Markus Öhler

Geschichte des frühen Christentums


Скачать книгу

nach Rechten und Pflichten als Teil des judäischen Volkes galten, war ihr Status nicht dem geborener Judäer gleich. In Qumran galten sie als die geringste Gruppe der Israeliten (CD 14,3–6). Auch Philo konnte trotz allen Lobes für den Mut zur Konversion (virt. 216–219) auch distanzierende Töne anschlagen (vit. Mos. 1,147), und die rabbinischen Texte zeigen eine hochambivalente Haltung.

      (Helena und Izates von Adiabene)

      Von einem illustrativen Beispiel zwischen Sympathie und Konversion berichtet Josephus (ant. 20,17–53): Königin Helena von Adiabene am Tigris und ihr Sohn Izates waren so sehr dem Judentum zugeneigt, dass sich Izates eigentlich beschneiden lassen wollte. Das sei aber zunächst unterlassen worden, und sogar sein judäischer Lehrer Ananias habe dies befürwortet (20,38–42). Man könne Gott, so formuliert Josephus die Worte des Ananias, „auch ohne Beschneidung verehren“ (20,42). Später habe sich Izates allerdings doch noch beschneiden lassen, nachdem ihn nämlich ein anderer Judäer darüber belehrt habe, dass nur derjenige Gott wirklich verehre, der das ganze Gesetz einhalte. Dazu gehöre eben auch das Gebot der Beschneidung (20,43–48). Diese Geschichte, auch wenn sie von Josephus stilisiert erzählt wird, zeigt recht deutlich, dass die Frage nach dem Heil für Nicht-Juden im Judentum unterschiedlich beantwortet wurde.

      (Sympathisanten des Judentums)

      In der Apostelgeschichte verwendet Lukas für die Sympathisanten und Sympathisantinnen die Bezeichnungen „Gottesfürchtige“ (φοβούμενοι τὸν θεόν/phoboumenoi ton theon: Apg 10,2.22; 13,16.26) bzw. „Gottesverehrer“ (σεβόμενοι τὸν θεόν/sebomenoi ton theon: Apg 16,14; 18,7). Sie begegnen auch in späterer Zeit für Personen, die in einer mehr oder weniger ausgeprägten Art und Weise die Kultur der Judäer bzw. das Judentum schätzen (s. u.). Für sie war die intellektuelle und wortzentrierte Verehrung eines einzigen Gottes ein attraktives Gegenstück zu den paganen Kulten und dem damit verbundenen praktizierten Polytheismus. Hinzu kamen Lebensregeln wie die Zehn Gebote, die antiken Tugenden durchaus entsprachen. Und schließlich sind die – im Vergleich zu paganen Opferkulten – geradezu asketischen Feste der jüdischen Synagogen zu nennen, die auf Nicht-Juden einen gesitteten Eindruck machten.

      (Formen der Sympathie für das Judentum)

      Eine geringere Nähe, aber doch Sympathie oder Unterstützung wird vor allem durch Inschriften deutlich, die zeigen, dass auch Nicht-Juden die Interessen einer lokalen Synagoge förderten. Wie sehr dahinter eine inhaltliche Begeisterung für judäische Religion und Kultur stand, lässt sich selten bestimmen. So ehrten ein judäisches Politeuma in der Kyrenaika in Nordafrika einen Förderer namens M. Tittius (ca. 24 n. Chr.; CJZC 71) und möglicherweise eine Synagoge in Phrygien die Priesterin des Kaiserkults Julia Severa für die Stiftung eines Gebäudes (um 100 n. Chr.; IJO II 168). Aus dem 4. Jh. n. Chr. stammt eine Inschrift, die 54 Gottesfürchtige nennt, zusammen mit 68 Judäern und 3 Proselyten (Aphrodisias, IJO II 14). Nach Lk 7,5 erbaute der Hauptmann von Kapernaum aus Liebe zum judäischen Volk die lokale Synagoge. Bei Josephus finden sich einige Belege für diese Faszination an judäischer Kultur und Religion im syrischen Raum: So hätten sich in Damaskus fast alle Frauen dem Judentum angeschlossen (bell. 2,560), und in Antiochien seien zahlreiche Griechen so etwas wie ein Teil der Synagoge geworden (bell. 7,45). Josephus bezeichnet auch Poppaea Sabina, die Ehefrau von Kaiser Nero, als eine Frau, die Gott verehrte (ant. 20,195; vgl. 20,252).

      (keine jüdische Mission)

      Im Hintergrund dieser verschiedenen Formen von Unterstützung, teilweiser Übernahme judäischer Kultur oder Konversion stand jedoch kein aktives Werben des Judentums um Konvertiten. Ein missionarisches Bemühen, das als Analogie zur frühchristlichen Verkündigung des Evangeliums verstanden werden könnte, gab es nicht. Allerdings war das Judentum auch keine Mysterienreligion. Judäer legten in unterschiedlichem Ausmaß ihre Traditionen offen, oft zur Abgrenzung, aber auch im Bemühen um Verständnis. Die Aussage in Mt 23,15, wonach Pharisäer und Schriftgelehrte über Land und Meer gingen, um einen Proselyten zu gewinnen, nimmt dies polemisch auf. Es handelte sich aber mehr um Werbung durch gelebten Glauben, der in der frühen Kaiserzeit durchaus anschlussfähig war.

