in die Wüste und anschließend auf den Ölberg gingen. Dort habe der Prophet angekündigt, dass auf sein Geheiß die Mauern einstürzen würden (ant. 20,170). Seine bewaffneten Anhänger könnten so die Stadt erobern und er selbst zum Herrscher werden. Tatsächlich töteten die Römer unter Mithilfe der Jerusalemer viele der Aufständischen, der Ägypter entkam aber. In Apg 21,38 wird Paulus daher von einem römischen Tribun gefragt, ob er jener Ägypter sei.
3.5 Die beiden Aufstände in Palästina
(Aufstände im Römischen Reich)
Die Aufstände der Judäer in Palästina (66–70 bzw. 132–135 n. Chr.) und in der Diaspora (115–117 n. Chr.; s. u. 3.7.3) waren nicht die einzigen Revolten von Völkern bzw. Stämmen gegen die römische Herrschaft. So hatte Tiberius in den Jahren 6–9 n. Chr. eine Erhebung in Pannonien und Dalmatien niedergeschlagen. Während seiner Regierungszeit als Kaiser wurde auch ein Aufstand gallischer Stämme beendet (21 n. Chr.). In der Zeit Neros erhoben sich die Britannier unter der Führung ihrer Königin Boudicca (60/61 n. Chr.) und im Vier-Kaiser-Jahr 69 n. Chr. die Bataver in Niedergermanien. Es ist allerdings bemerkenswert, dass kein anderes Volk die Herrschaft der Römer so nachdrücklich ablehnte wie die Judäer.
3.5.1 Der erste Aufstand (66–70 n. Chr.)
Die verschiedenen früheren Versuche, die Herrschaft der Römer abzuschütteln, die sich verschärfende soziale Situation sowie die gesteigerte Aggressivität der römischen Beamten führten dazu, dass die Lage in Palästina Mitte der 60er Jahre des 1. Jh. n. Chr. hoch angespannt war. Dies zeigte sich außer in den Gewalttaten durch Zeloten und Sikarier und den Aufstandsversuchen auch an dem Propheten Jesus ben Ananias, der das Ende Jerusalems prophezeite (s. u. S. 120).
(Auslöser des Aufstands)
Zwei Ereignisse führten im Jahr 66 n. Chr. schließlich zum Aufstand: Erstens hatte der Prokurator Gessius Florus (64–66 n. Chr.) einen Teil des Tempelschatzes entnommen und damit sowohl die religiösen Gefühle der Judäer als auch die ökonomische Kraft des Tempels, der auch als Bank fungierte (Josephus, bell. 2,293), verletzt. Zweitens hatte Gessius Florus blutige Unruhen nicht unterbunden, die in Caesarea Maritima zwischen Juden und Nicht-Juden aus Streit über das Bürgerrecht ausgebrochen waren (bell. 2,284–292). Agrippa II. versuchte noch zu vermitteln (bell. 2,233–405), blieb aber erfolglos. Der eigentliche Aufstand begann im Frühjahr 66 n. Chr. (bell. 2,409f.), nachdem die Priester, angestachelt durch einen gewissen Eleazar, sich weigerten, weiterhin Opfer für das Wohlergehen des Kaisers im Jerusalemer Tempel darzubringen.
(Erste Erfolge)
Jerusalem wurde von den Aufständischen rasch erobert, die römischen Soldaten getötet und der amtierende Hohepriester Ananias, der eine friedliche Lösung wollte, ermordet. Das erste Eingreifen der Römer unter Cestius Gallus von Syrien aus wurde zum militärischen Desaster, sodass die Begeisterung unter den Judäern für den Aufstand stark zunahm. Es entzündete sich daraufhin überall der Zorn der Bevölkerung gegen die Besatzung, auch in Samaria. Dabei hatten vor allem die Zeloten eine Leitfunktion. Sehr früh kam es aber auch zu Auseinandersetzungen unter den Aufständischen. Dennoch gelang es zunächst, die römischen Truppen in die Defensive zu drängen.
(Der Beginn der Niederschlagung / Josephus und Vespasian)
67 n. Chr. wurde Vespasian von Nero zum Befehlshaber bestellt. Die römische Streitmacht wurde auf ca. 60.000 Mann erhöht, sodass nun mit aller militärischen Macht gegen den Aufstand vorgegangen werden konnte. Die hellenistisch geprägte Stadt Sepphoris in Galiläa distanzierte sich daraufhin ganz von der Rebellion, und auch die lokalen Eliten anderer Städte Galiläas rieten zur Aufgabe. In den ländlich geprägten Regionen wurde allerdings – u. a. auch mit religiöser Begründung – der Kampf geführt (vgl. Josephus, Vita 134f.). Die römischen Truppen eroberten bis Ende 67 n. Chr. alle Städte und Festungen Galiläas, zuletzt Gischala im Norden. Bereits zu Beginn war in Jotapata auch der lokale Kommandant Josephus gefangen genommen worden. Er wurde nach dem Krieg in den Haushalt des späteren Kaisers Vespasian aufgenommen – daher der Name Flavius Josephus – und verfasste ausführliche Berichte über den Verlauf des ersten Aufstands.
