Jack Vance

NOVA Science-Fiction 30


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finden wir in der Asche wieder.« Er hatte so gesprochen, wie Hidden es sah. Sie kannte ja keine Furcht. Auf diese Weise fühlte er sich ihr vertraut.

      Sein Blick schweifte durch das Transparent-Titan der Kuppel an den Horizont, den Wassereisgebirge säumten. Auf den vorgelagerten Methanseen, an deren Ufern in salzhaltigen Lachen Halophyten, Myzeten und Lichen wucherten, brannte mit Methanhydrat vermischtes Eis. Auf ganz Arethusa lagen mehrere Dutzend Kuppelbauten verteilt, jeder eine aufstrebende Mikropolis mit im Durchschnitt sechshundert Bewohnern, die nach Sedigeros’ Urteil Perlen in Muscheln glichen. Eine so gute Meinung hatte er von ihnen.

      Als plötzlich dumpf krachende Erschütterungen durch Arethusas’ globale Kruste dröhnten, überraschten sie niemanden. Neue Geysire versprühten Verflüssigungen aller Art. Denn seit Jahrzehnten schlingerte ein Zombie-Stern, eine nach ihrer Explosion ausgebrannte Sonne, durch die Randzonen des Systems α Sextantis (dessen düsteres Hauptgestirn eine Leuchtkraft von lediglich 4m,5 hatte) und verursachte spürbare gravitatorische Störungen. Bei engster Annäherung des verirrten Schlackebrockens dehnte sich Arethusa aus. Deshalb hatten Architekten, Ingenieure und Techniker das Transparent-Titan mit semi-intelligenten, adaptiven Assistenzmodulen nachgerüstet, die bei höheren Belastungen diaphragmische Granulat-Kachelmosaike erzeugten, die durch adhäsive Dilatation eine ausreichende Elastizität sicherstellten und auf diese Weise Schäden abwandten.

      Ursprünglich hatte man den Planeten als »Wagniswelt« eingestuft und Nastrond genannt, ein Name dubioser Herkunft, der angeblich eine »Stätte der Verdammten« bezeichnete. Später gestand man ihm, da er sich als Fundort des so außerordentlich bedeutsamen Fokos-Quarz erwies, die freundlichere Benennung Arethusa zu, also »Quelle«. Dadurch änderte sich nichts an der Tatsache, dass er sich für Menschen wenig eignete. Außerhalb der Kuppelstädte bedeuteten starke Schwerkraft und hoher Druck ein Problem. Vorerst konnte auf dieser Welt ohne den Schutz der Kuppeln, ihrer Innenatmosphäre und Gravo-Generatoren niemand überleben. Langfristige Planungen liefen hinaus auf eine gentechnische und adaptionschirurgische Anpassung der Arethuser an die Verhältnisse ihres Planeten. Durchstromlungen und Memory-Muskeln boten überzeugende Vorteile, aber der Gedanke an Facettenaugen stieß noch auf verbreitete Abneigung. Zusätzlich erfolgten im Rahmen eines kühnen Terraformingprojekts enorme Chlorophyll-Infusionen in die Atmosphäre. Chlorophyll enthielt Magnesium, das Hämoglobin im menschlichen Blut Eisen. Man hoffte, dass die elektromagnetische Strahlung der Sonnenenergie ihre Schwingungen auf ein mit Hydrometallogen angereichertes Hämoglobin übertrug und eine Ernährung durch Fotosynthese ermöglichte. Indessen fehlten dafür noch die biologischen Rezeptoren, zu deren Erlangung man an der Entwickelung totipotenter Zellen forschte. Allerdings galten diese Vorstellungen als sehr umstritten. Manche Forscher schätzten sie als unverwirklichbares Wunschdenken ein.

      »Sie sind da«, sagte Hidden so leise, als geschähe nichts Besonderes. Sedigeros nickte. Die Ortung zeigte ihm Entfernung, Größe und die einfachsten Biodaten der Katechumenen genannten Besatzungen der Stympaliden an. Jedes der beiden KKK-Raumschiffe, die eine Länge von einem Kilometer aufwiesen, hatte Personal in Stärke von rund dreitausend Individuen an Bord: Menschen, cyborgische Chimären und biotronische Upcycling-Animalia. Die Orlogiganten hatten die Form eines Kegelstumpfs, den in gleichmäßigen Abständen mittig drei flache Ringe umgaben, in denen sich die Batterien der Schiffsartillerie befanden. Zahlreiche Antennen etlicher Mess- und Zielgeräte garnierten den Bug, die kleinflächige Seite.

      Patrouillensonden wiesen den Ankömmlingen Parkorbitkoordinaten zu. Aus Hybris akzeptierte man sie ohne Einwände. Darauf hatten Sedigeros und seine Vertrauten Hidden und Dagger gebaut.

      Die KKK hätte Robot- oder Telepräsenz-Raumschiffe schicken können, wollte aber wohl gerne den Triumph über einen schwachen Gegner aus der Nähe erleben. Sedigeros erachtete diese Entscheidung als schon im Grundsatz unklug. Indessen scherte sie ihn nicht.

      Ein halblautes Läuten erregte Sedigeros’ Beachtung. »Und das ist die Kontaktaufnahme.« Sein Mittelfinger huschte über eine Sensortaste. Auf einem Monitor von sechzig Zentimeter Diagonale flackerten Pixel zu einem Konterfei zusammen. Anfangs hatte der Chefkoordinator einen pompösen Großbildschirm mit Holo-Ultra-HD-Qualität zur Verfügung gehabt, ihn jedoch demontieren lassen: Er mochte es nicht, wenn sein Gegenüber, und sah es nur scheinbar so aus, auf ihn herabglotzte.

