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Einführung in die Publizistikwissenschaft


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Berufsstand der Journalisten autonom, unabhängig und verfügt über eigene, von der Politik klar abgrenzbare Standards, oder ist er nur schwach institutionalisiert und von Politikern leicht instrumentalisierbar? (4) Staatsinterventionismus: Ist es eher der Staat oder der Markt, welcher als Ermöglicher und Regler der Medienordnung auftritt? Mittels dieser vier Erklärfaktoren

      unterscheiden die Autoren drei Mediensysteme im westlichen Raum: das polarisiert-pluralistische, demokratisch-korporatistische sowie das liberale Modell (vgl. Abbildung 3; siehe auch den Beitrag Mediensysteme–Medienorganisationen, i. d. B.).

      … durch eine Reihe von „politikbezogenen“ Erklärungsfaktoren (nicht enthalten in Abbildung 3)

      (2) Konsens- oder Mehrheitsregierung, (3) individueller oder korporatistisch-organisierter Pluralismus, (4) starker oder schwacher Staatseinfluss, sowie (5) Filz persönlicher Gefälligkeiten oder rationalgesetzliche Autorität (vgl. ausführlich Hallin/Mancini 2004).

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      Hallin und Mancinis westliche Mediensystemtypen verteilen sich auf drei geo-linguistische Medienlandschaften

      Hinsichtlich ihrer geolinguistischen Verteilung können die Typen auch als mediterranes (Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal, Spanien), nord-/mitteleuropäisches (Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Schweden, Schweiz) und nordatlantisches Modell (Grossbritannien, Irland, Kanada, USA) gesehen werden. Dass die Verdichtung der Mediensysteme klare geo-linguistische Muster zeigt, erklären Hallin/Mancini (2004: 72 f.) mit der Gemeinsamkeit von kontextuellen Wandlungsfaktoren in bestimmten Grossregionen; dem intensiven politischen, wirtschaftlichen und soziokulturellen Austausch in einzelnen Medienlandschaften sowie Diffusions- und Dependenzprozessen.

      In den Mediensystemmodellen herrschen unterschiedliche Typen von Einflusskräften auf den Journalismus vor

      Innerhalb der drei Mediensystemtypen ist der Journalismus unterschiedlichen Macht- und Einflusskräften ausgesetzt (vgl. Hallin/Mancini 2004: 84; Hepp 2006: 100). Während im polarisiert-pluralistischen Modell lange Zeit „instrumentelle“ Machtausübung dominierte (direkte Einflussnahmen einzelner Staatslenker oder Parteien auf den Journalismus), sind die Machtkräfte in dem demokratisch-körperschaftlichen und liberalen Modell immer eher „strukturell“ gewesen (indirekte Formungen z. B. durch Markt- und Besitzverhältnislogiken). Auch wenn im liberalen Modell die Presse freier von instrumentellpolitischen Kräften als im polarisiert-pluralistischen erscheint, so ist sie durch kommerzielle Strukturen in Machtzusammenhänge eingebunden, welche die Journalisten in ihrer Berufspraxis eingrenzen können. Und im demokratisch-körperschaftlichen Modell sind Machtverhältnisse in erheblichem Masse durch Kontrollstrukturen einzelner Eliten, Verbände und Interessengruppen vermittelt. Dies verdeutlicht, so Hepp (2006: 101), dass man keines der Modelle als grundsätzlich „freiheitlicher“ auffassen kann.

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      Verschiedene Autoren haben diskutiert, ob die von Hallin und Mancini historisch hergeleiteten Einflussfaktoren auch heute noch zur Unterscheidung aktueller Massenkommunikationsarrangements in Europa taugen (z. B. Seethaler/Melischek 2007; Tenscher 2008). Selbstkritisch

