Gesine Manuwald

Römisches Theater


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werden, jener Vater, dessen Rolle sich vor anderen auszeichnet, weil er manchmal erregt, manchmal sanft ist, auf der einen Seite eine hochgezogene, auf der anderen eine entspannte Augenbraue, und es ist bei den Schauspielern üblich, diese Seite vor allem zu zeigen, die mit der Rolle, die sie spielen, übereinstimmt.

      Im Laufe der Zeit kam es zu einer immer größeren Ausdifferenzierung der Masken, die für individuelle Standardcharaktere zur Verfügung standen. Bei Pollux findet sich später eine lange Liste tragischer und komischer Masken (Poll. 4,133–142; 4,142–154).

      Cicero behauptet, dass ihm oft die Augen eines Schauspielers durch die Maske zu glühen schienen bei einer Äußerung voller starker Emotionen, die der Schauspieler offenbar spürte (Cic. de orat. 2,193). An anderer Stelle bemerkt er, dass die Augen das wichtigste Element des Gesichts seien und daher die ältere Generation, die die dramatische Karriere des Schauspielers Roscius voll miterlebt hatte, in der Regel nicht einmal Roscius besonders lobte, wenn er eine Maske getragen habe, weil man, so muss man schließen, seine Augen nicht sah (Cic. de orat. 3,221). Dennoch geht Cicero davon aus, dass die Beherrschung des Gesichtsausdrucks, der Stimme und der Bewegung signifikante Komponenten der dramatischen Kunst seien, die für gelungene Schauspielkunst optimal aufeinander abgestimmt sein müssen (Cic. de orat. 1,18). Offenbar war es für die Zuschauer möglich, trotz der gleichbleibenden Masken für bestimmte Rollen die Qualität eines Schauspielers am Zusammenspiel von Stimme, Gestik und zu vermutendem Gesichtsausdruck zu erkennen.

      3.5. Status der Dichter

      Die republikanischen Dichter, die Latein als Literatursprache etablierten und das Abfassen literarischer Werke auf Latein initiierten, stammten nicht aus Rom, sondern aus anderen Teilen Italiens oder sogar anderen Ländern: Livius Andronicus war wahrscheinlich griechischer Herkunft und kam aus Süditalien (Suet. gramm. 1,2). Naevius war ein Kampanier, vielleicht aus Capua (Gell. 1,24,2 [▶ T 32]). Ennius stammte aus der kalabrischen/messapischen Stadt Rudiae (Cic. Arch. 22; Enn. inc. 10 W. = ann. 525 Sk.; Hor. carm. 4,8,20; Serv. zu Verg. Aen. 7,691). Sein Neffe Pacuvius war oskischer Herkunft und wurde in Brundisium (Brindisi) geboren (Hier. chron. 1863, zu 154 v. Chr. [p. 142e Helm]). Plautus kam aus dem umbrischen Sarsina (Fest., p. 274 L. = Paul. Fest., p. 275,1–3 L.; Hier. chron. 1817, zu 200 v. Chr. [p. 135h Helm]; Suet. vita Plaut.). Caecilius Statius war ein Insubrer aus Gallien (Hier. chron. 1838, zu 179 v. Chr. [p. 138b Helm]; Suet. vita Caec.). Terenz war afrikanischer Herkunft (Suet./Don. vita Ter. 1). Publilius Syrus stammte aus Syrien (Macr. Sat. 2,7,6; Hier. chron. 1974, zu 43 v. Chr. [p. 157k Helm]). Die drei Letzten waren Sklaven und wurden später von ihren Herren freigelassen, wie wahrscheinlich auch Livius Andronicus. Accius war der Sohn von Freigelassenen (Hier. chron. 1878, zu 139 v. Chr. [p. 144h Helm]; Suet. vita Acc.). L. Livius Andronicus und Q. Ennius erhielten später das römische Bürgerrecht (Liv. Andr.: vgl. tria nomina; Enn.: vgl. Cic. Brut. 79; Arch. 22).

      Alle Gegenden im Mittelmeerraum, aus denen diese ‚römischen‘ Dramatiker stammten, vor allem Kampanien und das Gebiet um Tarent, waren von griechischer Kultur beeinflusst. Daher brachten diese Dichter Vertrautheit mit lokalen Bräuchen und Sprachen sowie mit griechischer Tradition nach Rom, wo sie wieder einen anderen kulturellen Kontext fanden. Aufgrund ihrer Herkunft und Ausbildung waren diese Dramatiker an eine kulturelle Vielfalt gewöhnt und in der Lage, Dramen für das römische Publikum zu schaffen. Dadurch, dass sie die lateinische Sprache für ihre in Rom produzierten literarischen Werke verwendeten, trugen die nicht-römischen Dramatiker dazu bei, Roms Sprache und nationale Identität zu formen.

