Michael Puntigam

Gesundheit durch die Kraft der Nahrung


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der Menschheit, sie ist die Anwendung und Praxis von Wissen, integriert als persönliche Erfahrung. Ein volkstümliches Gedicht, das ich einst vom 5-Elemente-Koch Horst Golser erhalten habe, dient mir als Leitfaden und verdeutlicht die Vielseitigkeit und zugleich Einzigartigkeit sowie den Zauber des Kochens.

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      Der Koch

       Ist Magier, in dessen Zauberkessel sich die Elemente in einem Alchemie-Prozess zu einer neuen Einheit verbinden.

       Ist Gelehrter, der um die Wirkung der einzelnen Ingredienzien Bescheid weiß.

       Ist Künstler, der aus verschiedenen Geschmacksnoten Gedichte zu komponieren versteht.

       Ist Architekt, der durch die Gestaltung des Ambientes dem Essen einen würdigen Rahmen verleiht.

       Ist Priester, der es versteht, göttliche Kraft in die Nahrung einfließen zu lassen.

       Ist Narr, der mit kindlicher Unbefangenheit scheinbar zufällig neue Gerichte kreiert.

       Ist Liebender, weil er es versteht, dass die gesunde Ernährung Wohlbefinden des Geistes erlaubt und die Grundlage entspannender Momente ist.

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      Das Leben lehrt, dass es uns nicht glücklicher macht, wenn wir tun und lassen können, was wir wollen. Im Gegenteil, die Ursachen von Leiden sind Ignoranz, Egozentrik und negative Gedanken. Glück ist etwas, das wir nicht von außen zuführen können, wenn, dann nur kurz, aber keinesfalls dauerhaft. Es ist eine bereits vorhandene Qualität in uns, die wir kultivieren müssen. Ein Grundstein für Glück ist, uns von schädlichen Zwängen unabhängig zu machen, etwas aufzugeben und damit in unserem Geist Freiheit zu schaffen. Glück bedeutet auch, etwas nicht zu tun, was anderen Lebewesen, einschließlich unserer Erde als lebendem Organismus, schadet. Unser Konsumverhalten bietet dafür ein breites Anwendungsgebiet.

      Wir müssen uns von der Vorstellung trennen, dass der Verzicht auf einzelne Produkte, wie etwa Zucker, Schokolade, Fleisch, Fertigprodukte etc., ein Verlust von Freiheit oder Lebensfreude ist. Das sind alteingesessene Glaubenssätze, an denen wir festhalten, sie sind ein Zwang, der unsere Freiheit einschränkt. Gerade der Verzicht auf diese Nahrungsmittel kann zu einem Gewinn an Lebensqualität und Unabhängigkeit führen, das kann man nur erleben, indem man es probiert. Außerdem: Wir essen viel zu viel, weil wir nicht gut kauen, weil wir „verzuckert“ sind und weil unsere Nahrungsmittel durch die Industrialisierung arm an echten Nährstoffen sind. Die Herstellung tierischer Lebensmittel ist in Bezug auf Wasserverbrauch, Landnutzung und Futtermittelverwertung weder ökonomisch noch ethisch vertretbar. Die Anbauflächen der Erde sind begrenzt, die steigende Weltbevölkerung macht es notwendig, eine Veränderung unserer Ernährung vorzunehmen, allein, um die Nachhaltigkeit der Böden und Wälder zu gewährleisten.

      Immer mehr Menschen verzichten auf Fleisch und Fisch und leben mittlerweile vegetarisch oder vegan. Nach vielen Jahren der Beschäftigung mit Lebensmitteln kann ich dies nur gutheißen und zu einer rein pflanzlichen, sogar veganen Ernährung raten. Das bedeutet konkret: sehr viel Gemüse (auch Rohkost), Obst, Beeren, viele frische Kräuter, Gewürzmischungen, Samen, Sprossen, Keimlinge und eine kleine Menge an Kohlenhydraten wie Kartoffeln und glutenfreie Alternativen wie Quinoa, Amaranth, Buchweizen, Hirse, Hafer und Naturreis. Nüsse, Leinsamen, Sesam, Chiasamen, Bohnen, Kichererbsen und Linsen liefern hochwertiges Eiweiß in pflanzlicher Form. Statt Kuhmilch empfehle ich Milchersatz aus Hafer, Mandeln, Reis, Kokos oder Hirse. Viele Studien und Ernährungsgesellschaften weltweit erkennen mittlerweile eine rein pflanzliche Ernährung als gesunde Alternative zur herkömmlichen Mischkost an. In den alten religiösen Traditionen wie im Daoismus oder Buddhismus war der Verzicht auf Fleisch- und Milchprodukte bereits vor Tausenden Jahren populär. Viele Menschen, die danach lebten, haben von ganz einfachen, kargen Mahlzeiten am Tag bis ins hohe Alter gesund gelebt. Wir können also darauf vertrauen, dass wir rein pflanzlich gut, wenn nicht sogar gesünder leben können.

