Klang seiner Glocken zu bewundern.

      „Was hast du dir da für einen netten Jungen geangelt“, hänselte mich Kicki später.

      „Wieso geangelt“, murmelte ich mit hochrotem Kopf. „Lasse kenne ich schon seit vielen Jahren.“

      „Verdammt“, sagte Thomas. „Jetzt hätte ich beinahe etwas Wichtiges vergessen.“

      „Was denn?“ wollten Kicki und ich gleichzeitig wissen.

      „Ich muß Lasse noch fragen, ob er morgen mitreitet. Dann hätten wir zwei Füchse an der Spitze des Zuges und Kicki kann auf Lord Peter neben Patrik hinter dem Schlitten reiten …“

      „Ich soll Lord Peter reiten? Und wen willst du reiten?“

      Kicki sah aus wie ein lebendes Fragezeichen.

      „Ich wollte mir die große Ehre zuteil werden lassen, den Schlitten mit Lucia zu lenken“, grinste Thomas. „Du kannst natürlich auch Agnetas Pferd reiten …“

      „Niemals“, protestierte Kicki.

      „Also abgemacht“, entschied Thomas. „Dann brauche ich nur noch Lasses Zustimmung.“

      „Hoffentlich fällt bis morgen noch etwas Schnee“, meinte ich besorgt. „Sonst wird es für Rauhbein schwer, den Schlitten zu ziehen.“

      „Dafür muß Thomas sorgen.“ Kicki war immer noch ziemlich sauer. „Er kann doch sonst alles so vorzüglich organisieren.“

      In diesem Augenblick kam Hasse zu uns in den Stall.

      „Ich habe die Fackeln für morgen“, berichtete er. „Und für diejenigen, die auf den großen Pferden reiten, weiße Zottelpelze.“

      „Ich als Kutscher kann meinen grauen Pelz anziehen“, schlug Thomas vor. „Britta und die Ponyreiter sollten nach Möglichkeit rote Jacken tragen.“

      „Damit wir wie Heinzelmännchen aussehen“, lachte ich. „Aber das läßt sich machen. Die meisten haben rote Jacken und die anderen können sich welche ausleihen.“

      „Apropos Heinzelmännchen. Wir brauchen einen starken Heinzeimann, der Billy am Zügel führt.“

      „Pah“, widersprach Martin bockig. „Wieso darf ich plötzlich nicht allein reiten?“

      Hasse und Thomas hielten an ihrer Meinung fest. Ich stimmte ihnen auch zu.

      „Wenn du nicht einverstanden bist, bleibt Billy im Stall“, bestimmte Hasse. „Wir wissen alle nur zu gut, wie unberechenbar Billy ist. Wenn er Lust hat, brennt er plötzlich in Richtung Stall durch und reißt die anderen Pferde mit sich. Den Luciazug können wir dann streichen.“

      Martin murrte zwar, aber er mußte sich fügen.

      „Ich fahre schnell zu Dr. Södergren und spreche mit Lasse“, erklärte Thomas. „Kommst du mit, Kicki?“

      Ein nächtlicher Festzug hoch zu Roß

      „Hat jemand ein Paar alte braune Fingerhandschuhe gesehen?“ rief ein aufgeregtes Heinzelmännchen und suchte in allen Ecken.

      „Dort liegen welche.“ Ich zeigte auf den Fußboden vor Organdies Box.

      „Nein, die sind viel zu schön“, lachte das Heinzelmännchen. „Die Handschuhe, die ich suche, habe ich für meinen Vater gestrickt, aber er wollte sie nicht haben. Sie waren ihm zu häßlich …“

      Der Stall wimmelte von erwartungsvollen Kindern, die Pferde striegelten und Hufe auskratzten. Noch hatte niemand mit dem Satteln angefangen.

      Ich ging schnell zurück in meinen kleinen Stall, um Silber weiterzubürsten. In der anderen Box kümmerte sich Martin um Billy. Um ihn herum lungerten seine schlaksigen Mopedfreunde. Sie folgten ihm immer auf Schritt und Tritt, wie ein zweiter Schatten.

      Ich holte Silbers alten, abgenutzten Passiersattel. Ich liebte diesen Sattel. Ich würde ihn nicht gegen einen neuen eintauschen, denn es dauert lange, bis ein Sattel richtig eingeritten ist.

