dabei erkannte, dass die Knochen sauber gebrochen waren und kein Bänderriss vorlag, wusste ich, dass ich nicht zum Arzt zu gehen brauchte. Röntgen, Eingipsen und Schmerztabletten konnte ich mir ersparen. Dafür packte ich den Arm in Umschläge mit frisch geraspelten Beinwellwurzeln – das regt die Granulationsprozesse8 und die Knochenkallusbildung an und wirkt zudem noch etwas schmerzlindernd – und trank viel Ackerschachtelhalmabkochung, dessen Kieselsäure ebenfalls die Knochenbildung unterstützt. Zusätzlich badete ich den Arm einmal am Tag in heißem Ackerschachtelhalmabsud, dem ich entzündungswidrigen Schafgarbentee beimischte. Die Schienen, die dazu dienten, das Gelenk stillzulegen, hatte mir meine Frau aus dünnen, biegsamen Weidenruten geschnitzt. Diese ließen sich zur Behandlung des Bruchs mit den Kräutern leicht entfernen. Das wäre mit einem Gipsverband nicht möglich gewesen, und dann hätte die Genesung viel länger gedauert. So kam es, dass ich schon nach gut drei Wochen wieder an der Tastatur sitzen und diese Zeilen schreiben konnte.
Vorwort zur 2. Auflage
Dieses Werk erntete nicht nur Lob, sondern auch Kritik. Es sei fahrlässig zu behaupten, dass Antibiotika bei Borreliose nicht helfen, und betroffene Menschen, die sich an solche Ratschläge hielten, würden sich einem Invaliditätsrisiko aussetzen. Ich sage nicht, dass Antibiotika nicht helfen, sondern dass sie oft nicht helfen. Ich schrieb dieses Buch unter anderem, weil mich viele Hunderte Briefe und Mails erreichten von Betroffenen, die trotz Antibiotikakur nicht gesund wurden und die gehört hatten, es gäbe andere Möglichkeiten. Im Anfangsstadium ist es eher möglich, die Infektion mit Antibiotika zu stoppen. Es dauert jedoch 3 und manchmal bis zu 6 Wochen, bis sich nach der Infektion serologisch nachweisbare Antikörper bilden; oft merken die Infizierten gar nicht, dass sie von einer Zecke gebissen wurden. Auch die Wandernde Röte, ein erstes Leitsymptom, zeigt sich nur bei rund 50 Prozent der Infizierten. In dieser Phase ist es dann meist zu spät für Doxycyclin, da sich die Borrelien inzwischen im Körper ausgebreitet und in schlecht durchblutetem Gewebe (Knorpel, Narben, Endothelien usw.) versteckt haben. Außerdem können sie sich, wenn ihnen das Milieu unangenehm wird, bis zu zehn Monate verkapseln, ehe sie wieder aktiv werden.
Aufgrund all dieser Schwierigkeiten in der Behandlung der Borreliose erschien es mir sinnvoll, ethnomedizinische Anregungen aus nicht-westlichen Kulturkreisen sowie aus der altüberlieferten Erfahrungsmedizin in Betracht zu ziehen. So wurde ich zur Karde geführt und konnte am eigenen Leib erfahren, dass sie mir bei meiner Borreliose gute Dienste leistete. Selbstverständlich sollte dieses Phythotherapeutikum weiter überprüft und – wertfrei – untersucht werden.
Auch die Überhitzungstherapie mit Temperaturen von gut 40 Grad Celsius, eine Anregung aus dem karibischen Kulturkreis, wurde als lebensgefährlich kritisiert. Sie kann in der Tat gefährlich sein, aber nur für Menschen mit äußerst schlechter Konstitution, mit Kreislaufproblemen oder Epilepsie. Doch das steht ja schon im Text. Schwitzhütten oder die üblichen Temperaturen im Gangestal in der Vormonsunzeit sind noch heißer (45°C).
Zuletzt möchte ich festhalten, dass es mir trotz gelegentlich zugespitzter Formulierungen keineswegs um eine »Ärzteschelte« oder eine Kampagne gegen die »Schulmedizin« geht. Ich weiß um den Stress und die Last, die der praktische Arzt zu tragen hat. Nicht Dogma, sondern Anregungen soll dieses Buch bieten.
Lass es nicht so weit kommen,
bis du dich mit der Diagnose abgefunden hast,
denn dann ist dein Schicksal besiegelt.
Clemens Kuby, »Unterwegs in die nächste Dimension«
Wir wissen, dass die Lyme-Borreliose Antibiotika widerstehen kann.
Zu sagen, jemand sei geheilt,
weil er eine bestimmte Menge Antibiotika erhalten habe, ist Unsinn.
Willi Burgdorfer, Entdecker der Borrelien-Spirochäte, 2001
Die Antibiotikatherapie kann Patienten mit Symptomen der chronischen
Lyme-Borreliose oder mit Post-Lyme-Borreliose beträchtlichen Schaden zufügen.
