Jack Vance

NOVA Science-Fiction 30


Скачать книгу

Señor, ich dachte …«

      »Falsch gedacht, Pedro. Heute schlägt die Stunde der Wahrheit. Der Detektor findet auch Estrellas, hast du das gewusst?«

      Von plötzlicher Wut übermannt, warf Pedro sich auf seinen Peiniger. Es flammte rot vor seinen Augen, das Fieber, das seinen Körper zum Glühen brachte, verlieh ihm ungeahnte Kräfte. Er schleuderte Luiz in einen offenen Spind, doch der Mann passte nicht hinein. Immer wieder schlug er zu, bis Luiz’ Gegenwehr erlahmte. Dann drückte er mit aller Kraft, doch der Mann wollte sich den Dimensionen des Spinds einfach nicht anpassen. Er trat ihn in den Unterleib, hämmerte ihm die Fäuste gegen den Kopf. Schließlich ließ er von dem Bewusstlosen ab und wischte sich die blutigen Hände an der Hose ab. Keuchend zog er den Zettel aus der Tasche, spuckte auf die Rückseite und drückte sich das Papier auf die Stirn, mit der Botschaft nach vorn. Er hatte eine Mission, und dafür brauchte er beide Hände.

      Er ließ den Rucksack zu Boden gleiten, holte die Mitarbeiterkarte hervor und heftete sie sich an die Brust. In Straßenkleidung mischte er sich unter die Kongressdelegierten. Jetzt war er einer von ihnen. Er ging gemessenen Schritts, nickte nach rechts und nach links, als grüßte er alte und neue Bekannte. Der AnBot am Saaleingang ließ ihn passieren. Unwillkürlich steuerte er die Bühne an. Das Podium war unbesetzt. Wie er es im Fernsehen gesehen hatte, klopfte er aufs Mikro. Mittelschwerer Donner tönte aus unsichtbaren Lautsprechern. Auf einmal fühlte er sich stark und wichtig.

      »Meine Damen und Herren«, sagte er mit einer Stimme, die ihm fremd in den Ohren klang. »Gäste aus nah und fern, Besucher von den Sternen …« Auf einmal sah er sie wieder. Die Aliens saßen Seite an Seite mit den Menschen, und alle schauten ihn mit ernster Erwartung an.

      »Ich habe nichts Gutes zu verkünden«, fuhr Pedro fort. »Aber es kann etwas Gutes entstehen, wenn das Böse verhindert wird. In drei Tagen, nein in vier … jedenfalls am letzten Sitzungstrag wird ein Anschlag stattfinden. Ich weiß nicht wo, aber ich kenne die Uhrzeit. RITA flies at five p.m.«

      Zwei handgroße Kameradrohnen näherten sich mit leisem Sirren und richteten ihre starren Augen auf ihn. Auf dem riesigen Wandbildschirm wurde sein braunes, schweißüberströmtes Gesicht angezeigt. Perdo tastete nach dem Zettel, zog ihn von der Stirn ab und hielt ihn den Drohnen entgegen.

      »Diese Nachricht wurde mir zugespielt. Der Inhalt ist unmissverständlich. Ich fordere alle Verantwortlichen auf, zu verhindern, dass die Rakete …«

      Sie kamen von links, keine AnBots, sondern Menschen. Einer warf ihn zu Boden, ein anderer legte ihm den Arm um den Hals und drückte ihn die Luft ab, ein dritter löste einen kurzen Stab vom Gürtel und hielt ihn Pedro an die Schläfe.

      4

      »Hörst du das?«, fragte Maylin. Sie legte das Com auf den Boden, setzte die AR-Brille ab und lauschte mit schiefgelegtem Kopf.

      »Ich höre nur den verdammten Bambus rauschen«, sagte Kenshou.

      »Doch, da ist was. So ein Meckern.«

      »Vielleicht ein Vogel.«

      »Nein, ein großes Tier. Ich glaube ein Panda.«

      »Pandas kommen nicht hierher. Die leben weiter drinnen.«

      Sie befanden sich am Rande des größten Naturschutzgebietes von Shaanxi. Übernachtet hatten sie im Zelt. Der Anmarsch war mühsam gewesen, und ohne den Transportbot, der jetzt mit eingeknickten Beinen neben dem Zelt lag wie ein schlafendes Tier, hätten sie es nicht geschafft.

      »Ich hör’s auch«, sagte Hong unvermittelt. Er war aufgestanden und blickte Richtung Westen, wo der Bambus sich lichtete. »Es kommt vom Felsen.«

      »Dann sieh nach!«, zischte Kenshou. »Na los, geh schon! Und nimm das Pfefferspray mit.«

      »Ich gehe auch«, sagte Maylin.

      »Hast du die Daten schon überspielt?«, fragte Kenshou.

