Scheide, wo sie einen Film bilden, der das Eindringen krankmachender Keime verhindert.
Im 19. Jahrhundert erkannte man im Zuge der Weiterentwicklung der Mikroskopie und später unter dem Einfluss der Mikrobenjäger, dass sich die meisten Bakterien im Darm befinden. »Der Tod sitzt im Darm!«, lautete nun das geflügelte Wort; Ärzte diagnostizierten bei ihren Patienten »intestinale Toxifikation«, »Darmsanierung« war angesagt. Inzwischen wissen wir, dass wir ohne die zig Milliarden hungriger »Tafelgäste«, ohne die rund 500 Bakterienarten, die den Darm besiedeln, gar nicht leben könnten. Die Darmschleimhaut, mit ihren über 200 Quadratmetern Kontaktfläche, ist unser größtes Immunorgan. Hier, in den Darmschleimhäuten, begegnet unser Organismus vielen verschiedenen Bakterien, die von Immunzellen, den B-Lymphozyten10 und T-Lymphozyten11, aufgenommen, erkannt, wieder ausgeschieden und in Erinnerung behalten werden. Auf diese Weise trainieren und stimulieren unsere winzigen Gäste unser Immunsystem. Es kommt so zur Bildung natürlicher Antikörper, die in die Lymph- und Blutbahnen abgegeben werden und den Körper schützen (Blech 2000: 37). Die Darmflora hilft uns auch beim Verdauen unserer Nahrung und liefert wichtige Substanzen an unseren Organismus: Vitamin K, das uns bei der Blutgerinnung hilft, die Vitamine B2 (Riboflavin), B6 (Pyridoxin) und B12 (Cobalamin), Biotin, Folsäure, Pantothensäure und andere. Inzwischen wissen wir auch, dass ein »gutes Darmmilieu«, gefördert durch milchsäurebildende Lactobazillen und Bifida, gegen krankmachende Mikroorganismen und wuchernde abartige Zellen schützt. Auch die weibliche Scheide enthält eine vielfältige Flora. Wenn ein Kind auf natürliche Weise geboren wird, nimmt es beim Durchgang durch die Lebenspforte die mütterlichen Bakterien auf, die sich rasch vermehren. Bei Kaiserschnittgeburten besteht das Risiko, dass krankheitserzeugende Bakterien den Darm des Kindes besiedeln (Cannon 1994: 169). Die Darmflora des Säuglings wird durch Immunglobuline (IgA) in der Muttermilch und die Mikroorganismen, die die Brustwarzen besiedeln, aufgenommen. Dadurch entwickelt sich das Immunsystem des Säuglings.
Bakterien sind seit vielen Hunderten von Millionen Jahren unsere Weggefährten. Während der langen Zeit haben sich Symbiosen eingespielt, die für beide Partner lebenswichtig sind. Die meisten Bakterien, die unseren Körper besiedeln, sind keine Krankheitserreger, sondern, wie Jörg Blech sagt, vor allem »Gesundheitserreger«.
Die gesunde Darmflora wird gestört oder geschädigt durch folgende Faktoren: Schwermetalle, Umweltgifte, Chemotherapie, Kortison, Impfungen, Fehlernährung (zu viel Zucker und Eiweiß, Junkfood), seelische Faktoren (Stress, Depressionen, unterdrückte Wut) sowie Antibiotika.
Antibiotika sind, wie ihr Name besagt, gegen (anti) das Leben (bios) gerichtet. Ihre Anwendung ist eine Kriegserklärung an die Welt der Mikroorganismen; sie sind erfunden worden, um diese zu zerstören. Aber da wir mit unseren Ko-Evoluten ein und dasselbe Lebensfeld teilen, schaden wir uns mit dem Angriff nur selbst. Die Schäden, die wir erleiden, sind unter anderem folgende:
• Wiederholte Antibiotikabehandlungen stören die hochkomplexe innere Ökologie des menschlichen Organismus, lassen Krankheitsprozesse entstehen, die mit multipler Sklerose, Diabetes oder Krebs enden können (McTaggert 2000: 217).
• Allergische Reaktionen, von Hautausschlägen bis zum tödlichen anaphylaktischen Schock, sind möglich.
• Das Ökosystem der Darmflora wird gestört, besonders wenn Breitbandspektrum-Antibiotika eingesetzt werden. Sie dezimieren die Bakterien, die normalerweise im gesunden Darm vorherrschen und begünstigen gefährlichere Mikroorganismen, die ebenfalls im Darm leben, aber sonst in Schach gehalten werden. Der sogenannte Reizkolon, Colitis und andere Darmerkrankungen sind häufig das Resultat.
• Es können Superinfektionen entstehen. Das bedeutet, dass die meisten symbiotischen Einzeller zu Grunde gehen und das Feld dann frei ist für eine besonders aggressive Art. Viele schwer zu behandelnde Harnweginfektionen haben darin ihre Ursache.
• In den letzten fünfzig Jahren, seit Einführung der Anwendung von Antibiotika (und der Massenimpfung), kam es zu einer dramatisch steigenden Zunahme von Autoimmunkrankheiten und Allergien. Der Verdacht liegt nahe, dass es da Zusammenhänge gibt.
