Lise Gast

Josi und ihre Freunde


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also!“ sagte er aufatmend, als sie sich im ersten Saal zusammenfanden. Die Knie zitterten ihm noch. Aber das sah ja niemand. „Wie habe ich das gemacht?“

      „Denkbar blöde“, sagte Leo, „wenn wir nicht gehandelt hätten...“

      „Ach, zankt euch nicht, ich finde es herrlich, daß wir drin sind“, rief Josi dazwischen. „Was macht man nun? Wie geht’s los?“

      Vor ihr schwebte ein nackter weiblicher Rücken vorbei, auf den ein riesengroßes Fragezeichen gemalt war. Sie vergaß, den Mund zu schließen.

      „Es zieht, Kleiner, mach die Futterluke dicht!“ rief jemand. Ein Matrose stand neben ihr und lachte, als sie herumfuhr.

      „Du bist wohl Muttern durchgebrannt, ja? Ohne Schularbeiten zu machen?“

      „Wer sind Sie denn?“

      „Sie“, prustete der Matrose. „Sie. Darf ich Sie vielleicht drauf aufmerksam machen, daß Sie sich auf dem Fasching befinden?“ Er gab ihr einen Klaps auf die Hose und entschwand. Josi sah sich hilfesuchend um. „Leo, ist das hier so?“

      „Ja, Josi, das ist hier so. Komm, tanz erst mal mit mir, du mußt dich akklimatisieren.“

      „Fein, Helga? Sag, daß es dir gefällt!“ drängte Ulrich. Sie ließen sich auf eine Bank neben der Kapelle fallen, man konnte sein eigenes Wort kaum verstehen. Helgas Haar hing voll Konfetti, und Papierschlangen ringelten sich ihr um Hals und Schulter. Sie zog die Füße an sich, damit die Tanzenden nicht drüberfielen.

      „Ja. Ja, natürlich“, sagte sie. Es klang nicht ganz echt. Ulrich schob den Tropenhelm hoch, ihm war entsetzlich heiß.

      „Wo sind denn die andern?“

      „Keine Ahnung. Guck mal, dort, der Kerl! Das soll wohl ein Auto sein? Eine Hupe hat er auch. Und da...“

      „Willst du etwas trinken, Helga? Wollen wir Sekt trinken? Zur Feier meines Romans? Ja, Helga?“

      „Ich weiß nicht – da ist Josi. Ruf sie doch mal!“

      Josi entschlüpfte ihrem Tänzer und klemmte sich neben Ulrich auf das Bankende. Sie sah jetzt einfach süß aus, mit roten Backen und springlebendig, wirklich wie ein kleiner Junge.

      „Sitzt ihr hier? Ich hab’ euch ewig nicht gefunden.“

      „Weißt du nicht, wo Leo ist? Wir wollten eben zu Sekt übergehen.“

      „Au fein! Sieh mal den Alten dort, dem rutscht die Perücke weg! Und der dort! Ist der eine Lifaßsäule?“

      „Bleibt mal hier sitzen, damit ich euch wiederfinde. Ich hol’ jetzt was zu trinken“, sagte Ulrich.

      Josi strahlte Helga an. „Na, ist es nicht herrlich?“

      „Ja, schon, aber...“ Helga lächelte pflichtschuldigst. Sie fand das Ganze ziemlich beängstigend und schüttelte den Kopf, als ein Maharadscha nach ihr griff, um mit ihr zu tanzen.

      „Wir sollen doch hier warten.“

      „Ach so. Und du? Wartest du auch?“ fragte er Josi.

      Josi hatte den hier herrschenden Ton inzwischen erfaßt.

      „Auf dich bestimmt nicht“, sagte sie schnippisch. Gerade erspähte sie Leo, winkte ihm zu und rief: „Männe, hallo!“ Als er sie nicht hörte, steckte sie zwei Finger in den Mund und pfiff. Es schrillte durch die eben verklingende Musik, laut und lausejungenhaft, aber es paßte irgendwie in die Stimmung im Saal.

      „Du bist richtig“, sagte der Maharadscha und hatte sie schon gepackt. Sie gab nach und tanzte davon, riß sich dann wieder los und kehrte zu Helga zurück. Eben kam Ulrich, zwei Sektgläser vorsichtig vor sich her balancierend. „Komm, Helga, trink...“

      „Wie spät ist es eigentlich?“ fragte Josi und wischte sich über das Gesicht. Sie hatte gerade einen unendlich langen Walzer mit einem Fremden getanzt, der nicht besonders gut führte. Oder lag es an ihr? Immerzu kam sie aus dem Takt. Sie war froh. Leo erwischt zu haben. „Drei, glaube ich. Bist du müde?“

      „Eigentlich ja“, sagte sie ein bißchen kleinlaut. Sie hockten sich auf die Stufen einer Treppe und verschnauften. Josi gab Leo einen kleinen Stoß. „Und du?“

      „Ach, ich...“

      „Hast du keine Lust mehr?“

      Leo stützte die Ellbogen auf die Knie, grub die Fäuste in die Backen und starrte vor sich hin.

