Jan Heilmann

Lesen in Antike und frühem Christentum


Скачать книгу

rel="nofollow" href="http://data.perseus.org/citations/urn:cts:greekLit:tlg0561.tlg001.perseus-grc1:1.praef">3 (ed. HERCHER). Auch Martial beschreibt eine weite Verbreitung seiner Bücher (vgl. z.B. Mart.Martial1,1; 7,88; 8,3; 11,3). Hinzuweisen ist ferner auch auf die Erwartung der Rezeption durch spätere Generationen bei Catull.Catull, Gaius Valerius 1,10; 68,5f und Prop.Properz 1,7,13f, die sich im Falle von Properz nachweislich der Graffiti in Pompeji erfüllte.34 Im antiken JudentumJudentum findet sich das Konzept der Publikation im Sirachprolog (s. u. 7.1.4). JosephusJosephus, Flavius gibt in Ios. c. Ap. 1,50–52 an, er habe seine „Geschichte des jüdischen Krieges“ in Rom an einige Mitglieder der AristokratieElite verschenkt; außerdem „verkaufte ich sie einerseits vielen der Römer, die mit in dem Krieg gewesen waren, andererseits vielen unserer Männer, welche die griechische PhilosophiePhilosophie verstehenVerstehen (πολλοῖς μὲν Ῥωμαίων τοῖς συμπεπολεμηκόσι, πολλοῖς δὲ τῶν ἡμετέρων ἐπίπρασκον, ἀνδράσι καὶ τῆς Ἑλληνικῆς σοφίας μετεσχηκόσιν)“,35 unter denen Julius Archelaus, Herodes von Chalkis und KönigKönig Agrippa waren. Ob er das Werk selbst vermarktet hat,36 wie die Formulierung klingt, oder sich möglichweise die Strukturen des antiken Buchhandels zu Nutze gemacht hat, ist nicht eindeutig zu entscheiden. Die Produktion der vielen Kopien des doch recht umfangreichen Werkes, welche diese Aussage impliziert, war in jedem Fall mit einem großen Kapitaleinsatz verbunden und benötigte Strukturen. Üblicherweise wird P.Oxy. 3 405 (um 200 datiert) angeführt, um die schnelle und v. a. überregionale Verbreitung von Irenäus’ Schrift adv. haer zu belegen,37 angesichts der relativen Unsicherheiten paläographischer Datierung sollte man hier jedoch Vorsicht walten lassen.

      Zusammen mit den, bei den Modernisten aufgearbeiteten, eindeutigen Zeugnissen für einen kommerziell orientierten BuchhandelBuch-handel (einige davon werden unten noch angeführt), sprechen diese Quellen dagegen, dass AutorenAutor/Verfasser nur auf zufällige Verbreitung in privatenÖffentlichkeitnicht-öffentlich/privat Netzwerken gesetzt haben. Dazu sei außerdem noch auf den Beginn von Galens Schrift über seine BücherBuch hingewiesen. Hier wird ganz deutlich, dass weder das VorlesenRezeptionkollektiv-indirekt eines Textes noch das Herausgeben einer Kopie an Freunde als PublikationPublikation/Veröffentlichung (ἔκδοσις) verstanden wurde. Viele von Galens Schriften

      „wurden ohne TitelTitel an Freunde oder Studenten gegeben, weil sie überhaupt nicht zur Veröffentlichung bestimmt waren (φίλοις γὰρ ἢ μαθηταῖς ἐδίδοτο χωρὶς ἐπιγραφῆς ὡς ἂν οὐδὲν πρὸς ἔκδοσιν), sondern ausschließlich für den Gebrauch derjenigen gemacht worden sind, um ihrer Bitte entsprechend ErinnerungenErinnerung an das, was sie gehört hatten, zu haben“ (Gal.Galenos lib. prop. ed. KÜHN 19, p. 10).38

      Besonders aufschlussreich ist darüber hinaus, dass der kommerziell orientierte BuchhandelBuch-handel nicht durch die AristokratieElite selbst durchgeführt wurde, sondern in der Hand von handwerklichHandwerker orientierten Schichten und Händlern war.39 Vor diesem Hintergrund ist dann die Annahme plausibel, dass frühchristliche AutorenAutor/Verfasser die antiken Vertriebsstrukturen für die Verbreitung ihrer Schriften nutzten. Möglicherweise muss man sich den antiken Buchhandel aber auch weniger autorenzentriert vorstellen40 und davon ausgehen, dass Buchproduzenten und Händler orientiert an der Nachfrage (oder direkt auf Wunsch ihrer Kunden) BücherBuch beschafften oder herstellten.