      John Barclay, Die Diaspora in Antiochia, in: Neues Testament und antike Kultur. 1: Prolegomena – Quellen – Geschichte, hg. v. K. Erlemann u. a., Neukirchen-Vluyn 2004, 204–206.

      John Barclay, Jews in the Mediterranean Diaspora. From Alexander to Trajan (323 BCE–117 CE), Edinburgh 1996.

      Shaye J. D. Cohen, Crossing the Boundary and Becoming a Jew, HThR 82, 1989, 13–33.

      Benedikt Eckhardt, Rom und die Juden – ein Kategorienfehler? Zur römischen Sicht auf die Iudaei in später Republik und frühem Prinzipat, in: Religio licita? Rom und die Juden, hg. v. G. Hasselhoff und M. Strothmann, StJ 84, Berlin/Boston 2017, 13–53.

      Marius Heemstra, The Fiscus Judaicus and the Parting of the Ways, WUNT 2. Reihe 277, Tübingen 2010.

      Martin Hengel/Anna Maria Schwemer, Jesus und das Judentum, Tübingen 2007.

      William Horbury/W. D. Davies, Hgg., The Cambridge History of Judaism. 3: The Early Roman Period, Cambridge 1999.

      Steve Mason, A History of the Jewish War A. D. 66–74, Cambridge 2016.

      Peter Schäfer, Geschichte der Juden in der Antike, Tübingen 22010.

      Günter Stemberger, Pharisäer, Sadduzäer, Essener. Fragen, Fakten, Hintergründe, Stuttgart 2013.

      Daniel Stökl Ben Ezra, Qumran. Die Texte vom Toten Meer und das antike Judentum, UTB Jüdische Studien 4681/3, Tübingen 2016.

      Michael Tilly, Apokalyptik, Tübingen 2012.

      Markus Tiwald, Das Frühjudentum und die Anfänge des Christentums. Ein Studienbuch, Stuttgart 2016.

      Margaret H. Williams, Jews in a Graeco-Roman Environment, WUNT 312, Tübingen 2013.

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.

      Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.

/9j/4AAQSkZJRgABAgAAAQABAAD/2wBDAAgGBgcGBQgHBwcJCQgKDBQNDAsLDBkSEw8UHRofHh0a HBwgJC4nICIsIxwcKDcpLDAxNDQ0Hyc5PTgyPC4zNDL/2wBDAQkJCQwLDBgNDRgyIRwhMjIyMjIy MjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjL/wAARCBDKC7gDASIA AhEBAxEB/8QAHwAAAQUBAQEBAQEAAAAAAAAAAAECAwQFBgcICQoL/8QAtRAAAgEDAwIEAwUFBAQA AAF9AQIDAAQRBRIhMUEGE1FhByJxFDKBkaEII0KxwRVS0fAkM2JyggkKFhcYGRolJicoKSo0NTY3 ODk6Q0RFRkdISUpTVFVWV1hZWmNkZWZnaGlqc3R1dnd4eXqDhIWGh4iJipKTlJWWl5iZmqKjpKWm p6ipqrKztLW2t7i5usLDxMXGx8jJytLT1NXW19jZ2uHi4+Tl5ufo6erx8vP09fb3+Pn6/8QAHwEA AwEBAQEBAQEBAQAAAAAAAAECAwQFBgcICQoL/8QAtREAAgECBAQDBAcFBAQAAQJ3AAECAxEEBSEx BhJBUQdhcRMiMoEIFEKRobHBCSMzUvAVYnLRChYkNOEl8RcYGRomJygpKjU2Nzg5OkNERUZHSElK U1RVVldYWVpjZGVmZ2hpanN0dXZ3eHl6goOEhYaHiImKkpOUlZaXmJmaoqOkpaanqKmqsrO0tba3 uLm6wsPExcbHyMnK0tPU1dbX2Nna4uPk5ebn6Onq8vP09fb3+Pn6/9oADAMBAAIRAxEAPwDgqKKK 8M/WgooooAKKKKACiiigAooooAKKKKACiiigAooooAKKKKACiiigAooooAKKKKACiiigAooooAKK KKACiiigAooooAKKKKACiiigAooooAKKKKACiiigAooooAKKKKACiiigAooooAKKKKACiiigAooo oAKKKKACiiigAooooAKKKKACiiigAooooAKKKKACiiigAooooAKKKKACiiigAooooAKKKKACiiig AooooAKKKKACiiigAooooAKKKKACiiigAooooAKKKKACiiigAooooAKKKKACiiigAooooAKKKKAC i