Christoph Randler

Verhaltensbiologie


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Abb. 2-4).

      Im Labor kann man relativ einfach mit domestizierten Tieren arbeiten, aber auch manche Wildtierarten können kurzzeitig in ein Labor verfrachtet werden. Bei der Vogelzugforschung werden beispielsweise wildlebende, während des Vogelzuges gefangene Vögel für ein oder zwei Nächte in einen Registrierungskäfig gesetzt und ihr Verhalten erfasst (Fusani et al. 2009). Danach werden sie wieder freigelassen. Auf diese Weise konnte festgestellt werden, dass Zugvögel mit einer guten Körperkondition mehr nächtliche Zugunruhe zeigten als solche mit einer schlechteren Kondition (Eikenaar & Schläfke 2013). Man kann auf diese Weise auch herausfinden, in welche Richtung die Zugvögel ziehen würden.

      Box 2.1

      Die Vielfalt der Erkennungs- und Markierungsmöglichkeiten

      | Abb. 2-5

      Markierungsmethoden und Überwachungstechniken. A) Höckerschwan (Cygnus olor) mit Halsmarkierung, B) Graugans (Anser anser) mit Farbfußring, C) Kleine Zangenlibelle (Onychogomphus forcipatus) mit Flügelmarkierung, D) Reh (Capreolous capreolous), durch eine Kamerafalle überwacht, E) Afrikanischer Elefant (Loxodonta africana) mit individueller Erkennung anhand der Stoßzahnde-formation, F) Afrikanischer Elefant mit GPS-Halskrause. Fotos: C. Randler.

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      Stehen keine natürlichen Kennzeichen wie individuelle Unterschiede in der Fellfärbung oder im Gefieder zur Verfügung, muss man zu Markierungen wie Vogelringen (Aluminium, Farbringe), Ohrmarken, Flügelmarken, Halsringen und Farbmarkierungen greifen. Kurzfristige Markierungen sind beispielsweise bei Wirbellosen auch mit einem wasserfesten Farbstift möglich (Libellenflügel).

      Wichtig ist, dass die Markierungen das Verhalten der Tiere nicht verändern und möglichst über die gesamte Untersuchungsdauer sichtbar bleiben. Es gibt eine Reihe von Studien, die belegen, dass z.B. die Markierung mit Metallringen keinen Einfluss auf das Verhalten und das Überleben haben, während andere zeigen, dass beispielsweise Flügelmarkierungen bei Königspinguinen (Aptenodytes patagonicus) die Überlebensrate von Jungtieren und den Bruterfolg der adulten Tiere senken (Gauthier-Clerc et al. 2004). Kleinere Transponder oder RFID-Chips können über verschiedene Empfangsstationen abgelesen werden und ermöglichen so eine automatische Registrierung der Individuen. Für die meisten Markierungen muss eine Genehmigung der zuständigen Behörden eingeholt werden. Technische Hilfsmittel erlauben es uns, das Verhalten der Tiere relativ unbeeinflusst zu beobachten, oder ermöglichen es, Tiere bei Nacht oder in dunklen Bauen mit Filmtechnik zu beobachten.

      Bei allen Laborexperimenten sind grundsätzlich die Tierschutzbestimmungen zu beachten und bei Studien, bei denen Wildtiere der Natur entnommen und kurzfristig ins Labor verbracht werden, zusätzlich die Bestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes bzw. eine spezielle Ausnahmegenehmigung zu beantragen (vgl. auch die «Ethics in Research» der Association for the Study of Animal Behaviour; ASAB/ABS 2006). Generell gilt bei Labortieren die Regel: «Reduction, Replacement, Refinement»: Es sollen möglichst wenige Experimente mit möglichst wenigen Tieren durchgeführt werden, d.h., die verwendeten Methoden sollen so verfeinert und die Forschungsfragen so präzisiert werden, dass möglichst wenige Tiere an den Experimenten teilnehmen müssen. Statistische Power-Tests helfen, die erforderliche Stichprobengröße bereits im Vorfeld abzuschätzen.