(Streit unter den Aufständischen)
In den Jahren 68/69 n. Chr. erfolgte von römischer Seite eine Kampfpause, da die Nachfolge auf dem Kaiserthron abgewartet wurde. In dieser Zeit brach aber unter den judäischen Gruppierungen ein Bürgerkrieg aus, in dem radikale Kräfte um Johannes von Gischala die Gemäßigten aus den Kreisen der Hohepriester und Pharisäer vernichteten. Später trat mit Simon bar Giora ein weiterer Zelotenführer in diese Auseinandersetzung ein. Messianische Ambitionen und soziale Umbrüche gingen damit jeweils einher.
(Die Zerstörung Jerusalems und des Tempels)
Vespasian zog im Jahr 69 n. Chr. erneut los und eroberte rasch den Rest Judäas mit Ausnahme Jerusalems und der herodianischen Festungen Herodeion, Masada und Machairus. Verzweifelte Appelle an die Vernunft der Aufständischen durch Agrippa II. oder auch Josephus, der zu den Römern übergelaufen war, wurden nicht beachtet. Als Vespasian Kaiser wurde, übernahm sein Sohn Titus das Kommando und konnte Jerusalem nach fünf Monaten Belagerung Ende August/Anfang September 70 n. Chr. einnehmen. Mit der Stadt Jerusalem wurde auch der Tempel, das religiöse Zentrum des Judentums, zerstört. Die Einwohner wurden zum Großteil getötet oder versklavt. Mit Masada fiel im Jahr 73/74 n. Chr. die letzte Festung der Zeloten.
3.5.2 Die Zeit zwischen den Aufständen (70–132 n. Chr.)
(Folgen des Aufstands)
Die Zerstörung Jerusalems und des Tempels, die Tötung bzw. Versklavung von bis zu einem Drittel der Bevölkerung sowie die Verwüstung weiter Landstriche Judäas, Samarias und Galiläas führten zu einer angespannten wirtschaftlichen und sozialen Lage unter den Verbliebenen. Teile des Grundbesitzes fielen an den römischen Kaiser, der diese weiterverpachtete, sodass die Landbevölkerung weitgehend unselbstständig wurde. Mit der Versklavung und durch die Fluchtbewegungen während des Aufstands wuchs auch die judäische Diaspora zahlenmäßig deutlich an. Die Eliten des Volkes hatten jede Macht verloren, was u. a. auch zum Verschwinden der sadduzäischen Partei führte.
(Neuorientierung an der Tora)
Der Verlust des Jerusalemer Tempels als Kultzentrum wurde vor allem von jenen Gruppierungen innerhalb des Judentums bewältigt, die schon zuvor die über den Tempelkult hinausgehende Orientierung an der Tora in das Zentrum der jüdischen religiösen Existenz gestellt hatten. Dies begünstigte vor allem die Pharisäer, aus denen sich Teile der frührabbinischen Bewegung entwickelten (s. u. 3.6). Texte wie das 4. Makkabäerbuch versuchen hingegen, die Vereinbarkeit des Gesetzes, das als Grundlage der „Philosophie des Judentums“ gedeutet wird, mit griechisch-römischen Tugendethik aufzuzeigen.
(Neuorientierung in der Apokalyptik)
Auch die apokalyptischen Bewegungen des Judentums, für die die Zerstörung des Tempels einen herben Rückschlag ihrer Heilserwartungen bedeutete, mussten sich neu orientieren. So wurde im syrischen Baruchbuch am Ende des 1. Jh. n. Chr. der Versuch unternommen, die Tempelzerstörung als Teil von Gottes Heilsplan zu verstehen (6f.). Dieser werde mit dem Kommen des Messias, dem Gericht und der Wiederherstellung Israels vollendet (72–74). Die Bücher 4 und 5 der jüdischen Sibyllinen, die in Ägypten im 1. und 2. Jh. n. Chr. entstanden, sind ganz darauf ausgerichtet, das vernichtende Gericht über die Feinde, also das Imperium Romanum, zu erwarten, dessen Vorzeichen in Kriegen, Hungersnöten und Naturkatastrophen jetzt schon erlebt würden. Zugleich wurde aber auch das Ende blutiger Opfer begrüßt (4,24–30).
In Palästina entstand an der Wende vom 1. zum 2. Jh. n. Chr. das 4. Buch Esra, das einen anderen Weg zur Bewältigung der Katastrophe einschlug: Die Zerstörung des Tempels wird hier in die grundsätzliche Verstricktheit des Menschen in die Schuld eingeordnet, die ein Grundelement des gegenwärtigen Zeitalters (Äons) sei. Dagegen stehe die Forderung nach Einhaltung der Gebote Gottes, die dem Einzelnen die Möglichkeit eröffne, das zu erreichen, was Gott in seinem erwählenden Handeln versprochen habe, nämlich das endzeitliche Heil. Der Fokus auf die individuelle Erlösung sowohl durch Gottes Gnadenhandeln als auch durch Einhaltung