      Für die Fragestellung dieser Studie ist eine detaillierte und genaue Rekonstruktion der BuchhandelsstrukturenBuch-handel allerdings weniger wichtig als die Einsicht, dass AutorenAutor/Verfasser in der Antike mit der PublikationPublikation/Veröffentlichung ihrer Schriften rechneten. Somit muss auch von der grundsätzlichen Möglichkeit ausgegangen werden, dass BücherBuch für Leserinnen und LeserLeser verfügbar waren. Dies ist prinzipiell zunächst auch für das frühe ChristentumChristentum in Rechnung zu stellen. Auch wenn die Quellen spärlich sind,41 ist es nicht abwegig anzunehmen, dass christliche Schriften über den antiken BuchhandelBuch-handel beziehbar waren und das frühe Christentum am antiken Buchmarkt, den man sich sicher nicht als staatlich kontrollierten vorstellen sollte, partizipierte.42 Möglicherweise – das bleibt jedoch weitgehend spekulativ – war das Christentum angesichts der literarischen Schaffenskraft, die in den erhaltenen Schriftzeugnissen sichtbar wird, auch für im Buchwesen Tätige attraktiv. In diesem Zusammenhang sei auch nochmals auf Belege hinzuweisen, welche die Attraktivität staatlich verbotener Bücher zeigen (s. o. zu Tat.Tatian ann. 14,50 S. 155).

      Ein weiteres Problem in Bezug auf die Verfügbarkeit ist jedoch die Frage nach dem PreisPreis. Hier sind viele Forscherinnen und Forscher in Bezug auf das frühe ChristentumChristentum pessimistisch und postulieren, dass BücherBuch zu teuer gewesen wären, als dass sie der Durchschnittschrist der ersten Jh. hätte kaufen und lesen können.43 Diese Argumentation geht m. E. jedoch von sozialgeschichtlichSozialgeschichte schwer verifizierbaren Grundannahmen aus. Ganz im Gegenteil sprechen sogar einige Daten44 dafür, dass Bücher nicht das LuxusproduktLuxusprodukt waren, für das sie in der Forschung zum Teil gehalten werden.45 Dazu sei zur Veranschaulichung auf das folgende Beispiel verwiesen, wobei zu betonen ist, dass die weiterführenden Berechnungen nur unter – für die althistorisch-wirtschaftsgeschichtlichen Preiskalkulationen typischen – Vorbehalten zu verstehen sind (insb. sind Preisschwankungen, regionale Unterschiede,46 Unterschiede zwischen Stadt und Land, Möglichkeit von Inflationsprozessen usw. in Rechnung zu stellen)47 und allenfalls Annäherungen darstellen.

      Nicht übertragbar auf das 1./2. Jh. sind die Ausführungen von R. S. Bagnall zur Ökonomie der BuchproduktionBuch-produktion in Ägypten.48 Seine Kalkulationen, die im Einzelnen noch kritisch zu diskutieren wären, basieren sämtlich auf Daten ab dem frühen 4. Jh., also auf Daten, welche die wirtschaftliche Situation nach der Krise des 3. Jh. widerspiegeln. Diese Krise war vor allem auch eine wirtschaftliche Krise, von der sich die Wirtschaft des Römischen Reichs nicht mehr wirklich erholen konnte und die mit einer starken Inflation einherging, die sich am Feingehalt der Silbermünzen sowie v. a. an der Preisentwicklung ablesen lässt.49 Vorsicht ist vor allem in der Hinsicht geboten, Angaben aus dem sog. Höchstpreisedikt Diokletians (301 n. Chr.; ed. LAUFFER), das auf die Krise des 3. Jh. reagiert und dessen Auswertbarkeit im Hinblick auf die tatsächliche PreisPreisgestaltung höchst umstritten ist,50 generalisierend auf die Antike oder auf die Situation in der frühen Kaiserzeit zu beziehen, wie es zuweilen in der Forschung zum Bildungssystem, zu Buchpreisen51 oder eben auch zur Situation im frühen ChristentumChristentum des 1.–3. Jh. getan wird.52 Auf sichererem Grund bewegen wir uns, wenn die Kalkulationen auf tatsächlich für das 1./2. Jh. belegte Daten beruhen, wie im Folgenden auszuführen sein wird. Aber selbst wenn man Bagnalls Daten zugrunde legt, kann man in der Interpretation dieser Daten im Hinblick auf die Möglichkeit des BuchbesitzesBuch-besitz auch zu anderen Schlussfolgerungen kommen. So gibt er an, dass eine PapyrusPapyrus-Vollbibel(!) in der schlechtesten Schriftqualität 4,3 Solidi und in tabellio 6,4 Solidi gekostet hätte. Selbst eine Person mit einem niedrigen Amt in der KircheKirche mit einem Jahreseinkommen von 10–15 Solidi hätte sich theoretisch wohl einmal im Leben ein solches BuchBuch kaufen können, wäre es ihm wichtig gewesen, von einzelnen Teilsammlungen oder einzelnen Büchern einmal ganz abgesehen. Für einen BischofBischof