      Kritik an Hallin und Mancinis Mediensystemtypologie

      haben Hallin/Mancini (2004) von Anfang an eingeräumt, dass ihnen die Zuordnung einzelner Länder zu den drei Mediensystemtypen schwerfiel und sie diskussionswürdig bleibt. Norris (2009) hält v. a. die Zuordnung Grossbritanniens für verfehlt und beklagt zudem das Fehlen zweier wichtiger Unterscheidungsdimensionen für Mediensysteme: Pressefreiheit und Neue Informationstechnologien. Hardy (2008) kritisiert, dass es zu anderen Systemtypen und Ländergruppen käme, wenn der Fokus nicht auf der historischen Presseentwicklung, sondern der aktuellen Entwicklung in Rundfunk, Film und Unterhaltung läge. Puppis (2009) fehlt eine Berücksichtigung der Unterscheidungsdimension Gross-/Kleinstaaten, was z. B. für eine angemessene Klassifikation der Schweiz wichtig wäre. Trotz oder gerade wegen der angeregten Diskussion ist davon auszugehen, dass die Hallin/Mancini-Typologie auf absehbare Zeit forschungsleitend bleiben wird. Wie sich in Zeiten der Inter- und Denationalisierung das Denken in Mediensystemkategorien entwickelt und im Verhältnis zu Konzepten wie Journalismus- und Kommunikationskulturen entfaltet, gehört zu spannenden Zukunftsfragen der komparativen Medienforschung.

      9.3 Politische Kommunikation im Vergleich

      Funktionserfüllung der Medien unterscheidet sich in unterschiedlichen Demokratiemodellen

      Ländervergleichende Untersuchungen zur politischen Kommunikation zeigen, dass die Massenmedien in östlichen Transformationsgesellschaften die Übernahme demokratischer Normen unterstützen und einen positiven Beitrag zur demokratischen Konsolidierung leisten können (vgl. Gunther/Mughan 2000). Dagegen wird der Beitrag der Massenmedien zum demokratischen Prozess in den westlichen etablierten Gesellschaften häufiger kritisch hinterfragt (vgl. Blumler/Gurevitch 1995).

      In der westlichen politischen Kommunikationsforschung werden vier Paradigmen im Verhältnis von Medien und Politik unterschieden (vgl. Schulz 2008): Das „Symbiose-Paradigma“ geht von einem wechselseitigen Tausch- und Abhängigkeitsverhältnis zwischen beiden aus; das „Gewaltenteilungs-Paradigma“ betont die Autonomie, Unabhängigkeit |45◄ ►46| und Watchdog-Funktion der Medien; das „Medienübermacht-Paradigma“ postuliert, dass sich die Politik–um Öffentlichkeit zu erreichen–der Eigenlogik der Medien anpassen muss, was politische Verfahren und Institutionen aus dem Gleichgewicht und die Politiklogik ins Hintertreffen geraten lässt; und das „Politikübermacht-Paradigma“ geht davon aus, dass die Politik mittels gesetzlicher Medienpolitik und strategischer Informationspolitik die eigenen Machtinteressen durchsetzen und die

      Forschungsinteresse: Politische Kommunikationssysteme hinsichtlich verschiedener Kriterien beschreiben und erklären

      Medien für eigene Zwecke instrumentalisiert. Eine wesentliche Aufgabe der ländervergleichenden Forschung liegt darin, politische Kommunikationssysteme hinsichtlich dieses Spannungsverhältnisses zu typologisieren (vgl. Pfetsch/Meyerhöffer/Adam 2008). Politische Kommunikationssysteme lassen sich auch nach anderen Kriterien klassifizieren. Als weitere mögliche Klassifikationsmerkmale nennen Gurevitch/Blumler (2003) u. a. den Grad der Unterordnung der Medien unter Marktmacht, den Grad der Kommunikationskontrolle von Politikern bzw. Journalisten, oder den Grad des Wandels von politischen Kommunikationssystemen. Letzteres verweist darauf, dass politische Kommunikationssysteme dynamische Gebilde sind, die permanent einem sozial, technisch und kulturell induzierten Wandel unterworfen sind.

      Zentrale Vergleichsheuristik: Politische Kommunikationssys- teme. Sie haben eine „strukturelle“ und eine „kulturelle“ Dimension

      Die Heuristik der politischen