      „Sei nicht böse, Josi“, sagte er leise. „Ich will dir den Abend nicht verderben.“

      „Aber wieso denn?“ Sie wurde aufmerksam und sah ihn an. Er kannte das an ihr, sie hatte so einen eindringlichen und unbestechlichen Blick, wie ihn eigentlich nur eingeschüchterte Kinder haben. Ganz so sah sie auch aus, das Haar verwildert – die Mephistohörner waren längst dahin – und das ungeschminkte Gesicht so offensichtlich und treuherzig besorgt.

      „Was ist denn mit dir? Sag!“

      „Ach, Josi...“ Er legte den Kopf schräg in die linke Hand und zog mit der rechten ihre kleine, schmalschultrige Gestalt an sich. „Ich hab’ heute abend was erfahren, was nicht zum Karneval paßt.“

      „Was denn?“ fragte sie erschrocken.

      „Willst du es wirklich wissen? Ich hab’ erfahren, daß das Mädel, das ich seit Jahren heiraten will, mich nicht mag. Sondern vielmehr einen anderen.“ Er sprach in einer ironischen, sich selbst verhöhnenden Art, die Josi noch nie bei ihm erlebt hatte. Sie war ganz erstarrt, aber faßte sich sofort.

      „Leo, das ist doch nicht möglich! Dich nicht mögen! Irrst du dich auch nicht?“ Ein Verdacht schoß in ihr auf. „Bist du etwa...“

      „Betrunken, nein“, sagte er rauh. Natürlich, er hatte etwas getrunken, aber nur zwei oder drei Gläser. Josi legte beide Hände auf seinen Arm. „Aber Leo, Leo! O Gott, tut mir das leid. So ein blödes Mädel! Weißt du“, fuhr sie etwas ungeschickt fort, sie wollte unbedingt etwas Tröstliches sagen, „das muß aber eine Gans sein, wahrhaftig. Dich nicht mögen. So einen feinen Kerl!“

      Leo lächelte trübe. „Würdest du mich denn mögen, Josi?“

      „Ich? Ich will doch...“ Ulrich, hatte sie sagen wollen. Sie schluckte es noch rechtzeitig hinunter. „Ich will doch... überhaupt noch nicht heiraten“, vollendete sie verwirrt.

      „Ach Josi.“ Er legte, ohne sie anzusehen, seinen Arm um ihren Hals, wie sie so neben ihm saß. „Siehst du, du willst mich auch nicht.“

      „So ein Unfug.“ Josi sprach jetzt ganz erbittert. „Ich würde dich auf der Stelle mögen!“

      „Wenn?“

      „Ach Quatsch, du weißt, wie gern ich dich hab’. Nun sei nicht mehr traurig.“

      „Leicht gesagt. Aber du hast recht: Lache, Bajazzo!“

      Sie hatte ihn noch nie so bitter gesehen. In verzweifeltem Mitleid legte sie die Arme um seinen Hals.

      „Genier dich nicht, Kleine“, ermunterte ein buntbemalter Clown, der jetzt die Treppe herunterkam, „er hat den Katzenjammer, aber das geht vorbei. Tröste nur feste.“

      „Ach, halten Sie doch den Mund!“ fuhr Josi auf. Dann nahm sie Leos Hand. „Komm, wir wollen weg. Ich mag nicht mehr.“

      „Ich auch nicht“, sagte er und stand auf. Sie wühlten sich durch, der Garderobe zu, dort fiel ihnen ein, daß sie ja gar keine Mäntel mithatten.

      „Wir müssen einen Wagen nehmen, du erkältest dich sonst“, sagte Leo mechanisch. Sie stand an der Tür, während er nach einem Auto Ausschau hielt. Aber es kam keins. Schließlich erbeutete er eins. Josi stiefelte neben ihm durch den hohen Schnee. Es hatte frisch geschneit. „Komm, so!“ Er zog seine Jacke aus und legte sie ihr um die Schultern. Die frische und kalte Luft tat ihm wohl, er wurde wieder etwas klarer im Kopf. Ob sie etwas ahnte? Hoffentlich