eine unzählbare Menge an Menschenleben, in der Hoffnung, sein Ziel des riesigen 'Dritten Reiches' unter arischer Führung erfüllen zu können, riskierte jedoch gleichzeitig den Untergang seines ganzen Volkes. Gemäß einer germanischen Gefolgstreue sollten die Soldaten, ihren eigenen Tod in Kauf nehmend, für dieses Ziel kämpfen und sterben.
Mythen aus Zeiten der freien Jugendbewegung wurden von der Gesamt-Hitlerjugend als 'fremdvölkisch' deklariert und durch völkisch orientierte Mythen ersetzt.196
Neben der Aneignung des von den Nationalsozialisten anerkannten Kulturguts, sollten die Mädchen und Jungen ihre eigenen kreativen, schöpferischen Kräfte durch „Singen, Erzählen, Lesen, Spielen, Werkarbeit und Spielschararbeit“197 freisetzen. Aus diesem Grund wurde der handwerklichen Arbeit, welche Geschick und Kreativität förderte, eine wesentliche Rolle beigemessen. Durch eigene aktive Arbeit wurden beispielsweise die HJ- und BDM-Heime verschönert, Spielzeuge für Kinder armer Eltern sowie Gegenstände, die in der Gesellschaft oder im Kriegsgebiet benötigt wurden, angefertigt.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass weder durch die weltanschauliche Schulung, noch im Bereich der kulturellen Arbeit ständig kriegsverherrlichende oder rassenverachtende Themen besprochen wurden. Dennoch wurden diese Aspekte permanent indirekt thematisiert durch eine konsequente Hervorhebung der deutschen Tugenden, Tätigkeiten und Lebensformen, die in einer starken Selbstverherrlichung endeten. Des Weiteren wurde bei der Vermittlung der ideologischen Weltanschauung ganz bewusst auf eine kritische Auseinandersetzung mit anderen politisch-gesellschaftlichen Einstellungen verzichtet, so dass ein differenzierter Umgang mit der Ideologie, wenn überhaupt, erst in späteren Jugendjahren erfolgen konnte. Die konstante Indoktrinierung der Jugend führte fast automatisch zu einer Ablehnung anderer Völker und Rassen und dem Gedanken, ausgelöst durch die maßlose Selbstüberschätzung, einer Übernahme deutscher Lebensweise und Kultur in anderen Ländern, notfalls auch erzwungenermaßen.
Kurzer Exkurs: Kunst im Nationalsozialismus
Stellvertretend für die verschiedenen kulturellen Bereiche, welche im Nationalsozialismus durch den Staat reglementiert und kontrolliert wurden, soll hier die Kunst genannt werden. Unterschieden wurde von der 'Reichskammer der Bildenden Künste der Reichskulturkammer', mit Adolf Ziegler (1892 - 1959) als Präsidenten, zwischen der 'entarteten Kunst', d. h. Kunst, die nicht der nationalsozialistischen Kunstauffassung entsprach und der deutschen nationalsozialistischen Kunst. Zu der erstgenannten und damit verbotenen Kunst gehörten unter anderem Künstler des Impressionismus, Expressionismus, Dadaismus und des Surrealismus. Hitler erklärte seine Abscheu gegenüber diesen Kunstrichtungen damit, dass sie nichts „mit unserem deutschen Volke […] zu tun [haben]. Alle diese Schlagworte wie: „'inneres Erleben', 'eine starke Gesinnung', 'kraftvolles Wollen', 'zukunftsträchtige Empfindung', 'heroische Haltung', 'bedeutsames Einfühlen', 'erlebte Zeitordnung', 'ursprüngliche Primitivität' usw., alle diese dummen, verlogenen Ausreden, Phrasen und Schwätzerein werden keine Entschuldigung oder gar Empfehlung für an sich wertlose, weil einfach ungekonnte Erzeugnisse mehr abgeben […], die heutige neue Zeit arbeitet an einem neuen Menschentyp […] ein leuchtend schöner Menschentyp […]“198. Wie in diesem Zitat erkennbar wird, sieht Hitler die Werke aus genannten Epochen nicht als Kunstobjekte, sondern als wertlos, ja 'abartig' an. Hinzukommend kritisierte er die schaffenden Künstler, da sie in seinen Augen nicht den „leuchtend schönen Menschentyp“ repräsentierten, diesen darüber hinaus nicht in ihren Kunstwerken darstellten. Nur Kunstwerke, welche die deutsche Lebensform in all ihren Facetten darstellte und portraitierte, waren erlaubt und erwünscht. Ausgehend davon wurde jegliche abweichende Form abgelehnt, wie der Abteilungsleiter in der Reichsjugendführung und Propagandist Helmut Stellrecht in einem Zitat folgendermaßen darlegte: „Sie [gemeint ist die Kunst] ist Einkehr in sich selbst, Bekenntnis zur Welt des eigenen Volkes. Sie muss eine fremde Welt ablehnen, und wenn sie einen noch so hohen künstlerischen Ausdruck gefunden hätte.“199
Darüber hinaus verband Hitler die 'entartete Kunst', wie auch ihre Künstler, mit den Begriffen des 'Judentums', sowie des 'Bolschewismus' aber auch der 'Anarchie' und grenzte sie dadurch nicht nur von den deutschen, arischen Menschen ab, er machte sie darüber hinaus offiziell zu Feinden der deutschen Ideologie und dadurch zu Feinden des 'Dritten Reiches'.