      Tab. 2-2 | Überblick über die Methoden der Verhaltensbiologie.

Originaldaten Sekundärdaten
Beobachtung: kein Eingriff in die Natur komparative/phylogenetische Analyse: jede Art ergibt einen Datenpunkt und wird in Bezug zu verschiedenen Variablen gesetzt
Quasi-Experiment: experimenteller Eingriff, aber keine Kontrolle aller Variablen Review: «narrativ» und z.T. etwas subjektiv, neuerdings klare Vorgaben für die Durchführung systematischer Reviews; Datenpunkte sind die jeweiligen Studien, daher kann eine Art mehrfach zum Ergebnis beitragen
Experiment: Variablen werden isoliert und variiert (strenge Kontrolle der Variablen) Meta-Analyse: klare Regeln für die Literatursuche; Systematische Datenanalyse; Basis der Daten ist die jeweilige Studie; eine Art kann mehrfach zum Ergebnis beitragen

      Sekundärdatenanalysen

      Während Primärdaten meist selbst an einer oder wenigen Arten erhoben werden, werden Sekundärdaten ohne eigene Beobachtungen und Experimente analysiert. Hierbei wird eine gründliche Literaturanalyse vorgenommen. In einer eher narrativen Überblicksarbeit, dem Review, werden die verschiedenen Studien vorgestellt, aber durch den Autor unterschiedlich gewichtet, was zu einer größeren Subjektivität führen kann. Etwas objektiver sind Meta-Analysen. Auch bei diesen werden die Daten vorhandener Studien gesammelt und ausgewertet. Dafür gelten in der Regel klare Hinweise für den Umgang mit Literaturdaten. Schließlich muss sichergestellt werden, dass nicht manche Studien vergessen werden, aber auch, dass Qualitätskriterien angewendet werden. Am stärksten ausgeprägt sind die Vorschriften hierzu in der Medizin (PRISMA Guidelines: Moher et al. 2009, Liberati et al. 2009), aber auch in der Ökologie und Verhaltensforschung gibt es Hinweise zum Umgang damit (Pullin & Stewart 2006). Werden die Daten statistisch ausgewertet, so wird versucht, einen generellen statistischen Effekt zu zeigen (Stankowich & Blumstein 2005; → Tab. 2-3). Wenn man dabei zu widersprüchlichen Ergebnissen kommt, sind Meta-Analysen in der Regel nützlich, um diese aufzulösen. Allerdings sind sie einer Review dann unterlegen, wenn die Ergebnisse an sich nicht einfach statistisch vergleichbar sind (z.B. dann, wenn die Tierarten zu unterschiedlich sind).

      Beispiel für eine Sekundärdatenanalyse (Meta-Analyse), die sich mit den Effektgrößen verschiedener Aspekte des Fluchtverhaltens beschäftigt. Die Effektgrößen basieren auf statistischen Auswertungen. Dabei werden die Effekte aller einzelnen Studien gewichtet (z.B. nach Stichprobe). Durch diese Art der Analyse kann ein genereller Effekt extrahiert werden. Ebenso ist es möglich, sich widersprechende Studien gegeneinander zu testen. Je höher die Effektgröße, desto größer der generelle (durchschnittliche) Effekt. (Aus Stankowich & Blumstein 2005.)

Faktor Aussage Effektgröße
Distanz zum sicheren Platz Je näher, desto später die Flucht 0.43
Geschwindigkeit Je schneller sich der Prädator annähert, desto eher die Flucht 0.38
Richtung Wenn sich der Prädator direkt annähert, dann eher Flucht als bei tangentialer Annäherung 0.29
Größe des Prädators Je größer, desto eher Flucht 0.34
Gruppengröße Je größer die Gruppe, desto eher die Flucht –0.01
Gruppengröße (ohne Fische) Je größer die Gruppe, desto eher die Flucht 0.15
Gruppengröße (nur Fische) Je kleiner die Gruppe, desto eher die Flucht –0.42
Verteidigung Beute besitzt «Waffen», daher Flucht später