Wilhelm Bergthaler

Umweltverfahren für Betriebe


Скачать книгу

2 MW und Abfalldeponien benötigen eine Genehmigung nach dem AWG 2002. Für innerbetriebliches Recycling ist keine zusätzliche abfallrechtliche Bewilligung erforderlich, wenn die Anlage gewerberechtlich genehmigt wird. Die häufig strittige Kernfrage – ist ein Stoff Abfall oder nicht? – kann in eigenen Feststellungsverfahren geklärt werden.

      1.3.2 Verfahrenscheck

      Ähnlich wie beim Rechtsrahmencheck nach Kapitel 1.2 prüfen wir auch beim Verfahrenscheck nach dem Ausschlussprinzip von oben nach unten – also vom aufwändigsten bis zum einfachsten Verfahren.

      Die Materienrechte enthalten zwar eine Vielzahl unterschiedlich ausgestalteter Verfahrensarten; das obere und untere Ende der Bandbreite ist aber klar zu bestimmen:

      +Am aufwändigsten ist die volle Genehmigungspflicht mit Parteistellung von potenziellen Projektgegnern, mündlicher Verhandlung, Lokalaugenschein etc.

      +Am einfachsten sind Regelungen, wonach für ein Projekt überhaupt kein Verfahren erforderlich ist.

      +Zwischen diesen beiden Extremen entfaltet sich eine Bandbreite von Verfahren, die auf unterschiedliche Weise vereinfacht sind: vereinfachte Verfahren (z. B. nach § 50 AWG 2002) und Anzeigeverfahren (z. B. nach § 114 WRG); diese können wiederum unterteilt werden in Anzeigeverfahren mit dem Recht auf sofortige Realisierung, Realisierung nach Ablauf einer bestimmten Frist oder Realisierung (erst) nach behördlicher Kenntnisnahme (siehe dazu Kapitel 6.7.2).

      Diese Dreigliederung wird auch dem folgenden Verfahrenscheck zugrunde gelegt. Die Prüfmethodik weicht allerdings von jener der UVP- und IPPC-Pflicht ab. Die Materienrechte arbeiten nämlich in aller Regel nicht mit Listen von Anlagen, die z. B. einer Genehmigungspflicht unterliegen, sondern mit Ausnahmekatalogen von Projekten, die keiner Genehmigung (aber möglicherweise einer Anzeige) bedürfen.

      Ein wichtiger Aspekt, bevor wir in Details einsteigen: Die Materiengesetzgeber kochen zwar vielfach ihre eigenen Süppchen, orientieren sich aber an gemeinsamen Grundmodellen, vor allem was Prüfmethoden oder Beurteilungskriterien der Genehmigungspflicht betrifft; sie verweisen aufeinander und – salopp formuliert – schreiben voneinander ab. Dieses Grundmodell wird am deutlichsten durch das gewerbliche Betriebsanlagenrecht repräsentiert: Anlagenbegriff, Verkehrszurechnung, Nachbarschutz, Luftreinhaltung sind dort exemplarisch grundgelegt und werden in anderen Gesetzen vielfach übernommen und um spezifische Aspekte angereichert.

      1.3.3 Genehmigungspflicht

      In fast allen Materiengesetzen ist die Genehmigungspflicht an eine abstrakte Gefahrenprognose geknüpft: Projekte, die „geeignet“ sind, etwa die Gesundheit der Nachbarn zu gefährden (§ 74 Abs 2 GewO 1994), oder durch die eine Beeinträchtigung der Gewässer „herbeigeführt werden kann“ (§ 9 Abs 2 WRG), bedürfen einer Bewilligung.

      Erst im Verfahren ist eine konkrete Gefahrenprognose und -prävention anzustellen, das heißt in der Genehmigungsentscheidung ist sicherzustellen, dass sich diese Gefährdungen im konkreten Fall nicht realisieren. Ist dies selbst durch behördliche Vorschreibungen nicht möglich, ist die Genehmigung zu versagen.

      Diese sehr allgemeine Umschreibung führt dazu, dass grundsätzlich fast jedes Projekt genehmigungspflichtig wäre. Um dieses praxisfremde Ergebnis zu vermeiden, haben die Materiengesetzgeber immer weitreichendere Ausnahmen festgeschrieben, in denen bestimmte Projekte keiner Genehmigungspflicht unterliegen.

