Bernward Gesang

Wirtschaftsethik und Menschenrechte


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engage in transactions until it is no longer in the interest of at least one of them to do so. (…) In the ideal world of noncoercive markets (…) the exercise of liberty leads to Pareto-optimal states of affairs.“ (Coleman 1980, 540f.) Und gerade weil Pareto-Optimalität ein Ausdruck so verstandener (Tausch-)Freiheit ist und diese als Leitwert fungiert, halten viele Ökonomen dieses Prinzip hoch.

      Nun wird das Pareto-Prinzip eben nicht auf politische Situationen angewendet, in denen es Gewinner und Verlierer gibt. Daher wurde zum Zweck der Politikberatung eine Debatte darüber begonnen, wie man Kriterien finden könne, die Aufschluss darüber geben, wann eine staatliche Maßnahme die gesellschaftliche Wohlfahrt erhöht. Dabei sollten die Einsichten, die Pareto bezüglich des Allokationsmecha|41|nismus gehabt hatte, möglichst gewahrt werden. Die Debatte um sogenannte Wohlfahrtsveränderungskriterien war eröffnet (Kleinewefers 2008, 45f.). Ein Kandidat war etwa das Kaldor-Hicks-Kriterium. Auf diese Debatte brauchen wir aber nicht eingehen, da wir bereits die eben benannten Voraussetzungen kritisieren werden.

      IV. Ein Dogma auf dem Prüfstand: Pareto in der Kritik

      Im Folgenden soll die Kritik am Pareto-Weltbild dargelegt werden. Dennoch möchte ich betonen, dass Pareto-Optimalität ein notwendiger, wenngleich kein hinreichender Maßstab für Utilitaristen ist: Eine Verteilung, die nicht pareto-optimal ist, verschwendet Ressourcen, denn man könnte einen Akteur besser stellen, ohne andere zu benachteiligen und das ist dem Utilitaristen zuwider. Der Utilitarist will genauso wie ein Gerechtigkeitstheoretiker bestimmte Optima kritisieren; er wertet sie nicht alle als gleich gut und will die faktisch gegebene Anfangsausstattung mit Ressourcen nicht als Ausgangspunkt akzeptieren. Eine pareto-optimale Verteilung kann ungerecht und nutzenzerstörend sein, oder in lapidarer Schlichtheit: „Ein Wettbewerbsgleichgewicht führt zu einem pareto-effizienten Ergebnis, das gerecht oder auch nicht gerecht sein kann.“ (Pindyck und Rubinfeld 2009, 775; vgl. Varian 2009, 291)

      Dürfte man niemand besserstellen, wenn dazu jemand anderes schlechtergestellt werden muss, könnte man die meisten Bemühungen aufgeben, die Armut auf der Welt zu bekämpfen. Sie setzen Umverteilung voraus. Wohlhabende werden sich häufig der Umverteilung widersetzen, wenn sie nicht Altruisten sind oder wenn man die Umverteilungen nicht mit Vorteilen für die Wohlhabenden begründet, wie es etwa die ökonomische Ethik versucht. Ohne Konsens mit den Wohlhabenden sind Umverteilungen jedenfalls im paretianischen Weltbild nicht möglich. Zudem können beliebig schlechte Ausgangszustände beim Tausch mit dem Pareto-Prinzip nicht kritisiert werden und eigentlich sollte jedermann wissen, dass unsere Welt zutiefst ungerecht bzw. disutil ist. Die Ausgangszustände sind aufgrund natürlicher und sozialer Umstände in der Regel ein Skandal. Daher wird auch der vernünftige Vorschlag diskutiert, ob freier Handel überhaupt nur in Gesellschaften als frei bezeichnet und moralisch gerechtfertigt werden kann, in denen mindestens ein staatlich garantiertes Existenzminimum gewährleistet ist (Schulte 2014, 100–106). Sonst hätten arme Bauern |42|kaum eine andere Wahl als in Notsituationen „freiwillig“ eine Niere zu verkaufen, denn sie besäßen keine Handlungsalternative als zu verhungern. Die Möglichkeit der gerade benannten Kritiken an Optima und Ausgangsverteilungen hängt davon ab, ob interpersonale Nutzenvergleiche möglich sind. Dazu mehr im nächsten Abschnitt.

      Ebenso kann man bezweifeln, dass eine pareto-superiore Verbesserung eines Zustands überhaupt möglich ist, wenn stark ungleich getauscht wird. Dieselben Zweifel stellen sich ein, wenn eine Person bessergestellt wird, während einer anderen nur kein Gut weggenommen wird. Beide „Verbesserungen“ gelingen nämlich nur, wenn die Akteure kein Interesse an der Interessenbefriedigung anderer Akteure haben. Wenn der Erfolg meines Kollegen meinen Zustand schon deshalb verschlechtert, weil ich den Kollegen beneide, dann kann man seinen Zustand nicht verbessern, ohne meinen zu verschlechtern, sofern ich keine Kompensation einstreiche. Solche Vergleiche zwischen den Subjekten werden von der traditionellen mikroökonomischen Lehre nicht berücksichtigt (Stobbe 1983/1991, 372; Endres und Martiensen 2007, 26). Wie wir aber aus der Glücksforschung wissen, ist genau das die Natur menschlichen Glücks, dass es auf Vergleichen mit der sogenannten comparison group, also mit anderen Menschen in ähnlichen Lebenssituationen beruht (Clark et al. 2008). Auch Vergleiche des eigenen Gehalts mit dem von Managern sorgen dafür, dass viele Menschen unter Frustration und Wut leiden, denn wir haben starke Gerechtigkeitspräferenzen, wie wir aus dem ersten Kapitel wissen (Fehr und Gächter 2000). Diese Präferenzen werden umso stärker, je ungleicher ein Tauschergebnis ist. Zwar tauschen die Betroffenen „freiwillig“, aber nur, weil es die Not diktiert. Ob langfristig die Wut über den ungleichen Tausch den Tauschgewinn auffrisst, ist nicht ausgemacht. Da pareto-superiore Verbesserungen solche sind, bei denen niemand schlechter, aber mindestens einer bessergestellt wird, sind Verbesserungen also bei Tauschsituationen schwer möglich, in denen stark ungleich getauscht wird oder einer nichts erhält, während der andere sich verbessert.[31]

      Die oben angesprochene normative Fundierung des Pareto-Kriteriums im Wert der Freiheit wird von D. Hausman und M. McPherson erkannt und kritisch bewertet: „To the extent that concerns about liberty underpin economists’ normative judgements, they should be incor|43|porated systematically into economists’ methods for evaluating states of affairs. Doing so raises problems of definition, of moral justification and of integration.“ (Hausman und McPherson 1993, 693) Das heißt, erst einmal wäre ein plausibler Freiheitsbegriff von den Ökonomen zu definieren, was bislang nicht geleistet wurde. Zudem ist die von vielen Ökonomen vorgenommene und oft nicht begründete Bewertung der Freiheit als höchstem Wert zurückzuweisen. Die moralische Rechtfertigung jeglicher Freiheit für einen (Glücks-) Utilitaristen wird lauten: Intrinsischen Wert hat nur Wohlergehen. Freiheit ist nur dort wertvoll, wo sie zu Wohlergehen führt. Zumindest kann man eine andere Bewertung nicht einfach als unstrittig voraussetzen, sondern muss sie verteidigen, ganz wie im obigen Zitat gefordert. Das wird jedoch fast nie versucht, denn eigentlich scheuen die meisten Ökonomen Werturteile wie der Teufel das Weihwasser.

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