Wilhelm Bergthaler

Umweltverfahren für Betriebe


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      Ist ein Projekt nicht UVP-pflichtig, kann es dennoch eine Größe erreichen, für welche das Unionsrecht eine integrierte Prüfung nach der Industrieemissions-Richtlinie (IE-RL; früher: IPPC-RL) vorsieht; in Österreich hat sich im Sprachgebrauch der Terminus: IPPC-Anlage bzw. IPPC-Pflicht etabliert. Diese Richtlinien wurden in Österreich leider nicht in einem einzelnen Gesetz, sondern in unterschiedlichen Materiengesetzen umgesetzt: Dazu ist das Projekt anhand der IE- bzw. IPPC-Bestimmungen der jeweils anzuwendenden Materiengesetze – GewO 1994 für gewerbliche Betriebsanlagen, AWG 2002 für (größere) Abfallbehandlungsanlagen, MinroG für Bergbauanlagen, EG-K für Kesselanlagen – zu prüfen.

      Ähnlich wie bei der UVP arbeiten auch hier die einzelnen Gesetze – den unionsrechtlichen Vorgaben folgend – nach dem Listenprinzip; die Methodik der Prüfung erfolgt daher gleichartig.

      Zunächst ist zu prüfen,

      +ob der Anlagentyp in der jeweiligen IPPC-Liste (in der GewO 1994 ist diese in Anlage 3, im AWG 2002 in Anlage 5 enthalten) grundsätzlich erfasst ist.

      Beispiele: Anlagen zur Herstellung von Zementklinkern (Drehrohröfen) sind erfasst, Betonmischanlagen nicht. Abfallverbrennungsanlagen sind erfasst, Bodenaushub- und Inertabfalldeponien hingegen nicht.

      +ob die Kapazität des Projekts den Schwellenwert, der für die Kapazität der jeweiligen Anlage gilt, erreicht. Als Kapazität einer Anlage gilt wie bei der UVP-Pflicht die Größe oder Leistung der projektierten Anlage, die in Einheiten zu messen ist, für die sog. Schwellenwerte im Anhang vorgesehen sind.

      Beispiel: Anlagen zur Herstellung von Papier, Pappe oder Karton mit einer Produktionskapazität von mehr als 20 t/d sind IPPC-pflichtig.

      Die Änderungs- und Einrechnungsregeln sind im Vergleich zum UVP-Recht vereinfacht: Kapazitätssteigerungen sind nur dann zwingend IPPC-pflichtig, wenn sie erheblich nachteilige Auswirkungen auf Menschen oder die Umwelt haben können; dies wird bei einer Steigerung um 100 % des Schwellenwerts von Gesetzes wegen – ex lege – angenommen. Kapazitäten sind nur dann zusammenzurechnen, wenn die jeweils gleichartigen Tätigkeiten in derselben Betriebsanlage durchgeführt werden. Der Umgehungsschutz ist also schwächer ausgeprägt als im UVP-Recht.

      Dies eröffnet der Projektwerberin die strategische Möglichkeit, das Vorhaben so zu gliedern, dass es zur Gänze oder zum Teil vom IPPC-Recht ausgenommen ist – näher dazu in Kapitel 3.

      Im Unterschied zum UVP-G 2000 steht nicht nach allen Materiengesetzen ein Feststellungsverfahren zur Klärung der IPPC-Pflicht zur Verfügung: nach der GewO 1994 nicht, nach dem AWG 2002 schon.

      !

      Praxistipp: Schnellcheck IPPC-Pflicht

      Zur Klärung der IPPC-Pflicht prüfen Sie,

      +ob das Projekt einem Anlagentyp entspricht, der in der jeweiligen IPPC-Liste (Anlage 3 zur GewO 1994, Anlage 5 zum AWG 2002) grundsätzlich erfasst ist (wenn nein, besteht keine IPPC-Pflicht) und

      +ob mit der Kapazität (Größe oder Leistung) des Projekts der Schwellenwert erreicht und/oder eine Steigerung um 100 % erfolgt (wobei Änderungen in derselben Betriebsanlage zusammenzurechnen sind) oder auf sonstige Weise erheblich nachteilige Auswirkungen auf Mensch oder Umwelt verursacht werden.

      Achtung: Die angegebenen Prüfkriterien sind Faustregeln, die eine erste Einordnung ermöglichen, aber eine Detailprüfung nicht ersetzen.

      Nur einzelne Gesetze ermöglichen ein Feststellungsverfahren (AWG 2002 ja, GewO 1994 nein).

