Lukas Bormann

Theologie des Neuen Testaments


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Darstellungsweise. Sie ermöglichen dem Leser ein eigenes Urteil darüber, ob und inwieweit diese Darstellung der Theologie des Neuen Testaments überzeugend und sachgerecht mit ihren Quellen umgeht – und welche Sinndimensionen der antiken Texte unberücksichtigt bleiben und zu eigener Quellenlektüre auffordern. Die Übersetzungen sind an den Stellen, an denen es nicht anders vermerkt ist, eigenständig aus den Originaltexten angefertigt und an Übersetzungen in moderne Sprachen geprüft worden. Zentrale Begriffe sind in den Quellensprachen angeführt. Griechische und hebräische Wörter und Wendungen werden in einer Umschrift, die sich an der Aussprache orientiert, kursiv und dann in griechischen und hebräischen Schriftzeichen gedruckt. Der Text soll ohne Kenntnisse des Griechischen und Hebräischen verständlich sein, dennoch aber darauf hinweisen, dass die dargestellten Gedanken in Zusammenhängen stehen, die sich erst durch die Kenntnis der genannten Sprachen voll erschließen. Im Falle des Koptischen und Aramäischen wird in der Regel nur die lautorientierte Umschrift in Kursivdruck verwendet.

      In Zitaten verweisen eckige Klammern auf Auslassungen, die der Autor vorgenommen hat. Runde Klammern hingegen zeigen an, dass er Ergänzungen zum Verständnis des Zitats hinzugefügt hat. Bei Zitaten moderner Autoren sind diese zudem durch das Kürzel „LB“ für den Autor gekennzeichnet. Alle fremdsprachigen Zitate aus der wissenschaftlichen Literatur wurden ins Deutsche übersetzt. Dadurch soll zum einen der Lesefluss erleichtert und zum anderen die grammatikalisch korrekte Einbindung von Begriffen und Wendungen in den deutschen Text ermöglicht werden.

      Die verwendeten Abkürzungen orientieren sich an Siegfried M. Schwertner, Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete (IATG3), Berlin/Boston 3. Aufl. 2014.

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      Abb. 1: Titelblatt der Antrittsvorlesung von Johann Philipp Gabler vom 30. März 1787 in Altdorf bei Nürnberg.

      Als Urdatum der Biblischen Theologie und damit auch der Theologie des Neuen Testaments gilt die Antrittsvorlesung von Johann Philipp Gabler (1753–1826) aus dem Jahr 1787. Dieser erste grundsätzliche und bahnbrechende Beitrag zur Frage nach dem Verhältnis von historischer Kritik und theologischer Gegenwartsbedeutung stellte bereits die Fragen, die bis heute im Zentrum der Diskussion um die Theologie des Neuen Testaments stehen.1 Die folgende Problemgeschichte der Theologie des Neuen Testaments setzt deswegen bei Gabler an und skizziert die markanten Weichenstellungen der wissenschaftlichen Diskussion bis zum Stand der internationalen Forschung der Gegenwart.

      Die Vorlesung Gablers trug den Titel: „Von der richtigen Unterscheidung der biblischen und der dogmatischen Theologie und der rechten Bestimmung ihrer beiden Ziele“. In ihr schlug er eine wissenschaftstheoretische Trennung der biblischen von der dogmatischen Theologie vor, die damals als revolutionär und provokativ galt. Zu Gablers Zeiten wurde die Bibel im Zuge der Loci-Methode (Belegstellen-Methode) vorrangig als Fundus für Belege genutzt, die dazu dienen sollten, die konfessionell geprägten dogmatischen Ansichten und Glaubensüberzeugungen zu bestätigen Gabler forderte nun, dass die biblischen Schriften historisch zu untersuchen seien. Die biblischen Zitate sollten ihren Autoren, ihrer Entstehungszeit, ihrem Abfassungsort und ihren Adressaten zugeordnet und im Horizont ihrer Entstehung interpretiert werden. Er formulierte dieses Anliegen in der Sprache seiner Zeit mit den Worten, die Biblische Theologie solle „die Meinungen der göttlichen Männer aus den heiligen Schriften“ (36) sammeln und historisch erläutern.2 Erst wenn die historische Aufgabe gelöst sei, stelle sich eine zweite, nämlich „Menschliches“ von „Göttlichem“ zu scheiden. So werde das „Allgemeine“, „Universelle“, das zugleich das „Göttliche“ sei, freigelegt. Dieses solle dann als Grundlage für die „reine“ Biblische Theologie dienen.

