ausdrücklich erlaubt (Josephus, ant. 14,213–216). Aus Inschriften lassen sich wenigstens elf Synagogen belegen. Durch römische Schriftsteller wie Ovid, Horaz, Petronius, Juvenal oder Tacitus wird deutlich, dass die Besonderheit judäischer Identität in Rom auffiel. Die Arbeitsruhe am Sabbat, die Beschneidung und die Speisegesetze, vor allem die Vermeidung von Schweinefleisch, wurden verspottet. Zugleich wurde die Übernahme judäischer Kultur und Religion durch Nicht-Juden als Verrat am Vaterland gewertet (Tacitus, hist. 5,5; Juvenal, Satiren 14,96–104). In der Zeit nach Augustus, der aufgrund seiner Verbindung mit Herodes auch die Judäer in Rom geschützt hatte, kam es deshalb zu Vertreibungen von Judäern: 19 n. Chr. durch Tiberius (Josephus, ant. 18,65–84; Tacitus, ann. 2,85) und 49 n. Chr. durch Claudius (Apg 18,2; Sueton, Claud. 25,4; s. u. S. 86). Deren Wirkung dauerte allerdings nicht lange an. Der erste Aufstand hatte abgesehen von der Abgabenverpflichtung (fiscus Iudaicus; s. u. 3.7.2) keine besonderen Folgen für die Judäer in Rom, vielmehr blieben sie auch in den folgenden Jahrhunderten unbehelligt.
(Keine erlaubte Religion)
Eine reichsweite rechtliche Anerkennung des Judentums durch die Römer als religio licita („erlaubte Religion“) ist allerdings eine wissenschaftliche Fiktion. Sie basiert auf einer Formulierung des Kirchenvaters Tertullian (apol. 21,1), hat aber keinerlei Basis im römischen Recht. Vielmehr zeigen Josephus und andere Autoren, dass lediglich aufgrund von einzelnen Vorkommnissen bzw. Beschwerden die Stellung von judäischen Minderheiten in bestimmten Gebieten zeitweise von den römischen Kaisern abgesichert wurde. Dies basierte allerdings auf der grundsätzlich permissiven römischen Einstellung gegenüber fremden Kulten: Solange diese die römischen Traditionen nicht in Frage stellten oder zu Unruhen führten, konnten die Völker des Imperium Romanum ihre althergebrachten religiösen Formen selbstverständlich beibehalten. Eine formale Anerkennung oder gar Erlaubnis des Judentums als Religion gab es hingegen nicht.
3.7.2 Tempelabgabe und fiscus Iudaicus
(Tempelabgabe vor 70 n. Chr.)
Jeder männliche Judäer zwischen 20 und 50 Jahren war seit späthellenistischer Zeit durch die Tora dazu verpflichtet, eine Abgabe von zwei Denaren pro Jahr an den Jerusalemer Tempel zu leisten (vgl. Ex 30,11–16; Philo, spec. leg. 1,76–78). Diese Abgabe wurde von den lokalen Synagogen eingesammelt und nach Jerusalem gebracht (vgl. Cicero, Flacc. 28,67–69; Josephus, ant. 16,28). Sie diente u. a. dazu, das tägliche Opfer zugunsten des Kaisers zu finanzieren, war also ein Akt der Loyalität gegenüber der römischen Herrschaft und Ersatz für den Kaiserkult. Auch darüber hinaus war die Tempelabgabe eine wesentliche Einkunftsquelle für den Tempel und Jerusalem.
(Fiscus Iudaicus)
Nach dem Ende des ersten Aufstandes in Judäa und der Zerstörung des Tempels (70 n. Chr.) verpflichtete Kaiser Vespasian alle Angehörigen des judäischen Volkes, auch Frauen und Kinder sowie Sklaven und Sklavinnen, zu einer Kopfsteuer (Josephus, bell. 7,218). Sie war dem Wiederaufbau des Jupitertempels am Kapitol in Rom gewidmet. Domitian verschärfte die Eintreibung der Steuer (Sueton, Dom. 12,2), während sein Nachfolger Nerva Missstände beendete (Cassius Dio, hist. 68,1,2). Die Abgabe wurde aber bis in das 3. Jh. n. Chr. weiter erhoben. Für die Identitätsbildung des antiken Judentums war der fiscus Iudaicus trotz der Belastung ein wichtiger Faktor. Die Zugehörigkeit zum Judentum war damit nämlich auch zu einer staatlichen Angelegenheit geworden, die in zweifelhaften Fällen eine Entscheidung verlangte. Dies betraf Proselyten, Gottesfürchtige und jüdische Christusgläubige gleichermaßen (s. u. S. 290).