      »Noch nicht.«

      »Dann bleibst du hier.«

      »Das ist ein Panda«, sagte Maylin, als wäre dies ein Argument, das alle Einwände ausstach. In ihren Augen war es das auch. Sie studierte Informatik an der Universität Peking, doch ihr Interesse galt vor allem der Ökologie und ihre Liebe den Pflanzen und Tieren. Deshalb war sie auch der Umweltschutzgruppierung Freunde des Planeten beigetreten. Von der geheimen Untergruppierung der Planetenkämpfer hatte sie erst vor drei Tagen gehört, als ein Mann sie gefragt hatte, ob sie bereit sei, an einer geheimen Aktion teilzunehmen, die dem Schutz des Planeten diene. Für ihre Teilnahme hatte er ihr eine beträchtliche Aufstockung ihres Sozialpunktekontos versprochen, im Falle einer Ablehnung indirekt mit einem Studienverbot gedroht. Sie hatte widerstrebend eingewilligt, und schließlich hatte sich Kenshou bei ihr gemeldet. Er erklärte, ein Mann sei ausgefallen, und aufgrund ihrer Programmierfähigkeiten sei sie der perfekte Ersatz. So war sie in dem Naturschutzgebiet gelandet.

      »Einen Panda in freier Wildbahn sehen, das passiert mir vielleicht einmal im Leben«, sagte sie. »Nur fünf Minuten!« Die Angst, die sie während des Anmarsches verspürt hatte, war verflogen. Sie richtete sich auf und schlich hinter Hong her durch den Bambus. Es wurde immer heller, dann auf einmal hatte sie freie Sicht auf den Felsvorsprung. Sie kauerte sich neben Hong hinter einen Farn. Die Abschussvorrichtung mit der NH13 leuchtete in der Morgensonne wie ein Alienartefakt. Sie war ein Fremdkörper inmitten des grünen Bambuswalds. NH13 sei der kleinste Marschflugkörper der chinesischen Marine, hatte Kenshou erklärt, kaum zweieinhalb Meter lang. Die Reichweite betrage lediglich hundertzwanzig Kilometer, doch für ihre Zwecke sei das mehr als genug.

      Das Fusionskraftwerk Goldener Drache, das heute in Betrieb gehen sollte, lag am Rand des Naturschutzgebiets und war etwa fünf Kilometer Luftlinie entfernt. NH13 würde es nicht vollständig zerstören, die Inbetriebnahme aber um mehrere Jahre verzögern. Die gewaltigen Elektromagnete, die das Plasma bändigen sollten, waren hochempfindliche Apparate. Die hohe Störanfälligkeit war neben dem anfallenden radioaktiven Abfall der Grund, weshalb die Planetenkämpfer die Zerstörung des Kraftwerks für notwendig hielten. Kenshou hatte angedeutet, der Entscheidung seien harte Diskussionen im innersten Führungskreis vorausgegangen. Eine Minderheit habe die Ansicht vertreten, Fusionskraftwerke seien CO2-neutral und ungefährlich, weshalb sie keine Gefahr für die Umwelt darstellten. Maylin war gegen Atomkraft, egal in welcher Form, weshalb sie durchaus Sympathien für die Planetenkämpfer hatte. Trotzdem war sie bereit, ihre Pflicht zu tun. Es musste sein.

      »Es sind zwei!«, flüsterte Maylin aufgeregt. »Ein Männchen und ein Weibchen!«

      Das Weibchen hatte sich halb auf die NH13 gelegt und präsentierte dem Männchen ihr Hinterteil. Als er sich an ihr aufrichten wollte, fuhr sie herum und stieß ihn gegen die Brust, sodass er nach hinten purzelte. Sie fauchte ihn an und entfernte sich ein paar Meter.

      »Sie ist interessiert«, sagte Maylin. »Aber das kann sich hinziehen. Die Paarung kann bis zu zwei Stunden dauern.«

      »So viel Zeit haben wir nicht«, sagte Hong.

      »Warum nicht?«

      »Weil es bei einer politischen Aktion auf die Wirkung ankommt«, erwiderte Hong im Flüsterton. »Die Anlage soll zerstört werden, bevor die Regierung die Eröffnung bekannt geben kann.«

      »Außerdem wurde es so beschlossen«, sagte Kenshou. Er war plötzlich hinter ihnen aufgetaucht und ging neben ihnen in die Hocke. Das Gewehr hatte er geschultert. »Und wir halten uns an die Beschlüsse.« Er blickte Maylin an. »Geh zurück, lade die Koordinaten und mach das Ding scharf.« Er nahm das Gewehr von der Schulter.

      Maylin blickte zur Abschussvorrichtung. Sie bestand aus zwei zusammenklappbaren Dreibeinen, auf denen die Rakete ruhte. Das Pandaweibchen hatte anscheinend Gefallen daran gefunden. Sie rieb sich mit dem Hinterteil daran, während das Männchen begehrlich zuschaute. Die Tatzenhiebe des widerspenstigen Weibchens hatten ihn anscheinend eingeschüchtert. Die Ständer mit ihrer schweren Last schwankten bedrohlich.

      »Wenn das Ding