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Einführung in die Publizistikwissenschaft


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Pfetsch 2003a). Politische Kommunikation wird in vergleichenden Ansätzen als System begriffen, welches eine strukturelle und eine kulturelle Dimension besitzt. Hier greifen wir zurück auf unsere Ausführungen zum strukturalistischen und kulturalistischen Paradigma. Die Struktur der politischen Kommunikation betrifft Faktoren der Politik- und Mediensysteme (auf Makroebene) bzw. der Politik- und Medienorganisationen (auf Mesoebene), insoweit sie an der Herstellung von Öffentlichkeit mitwirken. Die kulturelle Dimension zielt auf die Berufseinstellungen, Kommunikationspraktiken und Berichterstattungsprodukte der Akteure–also der Journalisten und Politiker. Dabei ist zu beachten, dass Journalisten und Politiker in unterschiedliche organisationale Zusammenhänge (Redaktionen; Parteien) und institutionelle Zusammenhänge (Medien; Politik) eingebunden sind, die jeweils verschiedene Interessen verfolgen (aufmerksamkeitsökonomische Medienlogik; macht- und regelungsorientierte Politiklogik). Wenn man politische Kommunikationsprozesse als Zusammenspiel von Akteurshandeln und Strukturbedingungen|46◄ ►47| begreift, bietet der vergleichende Ansatz die Möglichkeit, die Struktur und Kontextbedingungen zu variieren und danach zu fragen, wie sich die Orientierungen der Akteure im Verhältnis dazu verhalten (s. o., „Logik des Vergleichs“).

      International unterschiedliche Strukturkontexte beeinflussen den Input, den Output sowie die Interaktionsbeziehungen innerhalb der politischen Kommunikationssysteme

      Die ländervergleichende Forschung geht davon aus, dass Makrofaktoren des Medien- und Politiksystems Einfluss auf den Input des politischen Kommunikationssystems, den Output, sowie die Interaktionen der Akteure innerhalb nehmen (vgl. Pfetsch 2003a). Der „Input“ des politischen Kommunikationssystems verweist auf die Meinungen, Einstellungen, Erwartungen und Forderungen des Medienpublikums bzw. der Wählerschaft, welche die gemeinsame Bezugsgrösse für Journalisten (bei der Gestaltung ihrer Inhalte) und Politiker (bei ihren Entscheidungen und Selbstdarstellungen) ist. Medienpublikum und Wählerschaft können international vergleichend (also in Abhängigkeit von Systemeinflüssen) danach klassifiziert werden, wie intensiv ihre Partizipation

      Details zu internationalen „Input“-Unterschieden und ihren Auswirkungen auf politische Kommunikationsprozesse

      bei Wahlen oder wie intensiv ihre Nutzung politscher Informationsangebote ausfällt, wie viel Vertrauen bzw. Zynismus sie Medien und Politik gegenüber aufbringen, wie volatil oder etabliert bei ihnen demokratische Werte verankert sind, wie postmaterialistisch oder wie populistisch ihre politische Kultur ist, oder wie konsensual oder polarisiert ihre aggregierte öffentliche Meinung zu relevanten Themen ist. All diese Länderunterschiede bei der „Input“-Grösse Medienpublikum/Wählerschaft haben nachweislich Einfluss auf die politischen Kommunikationsprozesse (vgl. Semetko/Mandelli 1997; Norris 2000; Blumler/ Gurevitch 2001; Peter 2003; Tenscher 2008). Ebenfalls zur „Input“-Seite gehören international vergleichende Studien zur Frage, welche gesellschaftlichen Gruppen ihre Interessen besonders effektiv artikulieren können und damit die Themen- und Problemdefinitionsprozesse in ihrem Sinne beeinflussen können–und ob die Medien dabei stärker als Vermittler, Mobilisierer oder eigenständiger Akteur agieren (vgl. Semetko et al. 1991; Weaver 1998; Kriesi 2003; Adam 2007; Pfetsch/ Maurer 2007)

      Details zu internationalen Unterschieden in den „Output“-Leistungen von politischen Kommunikationssystemen

      Die „Output“-Seite des politischen Kommunikationssystems verweist auf die Produktion, Verarbeitung und Vermittlung politischer Botschaften durch Journalisten (politische Kommunikation als Nachrichtengebung) und Politiker (politische Kommunikation als Öffentlichkeitsarbeit). Unterschiedliche Makrostrukturen der politischen Kommunikationssysteme haben einen nachweislichen Einfluss auf die |47◄ ►48| national vorfindlichen Ausprägungen der Auslandsberichterstattung (vgl. Wilke 2008), Europaberichterstattung (vgl. Adam 2007; Pfetsch/ Adam/Eschner 2008; Brüggemann/Kleinen von Königslöw 2009), Wahlkampfberichterstattung (vgl. Esser 2008; Strömbäck/Kaid 2008) oder die Berichterstattung über ethisch schwierige Fragen wie die Abtreibung (vgl. Ferree/Gamson/Gerhards/Rucht 2002). Makrostrukturen haben ebenfalls nachweisbare Einflüsse auf politische Öffentlichkeitsarbeit, politische Werbekampagnen, Wahlkampfführung und Newsmanagement der Regierungen in verschiedenen Ländern (vgl. Swanson/Mancini 1996; Esser/Reinemann/Fan 2001; Plasser/Plasser 2003; Kaid/Holtz-Bacha 2006; Pfetsch 2007).