3.7.3 Die Aufstände in der Diaspora (115–117 n. Chr.)
(Diasporaaufstände)
Trajans Vordringen nach Osten bis an den Persischen Golf, während dem die Parther 115/116 n. Chr. besiegt wurden, bot Diasporajudäern in Ägypten und der Kyrenaika und in der weiteren Folge auch auf Zypern und in Mesopotamien die Gelegenheit, Aufstände gegen die griechisch-römische Bevölkerung zu beginnen (vgl. Cassius Dio, hist. 68,32,1–3; Euseb, h. e. 4,2,1–5). Cassius berichtet von Massenmorden durch Judäer, die nach der Niederschlagung der Aufstände durch römische Truppen zu blutiger Rache führten. Das Diasporajudentum in Ägypten, der Kyrenaika und auf Zypern wurde 117 n. Chr. so gut wie ausgelöscht. Das hatte sicherlich auch Folgen für Christusgläubige, die entweder selbst judäischer Herkunft waren oder als Judäer betrachtet wurden. Unser mangelndes Wissen über die frühe Entstehung des Christentums in Nordafrika ist vor allem auf diesen radikalen Schnitt zurückzuführen.
3.7.4 Die Septuaginta
(Septuaginta)
Zwischen 250 und 100 v. Chr. entstand vor allem in Ägypten die Septuaginta (LXX), die griechische Übersetzung des Alten Testaments. Der Aristeasbrief beschreibt dies als Unternehmen des Königs Ptolemaios II., was bezweifelt werden kann. An der LXX lässt sich exemplarisch erkennen, wie wichtig griechische Kultur und Bildung für die in Alexandria und anderen Städten des hellenistischen Kulturraums wohnhaften Judäer war. Die heiligen Schriften wurden in der Diaspora nur noch in dieser Form gelesen und ausgelegt. So sind von dem hellenistisch-jüdischen Philosophen Philo von Alexandrien (ca. 15 v. Chr.–50 n. Chr.) zahlreiche exegetische Werke erhalten, in denen er die LXX mit den Methoden der sog. alexandrinischen Schule auslegte. Aber auch Flavius Josephus und den neutestamentlichen Autoren galt die LXX als die Heilige Schrift.
3.7.5 Synagogen
(Die Bezeichnung Synagoge / Die Bezeichnung Proseuche / Die religiöse Funktion der Diasporasynagogen)
Zu den wesentlichen Errungenschaften des Diasporajudentums gehörte die Entwicklung der Synagoge als landsmannschaftlicher Vereinigung ab dem 3. Jh. v. Chr. (s. o. 2.2.3.3). Die Bezeichnung συναγωγή/synagōgē („Zusammenkunft“), die auch von nicht-jüdischen Gruppierungen verwendet wurde, konnte sowohl für die Personengemeinschaft als auch für deren Versammlungsgebäude verwendet werden. Die Synagoge, die auch als προσευχή/proseuchē („Gebetsstätte“; vgl. Apg 16,13) bezeichnet wurde, versammelte Mitglieder der judäischen Diaspora einer Stadt, wobei bei einer größeren Zahl an Judäern auch mehrere Synagogen an einem Ort möglich waren, z. B. in Damaskus (Apg 9,2), Salamis (Apg 13,5) oder Rom (s. o. S. 75). Die Treffen am Sabbat oder zu Festzeiten, deren genaue Rekonstruktion für das 1. Jh. n. Chr. unsicher bleiben muss, waren neben den Feiern in den Haushalten wesentliche Elemente des religiösen Lebens in der Diaspora. Zu ihnen gehörten die Lesung und Auslegung der Schrift, Gebete und Psalmen, Räucheropfer sowie gemeinsame Mahlzeiten (vgl. nur Lk 4,16; Apg 13,15; 15,21). Frauen nahmen an diesen Feiern ebenfalls teil (Lk 13,10–17; Apg 16,13; Josephus, ant. 14,260). Je nach ihrem lokalen Status waren Synagogen bzw. Politeuma (s. o. S. 75) auch berechtigt, interne Rechtsfragen zu entscheiden und Strafen zu vollziehen (2Kor 11,24). Die Leitung der Synagogen durch Vorsteher (άρχισυνάγωγος/archisynagōgos) sowie die Mitwirkung von Ältesten (πρεσβύτερος/presbyteros) und anderen Funktionären geschah analog zu paganen Vereinigungen. Auch Frauen trugen diese Titel.
(Synagogen in Palästina)
Auch in Palästina entstanden ab dem 1. Jh. v. Chr. Synagogen, deren Funktion allerdings deutlich weiter zu denken ist. Sie waren nicht nur Orte religiöser Feiern, sondern darüber hinaus Versammlungsräume der Bevölkerung. In Jerusalem bestanden zur Zeit des Zweiten Tempels keine Synagogen, mit Ausnahme jener, die von Diasporajudäern betrieben wurden (Apg 6,9), wie die Synagoge des Theodotos (CIJ II 1404).
3.8 Proselyten und Gottesfürchtige
Das antike Judentum, zum Teil in Palästina, vor allem aber in der Diaspora, hatte für einzelne Nicht-Juden eine gewisse Attraktivität. Die teilweise oder vollständige Übernahme jüdischer Religion und Kultur, das wird aus literarischen und inschriftlichen Quellen deutlich, war offenbar vor allem für gebildete Mitglieder der Eliten interessant. Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem seltenen Fall des vollen Übertritts und anderen Formen der Annäherung.
(Proselyten)
Als Proselyten werden in der LXX Fremde bezeichnet, die im Land Israel wohnen (hebr. gēr; z. B. Ex 20,10; Lev 17; Num 15,14–16; Dtn 31,12). Während im hebr. Sprachgebrauch keine religiöse Bedeutung im eigentlichen Sinn zu erkennen ist,