Henry M. Feder et al. und Ad Hoc International Lyme Disease Group, in: New England Journal of Medicine 357 (14) 4. Oktober 2007
1 Creatinphosphokinase.
2 Nicht der Mädchenname ist hier gemeint, sondern »enzyme-linked immuno sorbent assay«.
3 Erythrocyten-Sedimentations-Rate oder Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit.
4 Wandernde Röte.
5 Jarisch-Herxheimer-Reaktion.
6 IgM und IgG sind Klassen von Immunglobulinen.
7 Polymerase-Kettenreaktion.
8 Bei der Heilung auftretende zellreiche, weiche Gewebsneubildung.
BEGEGNUNG MIT DEM DÄMON
In dem nächtlichen Schwitzhüttenritual, an dem ich vor nunmehr zehn Jahren teilnahm, herrschte kein besonders guter Geist. Zum Teil hatte es mit mir zu tun; ich war überarbeitet und hatte zuvor zu wenig schlafen können. Da irritierte es, splitternackt und eng zusammengedrängt mit schwitzenden langhaarigen Indianerfreaks, die man eigentlich nicht kannte, im dunklen »Bauch der Erdmutter« zu hocken. Die rot glühenden Steine in der Mitte des runden, mit Decken und Filzmatten behangenen Weidengestells strahlten eine erdrückende Hitze aus, aber am Rücken zog es empfindlich kalt durch die Ritzen. Die geführte Meditation, die feierliche Einberufung des göttlichen Adlers, des Bisons und anderer indianischer Krafttiere durch den Schwitzhüttenleiter, sprach mich nicht besonders an. Wir waren im Neckartal, irgendwo zwischen chemiegetränkten Weinbergen und kahlem Ackerland in der Nähe von Heidelberg; da sollte man sich doch auf die Krafttiere und Geistwesen der hiesigen, uns unmittelbar umgebenden Natur einstimmen und nicht in irgendwelche Abstraktionen abheben. Es ging doch darum, sich mit der Erde hier, den Pflanzen, Tieren und Geistern zu verbinden! Als dann der kosmische Schelm, der Kojote Shawnodese, der den Süden beherrscht und den warmen Regen bringt, aufgerufen wurde, wendete sich der Zeremonienmeister an mich: »Wolf, sicher kennst du ihn, den trickster, den göttlichen Schelm, aus deiner Zeit in den Rocky Mountains.«
Da meldete sich mein Ego zu Wort, plusterte sich auf, fand die bedeutungsschwere Stimme des erfahrenen Weisen und antwortete: »Ja, sicher, Shawnodese kenne ich gut!«
In der Morgendämmerung, als die Schwitzhütte vorüber war, rollte ich mich im taunassen Gras, um mich abzukühlen. Da biss sich eine Zecke unter meinem Bauch fest. Gemerkt habe ich das aber erst zwei Tage später. Das Spinnentier hatte mich in einer immunschwachen Situation angefallen. Vielleicht war es doch Shanowdese, der mich erwischt hatte und mir den Egotrip heimzahlte. Man soll die Götter nicht herausfordern und darf mit den heiligen Dingen nicht herumspielen – das hatten mir befreundete Cheyenne-Medizinmänner immer wieder gesagt.
Bald darauf formte sich, von der Bissstelle ausgehend, der rote, wandernde Ring, das sogenannte Erythema migrans. Auch sonst fühlte ich mich nicht wohl, war schlapp und reizbar, hatte Kopfschmerzen, schlief schlecht, sah nicht mehr scharf, und der Lymphknoten in der Leiste schwoll etwas an. Ein befreundeter Arzt, der sich sonst sehr für die Phytotherapie einsetzt, diagnostizierte Borreliose und redete mir eindringlich ins Gewissen: »Bei der Borreliose hört es mit den Kräutern auf, hier helfen nur Antibiotika, und zwar massive!« In drastischen Bildern malte er den Verlauf der durch Zeckenbiss übertragenen Ansteckung mit dem Bakterium Borrelia burgdorferi aus: Wenn man nicht sofort mit Antibiotika anrückt, würde es im zweiten Stadium der Infektion zu Lähmungen, Arthritis, wandernder Gelenkentzündung, Herzschäden und schließlich auch zu neurologischen Ausfällen oder Gehirnhautentzündung führen. Im dritten Stadium landet man im Rollstuhl, weil die Gelenke versagen, und zuletzt kann es zu Störungen der Bewegungskoordination (Ataxie), Hirnnervenausfall und sogar zu schweren Psychosen kommen. Das Bakterium sei eine der Syphilis verwandte Spirochäte. Und wie diese schreckliche Geschlechtskrankheit ist die Infektion rezidiv, das heißt, die Krankheit verläuft in Schüben, die Symptome setzen zeitweilig aus, sodass der Patient glaubt, er sei auf dem Weg der Heilung, und kehren dann umso heftiger zurück.
Was für eine Diagnose! Sonst