      Ich habe den Eindruck, dass unsere Ernährung, bevor sie zur Wissenschaft geworden ist oder von Konzernen und der Werbung manipuliert wurde, ganz in Ordnung war. Jene Nahrungsmittel, die unsere Großeltern und Urgroßeltern auf dem Teller hatten, waren vermutlich gesünder als jene, die wir heute nach so viel „Aufklärung“ zu uns nehmen. Die Erfahrung der Traditionen, der gesunde Hausverstand und die kulturelle Überlieferung haben genügt, um gesundes Essen zu kochen. In den 1960er-Jahren ist es aufgrund der Industrialisierung der Landwirtschaft dann schwierig geworden. Ab diesem Zeitpunkt sind die Nahrungsmittel aus unseren Supermärkten fast verschwunden und etwas anderes, das man auch essen kann, hat die Regale gefüllt. Diese nahrungsähnlichen Produkte wurden von den Ernährungswissenschaften und der EU abgesegnet. In den Regalen, wo sich früher Gemüse, Fleisch und Getreide befanden, leuchteten bunte Etiketten auf schönen Verpackungen. Tierische Fette wurden auf einmal für schlecht befunden und durch gehärtete Pflanzenfette ersetzt. Weizen, Mais und minderwertiges Auszugsmehl (nicht mehr gängige Bezeichnung für Weizenmehl Type 405) waren günstig verfügbar, Milchprodukte und Zucker in rauen Mengen. Künstliche Geschmacksverstärker betrogen unsere Sinne. Chemische Substanzen zur Aufzucht von Tieren und Pflanzen wurden eingeführt und finden sich nach wie vor in unserem Essen. Monokulturen statt kleinteilige Landwirtschaft waren auf einmal möglich.

      Eine Zeit lang war laut damaligen Studien Milch unverzichtbar für die Knochengesundheit. Das Fleisch unverzichtbar für das Wachstum unserer Muskeln. Für die Menschen wurde vieles leistbar, aber auch unübersichtlich und verwirrend. Die Milliarden-Euro-Lebensmittel-Marketingmaschine und die ständig sich verändernden Erkenntnisse der Ernährungswissenschaft trieben und treiben die Menschen noch immer in ein unübersichtliches Feld an sich widersprechenden Informationen. Sind Omega-3-Fette nun gesund oder schädigen sie vielmehr unser Gehirn, da die Fische mit Quecksilber verseucht sind? Wie viel und welche Fette sind gesund? Ist das Glas Rotwein am Abend doch nicht gesund? Machen Light-Produkte doch nicht schlank? Macht Schokolade doch nicht glücklich?

      Je mehr wir die Inhaltsstoffe erforschten, desto ungesünder wurde auf Dauer unsere Ernährung, das große Ganze, der Blick auf die Weisheit der Tradition, ging verloren. Die westliche Ernährung brachte eine ganze Reihe an neuen Erkrankungen mit sich: Übergewicht, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs.

      Die Ernährungswissenschaften sind unverzichtbar, sie haben uns wichtige Fragen beantwortet und im Detail bedeutende Erkenntnisse gewonnen. Unsere Ernährung ist jedoch etwas sehr Komplexes und Facettenreiches. Nur weitere Informationen wie die Geschichte, die Traditionen und Kulturen sowie die Naturheilkunde können zu einem gemeinsamen Sinn führen. Ernährung hat auch eine spirituelle Komponente, es geht nicht nur um die Aufnahme von Inhaltsstoffen. Wenn dem so wäre, hätte man sicher schon eine Ernährungspille erfunden, die das Essen ersetzt. Selbst in der modernen Medizin ist es bis heute nicht gelungen, Menschen im Krankenbett langfristig künstlich zu ernähren.

      Es hat den Anschein, als gäbe es mittlerweile einen generellen Zwiespalt zwischen östlichem und westlichem Wissen sowie zwischen traditioneller und moderner Wissenschaft. Wir Menschen in unserem materialistischen System neigen dazu, modernes Wissen als Fakt, als richtig einzustufen. Mich überrascht immer wieder der Glaube der Gesellschaft an die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Es scheint daran wenig Zweifel zu geben. Kritische Fragen werden meist nicht gestellt. Dabei vergisst man häufig die Tatsache, dass das, was heute in Labors und Forschungseinrichtungen bestätigt wird, morgen schon wieder alt sein kann. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, dass das, was wir nicht wissen, vielleicht wesentlich größer ist als das, was wir wissen? Unsere westliche Wissenschaft bildet nur das ab, was wir wissen.

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