      Inhaltlich enthalten die IPPC-Bestimmungen der einzelnen Gesetze einen im Vergleich zum UVP-G 2000 nur abgeschwächten Konzentrationsgrad. Die Kriterien sind ausgesprochen technologielastig und vielfach durch unionsrechtliche Vorgaben geprägt, sodass die Verfahren eine relativ hohe Komplexität aufweisen. Wesentlich ist, dass sie besondere Kundmachungspflichten und erweiterte Parteistellungen – insbesondere für Umweltorganisationen – vorsehen. Um Kundmachungs- und Verfahrensfehler zu vermeiden, muss daher geprüft werden, ob eine IPPC-Pflicht vorliegt.

      1.2.3 EZG

      Das System des Treibhausgashandels, das unionsrechtlich geschaffen wurde und beständig weiterentwickelt wird, ist in Österreich durch das EZG 2011 umgesetzt. Seine Anwendung auf Betrieb wird ebenfalls nach dem Listenprinzip geregelt; Anlagenbegriff und einzelne Anlagentypen ähneln jenen des IPPC-Rechts.

      Betriebe unterliegen dann dem EZG 2011, wenn sie in Anhang 3 des Gesetzes gelistet sind; auch dieser operiert mit Kapazitäten. Beispielhaft erwähnt seien:

      +Verbrennung von Brennstoffen in Anlagen mit einer genehmigten Gesamtbrennstoffwärmeleistung von über 20 MW (ausgenommen Anlagen für die Verbrennung von gefährlichen oder Siedlungsabfällen);

      +Herstellung oder Verarbeitung von Eisenmetallen (einschließlich Eisenlegierungen) bei Betrieb von Verbrennungseinheiten mit einer Gesamtbrennstoffwärmeleistung von über 20 MW (die Verarbeitung umfasst u. a. Walzwerke, Öfen zum Wiederaufheizen, Glühöfen, Schmiedewerke, Gießereien, Beschichtungs- und Beizanlagen.)

      +Herstellung von Papier, Pappe oder Karton mit einer Produktionskapazität von mehr als 20 Tonnen pro Tag

      Auch hier gibt es – zur Vermeidung einer Umgehung – Regeln zur einheitlichen Betrachtung und Zusammenrechnung. Die folgenden Passagen sind weitgehend wörtlich aus der Einleitung zu Anlage 3 des EZG zitiert:

      +Wenn der Kapazitätsschwellenwert einer gelisteten Tätigkeit in einer Anlage überschritten wird, sind alle Einheiten, in denen Brennstoffe verbrannt werden, außer Einheiten zur Verbrennung von gefährlichen Abfällen oder Siedlungsabfällen, in die Genehmigung zur Emission von Treibhausgasen aufzunehmen.

      +Die im Anhang 3 genannten Schwellenwerte beziehen sich im Allgemeinen auf Produktionskapazitäten oder leistungen. Führt ein Anlageninhaber mehrere Tätigkeiten, die in der im Anhang folgenden Liste unter derselben Ziffer angeführt sind, in einer Anlage oder an einem Standort durch, sind die Kapazitäten dieser Tätigkeiten zu addieren.

      Dieses Additionsgebot bezieht sich allerdings nur auf Tätigkeiten eines Anlageninhabers an einem Standort bzw. in einer Anlage. Der Umgehungsschutz ist auch hier weniger streng als im UVP-Recht und ermöglicht optimierte Projektgestaltungen; dazu näher in Kapitel 3.4.

      !

      Praxistipp: Schnellcheck EZG-Pflicht

      Zur Klärung der EZG-Pflicht prüfen Sie,

      +ob Tätigkeiten des Betriebs in Anlage 3 des EZG 2011 erfasst sind, und

      +ob der in Anlage 3 genannte Schwellenwert überschritten wird. Mehrere Tätigkeiten desselben Betreibers in einer Anlage oder an einem Standort sind zusammenzurechnen.

      In Zweifelsfällen kann eine Feststellung durch das BMK beantragt werden (Entscheidungsfrist acht Wochen).

      Die Frage der EZG-Pflicht ist für die Umweltverfahren wesentlich, weil Anlagen, die diesem Gesetz unterliegen, gemäß § 4 Abs 1 EZG 2011 nur betrieben werden dürfen, wenn eine spezielle Genehmigung zur Emission von Treibhausgasen erteilt wurde; diese ist nicht beim BMK, sondern bei der Anlagenbehörde gemäß § 49 EZG 2011 zu beantragen.

      Von der Anlagengenehmigung zu unterscheiden ist das Verfahren zur Zuteilung von Emissionszertifikaten, das einem eigenen, ebenfalls unionsrechtlich harmonisierten Mechanismus unterliegt.

      1.2.4 Seveso III

      Eine weitere, unionsrechtlich vorgeprägte Kategorie von Anlagen mit Sonderbestimmungen sind die sog. „Seveso-III-Betriebe“. Auch hier wird wieder mit Listen und Schwellenwerten gearbeitet – allerdings nicht bezogen auf Produktionskapazitäten, sondern mit Stoffmengen. Nachfolgend wird kurz die Umsetzung in der GewO 1994 dargestellt.

      Ausschlaggebend