      Der Kommandeur der zwei Megalo-Orlogiganten thronte in seinem Admiralodrom wie ein antiker Pharao. Gekleidet in die magentafarbene Admiralsuniform, auf der Leuchtfasern mit Abbildungen multisakraler Symbole glommen und aus deren Ärmeln geriffelte weiße Manschetten bis auf die Knöchel fielen, auf dem Haupt, das eine bläuliche Holo-Gloriole umgleißte, einen roten, mit wohl kabbalistischen Zeichen verzierten Baschlik, auf der Brust ein Ankerkreuz-Medaillon, saß er in arroganter Haltung auf seinem protzigen Kommandeurssessel, dessen hohe, halbrunde, mit einem Rollenfries im Pain-brulé-Farbton gesäumte Rücklehne auf traditionellem, grau-weißem Granatapfelmuster das Auge Gottes im Strahlenkranz schmückte. Mit Guilloche-Gravuren versehene Raupenglieder bildeten die geschwungenen Armlehnen. Die verarbeiteten Materialien erregten einen kostbaren Eindruck. Und doch, trotz allem, wirkte er auf dem kleinen Bildschirm mickrig und unwichtig.

      Konteradmiral-Imam Theophorus Asadullah L’Edefere, Nachfolger des glücklosen Admirals Chrestotes Rustam-Ali de la Forge (der noch heute den Spottnamen »Allahs Amboss« trug, weil die Intersolaren Guerillos des Autonomen Regionalsektors Pherhad und die Fedajin der Souveränen Enklave Al Tais ihn so oft geschlagen hatten), zählte für Götzengläubige zu den bekanntesten Theogonie-Heroen der Retheologisierung, für Liberalisten dagegen zu den berüchtigtsten Okkultkriminellen des Kosmos. Als Günstling des auch als »Lügenpapst« geschmähten »Reformtheologen« Primas-Kalif Kuschajim-Schelumiel II. stieg er schon in jungen Jahren vom schlichten Oblatenpater des Oblatorianer-Ordens zum Liturgikus und während langen Fronens auf zum Rhetor, Doktrinarius, Suggestor, Mystiker, Indoktrinator – extern bezeichnete man die Denkweise dieser Ränge als Stereoptype Normopathie – und zu guter Letzt zum Legaten. Dank der Protektion durch den Geheimdienstleiter des Empireums, des sogenannten Heiligen Schattens, von dem man nur hörte, dass er »Prophet« sein sollte, hatte er, als seinen Vorgänger Admiral de la Forge die Degradierung stürzte, von der Diplomatie nur einen kleinen Schritt zur militärischen Karriere vollziehen müssen. Seither war das Universum merklich gealtert.

      »Ich begrüße Sie in Arethusas Orbit, Exzellmir.« Sedigeros bemühte sich um einen heiteren Tonfall. »Falls irgendwelche makroökonomischen mammonistischen Handelsvorhaben Sie zu uns führen, werden Sie enttäuscht sein. Wir benutzen ausschließlich Schwundwährung.«

      L’Edefere verzog keine Miene, sondern breitete die Arme aus, als sähe er einen Grund, um Sedigeros zu segnen. »Im Namen Gottallahs des Allmächtigen: Giaur, ich verstehe Ihre Frage nicht. Ihnen ist mitgeteilt worden, wie unsere Forderung lautet.« Leider kannte er keinen Humor. Sein Ledergesicht sah nach Mottenfraß aus. »Wir sind Reflektanten auf das Fokos-Quarz. Sie müssen uns die Minen überlassen. Gottallah schaut Ihr Treiben und ist schnell im Rechnen.«

      »Wir sind’s auch.« Und zwar in mehr als einer Hinsicht. »Sie dürfen Quarz gegen für uns wünschenswerte Güter eintauschen, so wie andere Interessenten es praktizieren. Stattdessen künden Sie an, uns auszuplündern.« Der Countdown tickte. Restzeit fünf Minuten einundzwanzig Sekunden. Sedigeros versuchte sachlich zu bleiben, konnte sich allerdings ein paar deutliche Worte nicht verkneifen. »Ist das Maß der Habgier und Schlechtigkeit, das man von der Koalition kennt, noch nicht voll? Ihnen müsste doch klar sein, dass Missgunst ein Irrweg ist, der nichts einbringt.«

      »Ihre Bemerkungen grenzen an Blasphemie, Chefkoordinator.« Aus Frömmigkeit, also einer Mischung aus Hochmut und Demut, verdrehte der Konteradmiral-Imam die Augen an einen Himmel, der seinem Megalo-Orlogiganten ermangelte. »Es geschah in einem Augenblick prophetischer Entrückung, verursacht durch schrankenlose enthusiastische Gottesliebe, dass ich begriff: Wie kann es sein, dass Entartete etwas so Wertvolles raffen und es den Dienern Gottallahs verweigern? Denn Gottallah hat ja Macht über alle Dinge. Er hat eine Welt verheißen, deren ›Steine Eisen enthalten und aus dessen Gebirge du Erz hauen kannst‹.« Aus seiner Stimme troff salbungsvolle Verlogenheit. »Sie sind ein halsstarriges Völkchen mit verworfener Gesinnung. Daher rate ich, beachten Sie das Wort der Heiligen Schriften: ›Er fegt sie aus dem Lande