• Viele Antibiotika, wie die Penicilline, basieren auf Giften, welche die Pilzorganismen absondern, um sich gegen Bakterien zu wehren. Antibiotika erzeugen ein pilzfreundliches Klima im Körper, was wiederum die Verpilzung, etwa mit Candida albicans, begünstigt.
• Wer Antibiotika nimmt, wird anfälliger für Infektionen, weil diese Medikamente im Darm einen Freiraum schaffen, den von außen eingedrungene Erreger besiedeln können (Cannon 1994: 156). Auch gegen Viren ist man dann weniger geschützt.
Die vermeintliche Wunderwaffe wurde von Anfang an zu oft und zu häufig eingesetzt. Kaum war man in seiner Praxis, setzte unser Dorfarzt die Penicillinspritze an. Moderne Medizin gegen jedes Leiden! Schnupfen, Muskelzerrung, Kopfschmerzen, Bauchweh, Entzündungen – gegen alles war sie gut. So war es nicht nur bei uns in Spencer, Ohio, sondern praktisch überall wurde in den fünfziger und sechziger Jahren das Wundermittel hemmungslos verschrieben. Gegen Pilz- und Viruserkrankungen wurde es verabreicht, und auch da, wo die Infektion von selbst wieder verschwunden wäre oder wo einfache Hausmittel wie Kräutertee und Bettruhe womöglich besser gewesen wären. Man schätzt, dass 40 bis 70 Prozent der Verschreibungen unnötig waren.
Inzwischen werden weltweit 50 Millionen Tonnen Antibiotika produziert, die meisten davon synthetisch (Cannon 1994: 15). Der Großteil davon wandert in die Massentierhaltung. Rinder und Schweine bekommen dreißigmal so viel Antibiotika als Menschen. Sie sollen verhindern, dass die gequälten Tiere sterben, bevor sie schlachtreif sind. Zugleich nehmen die Tiere dank der Antibiotikagaben schneller an Gewicht zu. Tetracyclin gilt als wirksamer Wachstumsbeschleuniger. Da im Netz des Lebens aber alles zusammenhängt, bleibt der Mensch nicht ungeschoren: Allein in den USA sind 6,5 Millionen Lebensmittelvergiftungen auf resistente Salmonellen zurückzuführen.
Profitabel ist der Antibiotikaeinsatz nur für die Industrie. Aus kleinen Medikamentenherstellern wurden so multinationale Giganten. In der westlichen Welt wird für Medikamente und Medizin ebenso viel ausgegeben wie für Rüstung. Es geht um Hunderte von Milliarden Dollar. Beides, Krieg und Krankheit, sind angstbesetzte Themen, und mit Angst lässt sich manipulieren und herrschen. Heutzutage geben die US-Amerikaner mehr Geld für Medikamente aus als für Wohnungen und Lebensmittel zusammen. Aber gesünder geworden sind sie dadurch nicht.
Dass die Mikroorganismen sich wehren könnten oder dass sie neue resistente Formen hervorbringen könnten, glaubte zuerst niemand. Wissenschaftler sahen keine Gefahr, denn nach der darwinistischen Evolutionslehre finden Veränderungen im Erbgut äußerst selten statt. Man errechnete eine Frequenz von Zufallsmutationen von ungefähr eins zu einer Milliarde pro Generation. Bakterien haben einen sehr schnellen Generationswechsel: Eine Bakterie bringt pro Tag ungefähr 17000 Töchter hervor, diese haben dann wiederum jeweils 17000 Töchter und so weiter. (Die Borrelien vermehren sich viel langsamer.) Aber auch in dem rapiden Generationswechsel sah man keine Gefahr, denn die meisten dieser genetischen Mutationen sind Missbildungen, sie bringen keine Überlebensvorteile, sondern enden mit dem Tod des Mutanten (Buhner 2002: 119).
Die Wirklichkeit sah jedoch anders aus. Es stellte sich heraus, dass die Anpassung dieser Kleinstlebewesen an wechselnde Umweltbedingungen äußerst schnell vor sich geht. Antibiotika bedeuten für sie extremen Umweltstress und Selektionsdruck. Schon im ersten Jahr (1945) nach der kommerziellen Anwendung des Penizillins waren 14 Prozent der Staphylococcus-aureus-Bakterien resistent. Rund fünfzig Jahre danach gab es die ersten Staphylokokken, die gegen jedes vorhandene Antibiotikum resistent waren. Inzwischen werden allein in den USA pro Jahr drei Millionen Patienten mit Infektionen in Krankenhäuser eingeliefert, die nicht mehr mit Antibiotika in den Griff zu bekommen sind. Zwei Millionen Amerikaner stecken sich mit schwer zu behandelnden Krankenhausinfektionen an, und trotz der 14 000 amtlich registrierten keimtötenden Mittel sterben an solchen Infektionen jährlich 100000 bis 150 000 Menschen (Garrett 2001: 264). In der Bundesrepublik Deutschland stecken sich jedes Jahr zwischen 450 000 und 900 000 mit Krankenhauskeimen an (Blech 2000: 186).
Infektionskrankheiten sind wieder auf dem Vormarsch. Einer von sieben Tuberkulosefällen spricht nicht mehr auf Antibiotika an. Eine