Hitlers Strategie, um sich von der 'entarteten Kunst' abzugrenzen, sah wie folgt aus: „Wir werden von jetzt ab einen unerbittlichen Säuberungskrieg führen gegen die letzten Elemente der Kulturzersetzung […]. […] Diese vorgeschichtlichen prähistorischen Kunststeinzeitler mögen unseretwegen in ihre Höhlen ihrer Ahnen zurückkehren, um dort ihre primitiven internationalen Kritzeleien anzubringen […].“200 Aus seinen Worten spricht eine Antipathie, die einem Hass gleichkommt, der bewusst oder auch unbewusst daher rühren könnte, dass Hitler in seiner Jugend dreimal an der Kunstakademie von Wien abgelehnt wurde.
Die erwähnten Punkte führten dazu, dass viele Künstler, darunter Paul Klee (1879 - 1940) sowie Emil Nolde (1867 - 1956) durch Adolf Ziegler ein Berufsverbot erhielten. Einige Künstler versuchten daraufhin zu emigrieren oder malten im Verborgenen weiter.
Um auch die Bevölkerung hinsichtlich der 'entarteten Kunst' zu indoktrinieren und zu beeinflussen, wurde in München im Juli 1937 eine Ausstellung unter gleichem Namen eröffnet. In den folgenden drei Monaten wanderte die Ausstellung, welche insgesamt mehr als 2.000.000 Besucher verzeichnete, durch deutsche wie auch österreichische Städte, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Die Beweggründe zum Besuch waren sicherlich unterschiedlicher Art. Viele der Besucher mochten sich der nationalsozialistischen Meinung und Propaganda angeschlossen haben, es gab jedoch sicherlich auch eine nicht minder große Zahl von Menschen, die sich als Kunstinteressierte die Gelegenheit nicht entgehen lassen wollten, viele bekannte Werke noch einmal gemeinsam in einer Ausstellung zu sehen.
Die Ausstellung versuchte nicht nur die betreffenden Kunstwerke, sondern auch verschiedene kunsthistorische Epochen als 'entartet' darzustellen und zu präsentieren. Auch die schaffenden Künstler wurden herabgewürdigt und diffamiert. Dabei ging Hitler so weit, als dass er in seiner Eröffnungsrede sogar indirekt den Vorschlag zu Sterilisation und Euthanasie der betreffenden Künstler publik machte, indem er sagte: „Entweder diese sogenannten 'Künstler' sehen die Dinge wirklich so und glauben daher an das, was sie darstellen, dann wäre nur zu untersuchen, ob ihre Augenfehler nur auf mechanische Weise oder durch Vererbung zustande gekommen sind. In einem Fall bedauerlich für diese Unglücklichen, im zweiten wichtig für das Reichsinnenministerium, das sich dann mit der Frage zu beschäftigen hätte, wenigstens eine weitere Vererbung derartiger grauenhafter Sehstörungen zu unterbinden.“201
Die Art der Präsentation diverser Kunstwerke sollte erneut die These einer 'entarteten Kunst' unterstützen, indem die Kunstwerke mit verurteilenden Begleittexten dargestellt wurden, schief aufgehängt oder auf dem Boden präsentiert.
5.6 Feste und Feierlichkeiten
Feste und Feierlichkeiten waren fester Bestandteil im kulturellen Jahresablauf von HJ und BDM. Auch sie standen unter dem Leitbild der NS-Ideologie.202 Laut Kinz konnten durch sie „Verpflichtungen, Bekenntnisse, politisches und völkisches Erlebnis, aber auch Geselligkeit und Frohsinn im Leben der Gemeinschaft verankert werden.“203 Die meisten Feiern sollten die Menschen emotional erfassen und ihnen die Wichtigkeit des Aufbaus und Erhalts des Vaterlandes sowie die Rolle des Einzelnen innerhalb der Gemeinschaft vor Augen führen. So gab es beispielsweise den Tag der Machtergreifung (30.1), den Geburtstag des Führers (20.4.), den Muttertag (am 2. Mai-Sonntag, ab 1934 am 3. Maisonntag), den Feiertag der Deutschen Arbeit (1.5), das Fest der Jugend zur Sommersonnenwende und den Heldengedenktag. Hinzu kamen das Erntedankfest im Herbst sowie das Fest zum Gedenken an die Gefallenen der NS-Bewegung am 9.11.204
In der Vermittlung kultureller Identitäten spielte der musikalische Bereich eine wesentliche Rolle, eigneten sich doch Lieder und Musikstücke hervorragend dazu, auf emotionale Weise nationalsozialistisches Gesinnungsgut zu vermitteln. Die Wichtigkeit des Liedes sowie des Singens und die damit verbundene propagandistische Möglichkeit der Indoktrination kleiner, aber auch größter Gruppen, kann an folgendem Zitat nachempfunden werden: „Im Lied, im Singen findet der junge Mensch Einkehr in das Empfinden der Gemeinschaft. In dem Gefühl, das ihn