      Der Grund, dass die Römer diese ‚Fremden‘ akzeptierten, war vermutlich, dass sie offen und flexibel waren in Bezug auf Übernahme und Adaption im Kontakt mit anderen Völkern, zumal die Dichter ihnen in ihrer eigenen Sprache entgegenkamen. Dennoch waren die Römer sich des fremden Ursprungs ihrer (ersten) Dichter bewusst und reflektierten über die Tatsache, dass sie die Literatur von den Griechen und mit zeitlicher Verzögerung kennengelernt und angenommen hatten (z.B. Cic. Tusc. 1,3 [▶ T 6]; Hor. epist. 2,1,156–167 [▶ T 2]).

doctrina Graecia nos et omni litterarum genere superabat; in quo erat facile vincere non repugnantes. nam cum apud Graecos antiquissimum e doctis genus sit poetarum, si quidem Homerus fuit et Hesiodus ante Romam conditam, Archilochus regnante Romulo, serius poeticam nos accepimus. annis fere CCCCCX post Romam conditam Livius, <qui fuit maior natu quam Plautus et Naevius,> fabulam dedit C. Claudio, Caeci filio, M. Tuditano consulibus, anno ante natum Ennium {qui fuit maior natu quam Plautus et Naevius}. sero igitur a nostris poetae vel cogniti vel recepti. In der Bildung und in jeder Art von Literatur übertraf uns Griechenland; dabei war es leicht, die zu besiegen, die keinen Widerstand leisteten. Denn während bei den Griechen die älteste Gruppe der Gebildeten die der Dichter war, da ja Homer und Hesiod vor der Gründung Roms und Archilochus zu Romulus’ Regierungszeit lebten, haben wir die Dichtung erst später übernommen. Ungefähr 510 Jahre nach der Gründung Roms führte Livius [Andronicus], der älter war als Plautus und Naevius, ein Drama auf, im Konsulat von C. Claudius, Caecus’ Sohn, und M. Tuditanus [240 v. Chr.], ein Jahr vor Ennius’ Geburt. Spät also sind Dichter den Unsrigen bekannt oder von ihnen aufgenommen worden.

      Die ersten republikanischen Dramatiker waren nicht nur keine Römer, sondern auch von geringem sozialen Status: Im Gegensatz zu Verfassern anderer literarischer Gattungen waren sie Sklaven, Freigelassene oder freie Fremde (peregrini). Geschichtsschreiber hingegen waren in der Regel römische Senatoren, da dieses literarische Genre sich größerer Wertschätzung erfreute. Römische Redner, die ihre Reden publizierten, waren ebenfalls römische Bürger. Der Satiriker Lucilius im zweiten Jahrhundert v. Chr. war ein römischer Bürger und ein reicher Ritter (Vell. 2,9,4; Hor. sat. 2,1,75; Lucil. 671–672 M. = 650–651 W.).

      Offensichtlich gab es einen Unterschied zwischen Aristokraten mit literarischen Ambitionen und professionellen Dichtern mit niedrigem sozialen Status. Erst gegen Ende der Republik, als Dramen nicht mehr unbedingt für die Aufführung auf der Bühne geschaffen wurden, fingen Gebildete aus dem Ritter- und Senatorenstand wie Iulius Caesar Strabo oder Ciceros Bruder Quintus an, Tragödien zu verfassen (▶ Kap. 5.19). In der Kaiserzeit scheinen die meisten Dramendichter höheren sozialen Rängen angehört zu haben; ihre Stücke waren vermutlich jedoch nicht in erster Linie für die Aufführung auf der Bühne gedacht.

      Der Mimusdichter Decimus Laberius (ca. 106–43 v. Chr.) ist der einzige professionelle Dramatiker mit einem höheren sozialen Status (Ritter), von dem man weiß, dass er in der republikanischen Zeit für die Bühne geschrieben hat. Entsprechend stand Laberius’ sozialer Status im Mittelpunkt, als Caesar Laberius zwang, in seinen eigenen Mimen auf der Bühne zu erscheinen und so seinen Ritterstatus vorübergehend zu verlieren (Macr. Sat. 2,3,10; 2,7,2–9 [▶ T 29]; Sen. contr. 7,3,9; ▶ Kap. 4.6; 5.17).

      Die Organisation der Feste in Rom brachte die Dramatiker der republikanischen Zeit in Kontakt mit einflussreichen Angehörigen der Nobilität. Da die verantwortlichen Beamten jährlich wechselten, machten die Dichter Bekanntschaft mit Mitgliedern verschiedener Familien. Während Schauspieler offenbar als unangemessener Umgang für Beamte betrachtet wurden (▶ Kap. 3.6), konnten Dichter mit hochrangigen Personen des öffentlichen Lebens verkehren. Derartige Kontakte wurden nur dann ein Kritikpunkt, wenn Adlige verdächtigt wurden, Dichter für ihre eigenen Zwecke auszunutzen (Cic. Tusc. 1,3), oder wenn Dichtern vorgeworfen wurde, literarische Unterstützung von adligen Freunden erhalten zu haben (Ter. Haut. 22–24; Ad. 15–21; Cic. Att. 7,3,10; Quint. inst. 10,1,99; Suet./Don. vita Ter. 4).

      Wie der Kontakt zwischen Dichtern und Politikern im Einzelnen aussah, wird in der Forschung diskutiert. Da einige Dramatiker Praetexten über militärische und politische Leistungen bestimmter Adliger geschrieben, Dramen für Leichenspiele von Einzelpersonen