      Details zu den international unterschiedlichen „Interaktionsmustern“ innerhalb von politischen Kommunikationssystemen

      Die „Interaktion“ der Akteure verweist auf die Selbstverständnisbilder, Rollen(zwänge und -erwartungen) sowie Handlungsorientierungen von Journalisten und Politikern. Das Studium der Interaktionsbeziehungen beider Gruppen im Ländervergleich hat Pfetsch zu vier Typen von politischen Kommunikationskulturen verdichtet: Einen medienorientierten Typus findet man beispielsweise in den USA, einen PR-orientierten in der Schweiz, einen parteipolitischen in Deutschland und einen strategischen in Italien (Pfetsch 2003b).

      Das Konzept des politischen Kommunikationssystems ist sowohl

      Heuristik der politischen Kommunikationssysteme für international vergleichende Wahlkampfforschung anwendbar

      für politische Routinephasen wie Wahlkampfphasen anwendbar (vgl. Blumler/Gurevitch 1995, 2001, 2005). Die speziell in der vergleichenden Wahlkampfforschung zu beachtenden Strukturfaktoren sind in der Literatur mittlerweile vielfach diskutiert worden (vgl. Swanson/Mancini 1996; Plasser/Plasser 2003; Esser 2008; Strömbäck/ Kaid 2008).

      10 Fazit

      Ziel dieses Beitrages war es, eine Einführung in die Logik und die Analyse von komparativer Kommunikationsforschung zu geben. Der

      Besonderheit der erklärenden Komparatistik: Hypothesen- und theoriegeleitetes Vorgehen

      wesentliche Beitrag der komparatistischen Forschung liegt in der Erklärung von sozialen Sachverhalten im Bereich von Information, Kommunikation und Mediensystemen, deshalb geht sie hypothesengeleitet vor. Wichtig ist es daher zu verstehen, wie komparative Hypothesen aus dem Handlungs-, Kultur- und Strukturparadigma abgeleitet werden können. Der wesentliche theoretische Fortschritt liegt bislang in der |48◄ ►49| Entwicklung von Mehrebenenheuristiken, welche die klare Trennung

      Langsamer Fortschritt bei der Entwicklung von Mehrebenenheuristiken und Methoden

      zwischen Untersuchungsgegenstand und Kontextbedingungen veranschaulichen. Dazu wurden Beispiele aus der vergleichenden Journalismus-, Mediensystem- und Politischen Kommunikationsforschung diskutiert. Der methodische Fortschritt entwickelt sich aufgrund der Strukturschwäche der Komparatistik innerhalb unseres Faches erst langsam; Methodenwissen muss derzeit noch aus der Literatur der Nachbarfächer erlernt werden.

      Ein Einlassen auf die Herausforderungen des Vergleiches lohnt sich aufgrund des erheblichen Erkenntnispotenzials auf jeden Fall. Nur

      Vorteile des Vergleiches: Generalisierung sowie Kontextualisierung von Theorien; besseres Verständnis von Mediensystemen; Lernen von Handlungsalternativen

      der Vergleich erlaubt die Generalisierung bzw. Internationalisierung von Theorien über Grenzen hinweg. Und nur der Vergleich erlaubt die Kontextualisierung von Theorien–also die Benennung derjenigen Systemfaktoren, unter denen eine Theorie vor allem gültig ist. Darüber hinaus ist der Vergleich wesentlicher Schlüssel zur Entdeckung allgemeiner, im Verhältnis zu besonderen Gesetzmässigkeiten, wodurch die spezifische Identität von Medien-, Journalismus- oder Kommunikationssystemen bestimmbar wird. Der Vergleich bietet damit auch die Chance zum besseren Verständnis der eigenen Gesellschaft, indem die bekannten Strukturen und Routinen mit denen anderer Systeme kontrastiert werden können. Aus praktischer Sicht ist der Vergleich zudem eine fruchtbare Quelle für Handlungsalternativen: Missstände können behoben werden, indem der vergleichende Blick im Ausland Vorbilder findet, wo Länder in ähnlichen Problemlagen funktionsfähige Lösungen gefunden haben, die sich auch in den eigenen Kontext übertragen lassen.

      Übungsaufgaben:

      Wie kann man komparative Kommunikationswissenschaft definieren?

      Was heisst Erklärung in der komparativen Kommunikationswissenschaft? Erläutern Sie die prinzipielle Logik zusätzlich an einem frei gewählten Beispiel.

      Erläutern