      Beispielhaft sei das bedeutendste Anlagengesetz – die GewO 1994 – näher behandelt. Ähnliche Strukturen weist auch das AWG 2002 auf.

      Zur GewO 1994 gibt es eine eigene Genehmigungsfreistellungsverordnung; nach dieser sind etwa die folgenden Punkte genehmigungsfrei gestellt:

      +Lager in geschlossenen Gebäuden für Waren und Betriebsmittel mit einer Betriebsfläche von bis zu 600 m2 (Hinweis: Die Genehmigungsfreistellung für Lager umfasst auch den damit verbundenen Transport und Warenumschlag, nicht aber das Zusammenbauen oder Montieren von Teilen (LVwG Nö 22.05.2018, LVwG-AV-433/001-2018));

      +Betriebsanlagen zur elektronischen Datenverarbeitung (Rechenzentren), in denen keine Feuerungsanlagen bestehen und in denen Verbrennungsmotoren ausschließlich zur Notstromversorgung bereitgehalten werden.

      Zudem sind aufgrund der Begriffsbestimmung der gewerblichen Betriebsanlage „bloß vorübergehend betriebene“ Anlagen generell ausgenommen (siehe Kapitel 3.2.1).

      Im Bereich der Anlagenänderungen enthalten § 81 Abs 2 und § 81a GewO 1994 einen Katalog von Maßnahmen, bei denen aufgrund konkreter Nachweisführung eine Genehmigungspflicht vermieden werden kann; an ihre Stelle tritt entweder eine Anzeigepflicht oder gänzliche Verfahrensfreiheit – diese Maßnahmen werden daher unter Kapitel 1.3.4 und Kapitel 1.3.5 behandelt.

      1.3.4 Anzeigepflicht; vereinfachtes Verfahren

      Die Ausnahmen von der Genehmigungspflicht führen unmittelbar zu einem vereinfachten Verfahrenstypus. Dieser kann – wie eingangs erwähnt – sehr unterschiedlich gestaltet sein.

      Zwei klassische Beispiele seien – wiederum der GewO 1994 entnommen – näher behandelt: Das vereinfachte Verfahren gemäß § 359b GewO 1994 findet u. a. Anwendung, wenn

      „das Ausmaß der Räumlichkeiten und sonstigen Betriebsflächen insgesamt nicht mehr als 800 m² beträgt und die elektrische Anschlussleistung der Maschinen und Geräte 300 kW nicht übersteigt.“

      Praktisch bedeutsam ist die Anzeigepflicht bei den nachbarneutralen Änderungen (§ 81 Abs 2 Z 7), wonach es sich um Änderungen handelt,

      „die das Emissionsverhalten der Anlage zu den Nachbarn nicht nachteilig beeinflussen und die auf Grund der besonderen Situation des Einzelfalles erwarten lassen, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden Auflagen Gefährdungen des Lebens oder der Gesundheit von Personen vermieden und Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 3 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.“

      1.3.5 Verfahrensfreie Vorhaben

      Die praktisch bedeutsamste verfahrensfreie Änderung ist jene des § 81 Abs 2 Z 9 GewO 1994; sie betrifft die sog. emissionsneutrale Änderung:

      „Änderungen, die das Emissionsverhalten der Anlage nicht nachteilig beeinflussen“.

      Sie kann ohne jedes Behördenverfahren sofort umgesetzt werden, setzt allerdings voraus, dass der Anlagenbetreiber für den Fall behördlicher Kontrollen Nachweise für die Emissionsneutralität bereithält.

      Nähere Informationen zur Beweisführung bei emissions- und nachbarneutralen Änderungen finden sich unter Kapitel 4.3.5.

      !

      Praxistipp: Schnellcheck Verfahrenswahl

      Zur Wahl des richtigen Verfahrens prüfen Sie,

      +ob für das Projekt eine Ausnahme von der Genehmigungspflicht besteht;

      +wenn keine Genehmigungspflicht besteht: ob das Projekt einem vereinfachten Verfahren oder einem Anzeigeverfahren unterworfen ist.

      +Wenn weder eine (vereinfachte) Genehmigungs- noch eine Anzeigepflicht besteht, kann das Projekt verfahrensfrei realisiert werden.

      Achtung: Die Prüfung ist nach jedem anzuwendenden Materiengesetz gesondert durchzuführen.

      In Zweifelsfällen ermöglichen manche Materiengesetze ein Feststellungsverfahren.