Michael Puntigam

Gesundheit durch die Kraft der Nahrung


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      Trotz der hohen Treibhausgasemissionen und Umwelteinflüsse unserer Nahrungsmittelproduktion scheuen sich Länder, klare Empfehlungen für die Begrenzung des Fleisch- und Milchverzehrs auszusprechen. Auch nicht im Fall von rotem und verarbeitetem Fleisch und trotz des Zusammenhangs mit Herz-Kreislauf-Leiden und Krebs. Da die Politik die Massenproduktion tierischer Lebensmittel fördert, ist weltweit keine politische Neuorientierung in Bezug auf unsere Ernährung in Sicht. Wir müssen selbst etwas tun.

      Die EAT-Lancet-Kommission, bestehend aus 37 internationalen WissenschaftlerInnen, ist der Ansicht, dass nur eine grundlegende Veränderung unserer Ernährungsweise, eine Verbesserung der Lebensmittelproduktion sowie die Reduktion unserer Lebensmittelabfälle eine nachhaltige und gesunde Ernährung für alle Menschen bis zum Jahr 2050 ermöglichen kann. Ihr Report verdeutlicht die positiven gesundheitlichen und ökologischen Folgen ihrer Empfehlungen und deren Umsetzbarkeit. Anfang 2019 präsentierte die Kommission sogar einen Speiseplan zum Schutz der Gesundheit der Menschen und des Planeten („Planetary Health Diet“). Demnach wären eine Verdoppelung der Nahrungsaufnahme von Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Nüssen sowie die Hälfte des Konsums von Fleisch und Zucker notwendig. Würden sich die Menschen nach den EAT-Lancet-Vorgaben ernähren, würde die vorzeitige Sterblichkeit durch Zivilisationskrankheiten um bis zu 33 Prozent sinken. Die Emissionen durch die Nahrungsmittelindustrie würden sogar um das Dreifache verringert werden können.8 Die tibetische Medizin ist der Ansicht: Wenn wir das Erde-Element (Bodenschätze, Pflanzen, Humus usw.) des Planeten ausbeuten, wird das Wasser-Element ansteigen. Neben den dann zu erleidenden Naturkatastrophen werden wir auch innerlich davon beeinflusst. Wir werden dadurch deutlich emotionaler und empfindlicher. Heben wir den Reichtum der Erde (also die natürlichen Ressourcen wie das Wasser und die Bodenschätze) weiter, wird auch das Wind-Element ansteigen, die Dinge verlieren an Stabilität und die Menschen werden reizbar, unruhig und entwickeln einen unnatürlichen Bewegungsdrang.

      Wir pflegen einen respektlosen Umgang gegenüber unserem Planeten und bringen ihn damit an den Rand der Zerstörung. Die Erde ist ein lebender Organismus, der sich selbst reguliert. Sobald eine Spezies sich zu sehr ausbreitet, taucht eine andere auf, um diese einzudämmen. Es ist eine Art des Ausgleichs, dass neue Krankheiten entstehen, die das Lebewesen, welches das Gleichgewicht stört, drastisch dezimiert. Ich glaube, wir stehen gerade am Anfang dieser Phase. Moderne Technologien können uns davor nicht schützen, denn die komplexen wechselseitigen Beziehungen zur Erde sind schwer zu verstehen und schon gar nicht künstlich nachbildbar. Wir sollten die Natur so anerkennen, wie sie ist, und so leben, dass wir uns an die natürlichen Gegebenheiten anpassen, und nicht umgekehrt. Wir alle wollen glücklich sein, warum ändern wir also nicht unseren Lebensstil im Sinne der Natur?

      Die Stimmen gegen die Massentierhaltung müssen endlich gehört werden, die folgenden drastischen Worte vonseiten des Vereins gegen Tierfabriken9 sind eindeutig. Sie dürfen nicht länger ignoriert werden.

      Bereits 2008 warnte die UNO davor, dass die weltweite Intensivtierhaltung als Keimzelle für Pandemien eine immer größer werdende Gefahr für die Gesundheit der Menschen auf unserem Planeten ist. Fast alle gefährlichen, neuen Seuchen der letzten Zeit entstanden, weil Krankheitserreger von Tieren auf den Menschen übergesprungen sind. Dazu zählen Krankheiten wie Ebola, Aids, Sars, Mers, Vogelgrippe, Schweinegrippe und Nipah-Virus. Dass der aktuelle Coronavirus SARS-CoV-2 nun in Nerzen auf einer Nerzfarm in Holland nachgewiesen wurde, ist ein weiterer Beweis für diese Zusammenhänge und diese latente Gefahr. Während tödliche Virusmutationen in der Natur oft mit dem befallenen Tier rasch aussterben, besteht in der industriellen Massentierhaltung die Gefahr, dass ein sterbendes Tier noch tausende oder zehntausende andere Tiere mitansteckt, und die Keime dann über Tiertransporte in andere Tierbestände oder Schlachthöfe oder durch die Gülle unter Wildtieren und Menschen verbreitet werden.