      Es machte immer wieder Spaß, Silber zu zäumen. Er sperrte sein Maul bereitwillig auf, sobald er das Klirren der Trense hörte. Er konnte es kaum erwarten, hinausgeführt zu werden, so neugierig war er. Er ging mit mir durch dick und dünn – wie ein richtiger Freund.

      Allmählich versammelten sich alle auf dem Hof. Es war schon dunkel draußen. Im Schein der Lampe über der Stalltür sah alles ein bißchen unwirklich, beinahe geisterhaft aus. Hasse und Thomas spannten Rauhbein vor den Schlitten. Das war nicht schwierig, denn das Fjordpferd war daran gewöhnt. Es zog den Schlitten sogar gern. Und heute – mit dem Schellenkranz um den Hals – war es besonders stolz.

      Zum Schluß kam Agneta. Es war ein feierlicher Anblick, als sie in ihrem langen weißen Pelz und mit einem Lichterkranz auf dem Kopf neben Thomas Platz nahm. Den Schlitten hatten wir mit Tannenzweigen und Lametta geschmückt. Das sah nicht nur hübsch aus, sondern roch auch gut.

      „Kommt Patrik nicht zu nah. Er könnte ausschlagen“, warnte Lotta. Sie war nervös, weil die Kleinen mit ihren Ponys überall umherwirbelten. Patrik war Hasses junger Halbblutwallach, und Lotta war sein Stallknecht. Sie war überglücklich, daß sie im Luciazug mitreiten durfte.

      Martin hatte schon einen kräftigen Heinzelmann zugeteilt bekommen, der den unruhigen Billy am Halfter führte. Die blaßgelbe Sessan mit ihren verspielten Ohren wollte nicht Stillstehen, als Susanne in den Sattel kletterte. Der Russe Lillebror, ein richtiger kleiner Strolch, sauste mit Pia von einem Pferd zum anderen und neckte sie, bis alle böse auf ihn wurden. Der alte Scheck sprang erschrocken zur Seite, wenn die großen Pferde ihm zu nahe kamen.

      Der Hof wimmelte von Pferden und Menschen, als Lasse in raschem Trab auf uns zukam. Die Pferde hoben ihre Köpfe und spitzten neugierig die Ohren.

      „He, willst du auch noch zur allgemeinen Kopflosigkeit beitragen?“ rief ich fröhlich. Lasse lachte. Seine Augen strahlten. Das taten sie oft. Wahrscheinlich fühlte ich mich deshalb in seiner Nähe so geborgen.

      „Kannst du eine Fackel in der Hand halten, oder scheut dein Pferd dann?“ fragte Hasse, der mit einer brennenden Fackel auf Organdie saß Die nervöse Stute vertraute Hasse und kümmerte sich nicht um das knisternde, funkensprühende Feuer.

      „Cayenne hat keine Angst“, antwortete Lasse und klopfte anerkennend den Hals seines Pferdes. „Er läßt sich durch nichts aus der Ruhe bringen.“

      „Gut“, meinte Hasse. „Dann versuche ich jetzt, aus diesem Tohuwabohu einen Luciazug zu bilden …“

      Er dirigierte seine heiße Vollblutstute lässig durch das Gewühl aufgeregt schnatternder Kinder. Organdie verhielt sich völlig ruhig. Das lag nur an Hasse. Ich bewunderte ihn. Er war der beste Reiter, den ich kannte. Es war egal, was für ein Pferd er ritt, er verstand sie alle. Und die Pferde taten für ihn immer ihr Bestes.

      „Es schneit“, erzählte Lasse. „Den ganzen Weg hierher fielen winzige Schneeflocken auf mein Gesicht.“

      Tatsächlich. Es schneite. Kleine, eisige Flocken.

      Lasse nahm eine Fackel und ritt mit Hasse an die Spitze des Zuges. Dahinter kam Thomas im Schlitten mit Lucia – Agneta war eine wunderschöne Lucia, mit der Lichterkrone auf ihren langen blonden Haaren.

      Als der Zug sich in Gang setzte, und die Glöckchen des Schellenkranzes fröhlich läuteten, verstummte das Schnattern der Kleinen. Kicki und Lotta ritten auf ihren dunklen Pferden hinter der strahlendhellen Lucia. Auf den Kufen des Schlittens standen kleine, rote Heinzelmännchen – alle mit Fackeln in den Händen. Sie bildeten auch den Schluß hinter