      Gablers Überlegungen leiten den Beginn einer historischen Beschäftigung mit den theologischen Gehalten der Bibel ein. Sie machen aber auch deutlich, wo das Grundproblem einer solchen Biblischen Theologie bis heute liegt: Wie soll „Menschliches“ von „Göttlichem“ – wir würden heute sagen: Zeitbedingtes von bleibend Gültigem – unterschieden werden? Welche wissenschaftliche Methode findet das „Göttliche“ bzw. das bleibend Gültige? Oder zeitgemäß formuliert: Wie ist in den Schriften des Neuen Testaments das freizulegen, was die Sinn- und Existenzfragen des Menschen heute anspricht, ohne dass man sich dem Vorwurf aussetzen muss, dass dieses bleibend Gültige in die biblischen Schriften hineingelesen wurde?

      Gabler hat die Spannung zwischen deskriptiver historischer Forschung und konstruktiver Theologiebildung herausgearbeitet, mit der sich bis heute jede Theologie des Neuen Testaments auseinanderzusetzen hat. Er selbst hat allerdings seine bahnbrechenden programmatischen Überlegungen nicht umgesetzt und keine umfassende Biblische Theologie verfasst.

      Zwei Generationen nach Gabler schlug Ferdinand Christian Baur (1792–1860) eine konsequente, aber auch einseitige Lösung der Problematik vor. Er forderte, dass man darauf verzichten solle, das Neue Testament als Grundlage und Quelle des Glaubens der Gegenwart zu verstehen. Dieses Interesse habe zur Folge, dass nur das bestätigt werde, „was wir selbst für das an sich Wahre und Vernünftige des religiösen Glaubens halten“ (13). Baur hingegen forderte eine Theologie des Neuen Testaments, die als „rein geschichtliche(n) Betrachtung, (welche) das geschichtlich Gegebene ganz als das nimmt, was es in seiner concreten Wirklichkeit ist“ (13). Er löste die von Gabler benannte Spannung zwischen Menschlichem und Göttlichem einseitig zugunsten des Menschlichen auf. Theologie des Neuen Testaments sei „reine“ Historie. Sie habe die „Lehrbegriffe“ Jesu, der Apostel und der Autoren der neutestamentlichen Schriften herauszuarbeiten und als systematischen Zusammenhang zu begreifen, der „die neutestamentliche Theologie […] als ein lebendiger Organismus“ erscheinen lasse (28). Baur war davon überzeugt, dass der Gesamtzusammenhang der neutestamentlichen Theologie umso deutlicher werde, je gründlicher man historisch arbeite. Er war zudem der Meinung, dass es einer historisch rekonstruierten Theologie des Paulus gelingen könne, „in letzter Beziehung zur absoluten Idee Gottes aufzusteigen, und seine Betrachtung in ihr als der absoluten Spitze abzuschließen“ (205). Für Baur konnte die Frage, „ob das Christenthum eine vernünftige und göttliche Religion sei […], wie sich von selbst versteht, nur bejahend beantwortet werden“ (9). Woher gewann Baur dieses Selbstbewusstsein? Neben der Anknüpfung an die Geschichtsphilosophie von Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831), der im reformatorischen Christentum die Vollendung der Religionsgeschichte schlechthin sah, ist auch auf das Selbstverständnis der Epoche, in der Baur wirkte, hinzuweisen. Im sogenannten langen 19. Jahrhundert zwischen der Französischen Revolution und dem Ersten Weltkrieg galt die Überlegenheit des Christentums über alle bekannten Religionen und Kulturen angesichts der Weltherrschaft der christlichen europäischen Nationen, die wir heute als Imperialismus und Kolonialismus kritisch bewerten, als unwiderlegbare Tatsache. Das Werk Baurs führt die Verbindung von Historie und Theologie weiter, die Gabler angeregt hatte, bezieht nun aber auch die dominante philosophische Konzeption seiner Zeit, die hegelsche Geschichtsphilosophie, in seine Überlegungen mit ein, die das Christentum unhinterfragt als Höhepunkt der Menschheitsgeschichte verstand.

      Mit Baur beginnt somit ein Verständnis der Theologie des Neuen Testaments, das neben Geschichtsforschung und Theologie auch die Philosophie berücksichtigt. Er begründet damit die Einbeziehung philosophischer Überzeugungen in die neutestamentliche Theologie – ein Sachverhalt, der für die deutschsprachige Theologie prägend geworden ist.

      Diese so selbstverständlich scheinende Überlegenheit der christlichen Nationen wurde durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs tief erschüttert. Wie konnte ein Gott als „absolute