      „Die Viren gedeihen auch in unseren Ställen. Je mehr Tiere zusammen auf einer kleinen Fläche gehalten werden, desto leichter können Viren zirkulieren und desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie früher oder später auf den Menschen überspringen. In dieser Hinsicht stellt die Massentierhaltung ein Risiko für die öffentliche Gesundheit dar“, schreibt der renommierte Virologe Peter Rottier in der Zeitschrift „Spektrum der Wissenschaft“.

      Aber die industrielle Tierhaltung ist nicht nur eine Brutstätte gefährlicher Keime. Nein, durch den massenhaften Einsatz von Medikamenten in den Tierfabriken, wird auch unser aller Sicherheitsanker im Kampf gegen Krankheiten verspielt: Die Wirksamkeit der Antibiotika.

      Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnte 2017 eindringlich vor dem weiteren Einsatz von Antibiotika in der industriellen Nutztierhaltung und der dadurch immanenten Gefahr der Bildung von Keimen, die gegen alle Antibiotika resistent sind. Trotzdem werden auch in Österreich weiterhin extrem große Mengen von Antibiotika in den Tierfabriken eingesetzt. Und weltweit gesehen, ist es noch schlimmer: Hier ist die Tendenz weiterhin steigend und schon jetzt wird nur ein kleiner Anteil in der Humanmedizin verwendet.

      All das unterstreicht wie wichtig es ist, gegen das bestehende System der Massentierhaltung aufzutreten. Dieses bringt nicht nur millionenfaches schweres Tierleid mit sich, sondern gefährdet auch unser aller Gesundheit.

       So entstehen und verbreiten sich resistente Keime

      Wenn in der Tierhaltung unsachgemäß massenhaft Antibiotika eingesetzt werden, können Bakterien dagegen unempfindlich werden. Solche resistenten Keime werden auch auf Menschen übertragen. Lösen sie Krankheiten aus, lassen sich diese kaum behandeln.

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       Der einzige Ausweg: die Abkehr von industrieller Nutztierhaltung.

      Momentan sind wir gänzlich mit der Bekämpfung von COVID-19 beschäftigt. Zeitgleich züchten wir uns jedoch die nächsten Pandemien und vielleicht sogar das Ende des Antibiotika-Zeitalters heran – mit all ihren gesundheitlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen.

      Gesundheit entsteht unter anderem dadurch, dass wir Menschen Teil einer „gesunden“ Nahrungskette sind. Was wir brauchen, ist ein ganzheitliches, ökologisches, kulturell angepasstes Verständnis zum Essen. Unsere Nahrung ist kein Produkt oder Stoff, sie ist vielmehr eine Kommunikationsform einer Beziehung zu allen Phänomenen der Erde, zu denen wir uns im Austausch und in Abhängigkeit befinden. Die wechselseitige Beziehung des Nahrungsnetzes reicht tief in die Erde und hoch in den Himmel. Die Traditionelle Chinesische Medizin bildet dies in ihrem System der fünf Wandlungsphasen ab. Innere und äußere Beziehungen des Aufnehmens, Transformierens und Abgebens werden darin sichtbar. Wenn sich ein Glied in der Nahrungskette verändert oder geschwächt wird, hat das Auswirkungen auf das gesamte System. Wenn der Boden krank ist, werden die Pflanzen, die darauf wachsen, krank, somit auch die Insekten, Mikroorganismen und andere Lebewesen bis hin zum Menschen. Dabei geht es nicht um einzelne Nährstoffe, sondern in erster Linie um Lebensmittel mit einer guten intakten ökologischen Beziehung hin zum Lebewesen, das es aufnimmt. Chemisch hergestellte oder nachgebaute Substanzen sind keine Lösung, da sie keine Synergien mit dem Ganzen ergeben.

      Unser Nahrungsmittelsystem ist wie schon erwähnt in die Fänge von internationalen Märkten und Großkonzernen geraten. Wir müssen unsere Rechte auf gesunde Nahrung und Selbstbestimmung darüber inklusive neuer Rahmenbedingungen (= nachhaltige Erzeugung) einfordern. Die industriellen Produktionsmethoden erkennen die Begrenztheit von Ressourcen, den Schutz der Natur, des Bodens und des Wassers nicht an. Sie sind die Treiber des Klimawandels, besonders in Ländern, die am wenigsten dazu beigetragen haben.

      Organisationen wie die Landarbeiterbewegung La Via Campesina haben das Problem erkannt und den Begriff „Ernährungssouveränität“ geprägt. Darunter versteht man „das Recht von Menschen, über die Art und Weise der Produktion, der Verteilung und der Konsumption von Lebensmitteln selbst zu bestimmen. Sie ist das Recht zur demokratischen Gestaltung des eigenen Agrarsystems,