temporäre Theateranlage auf dem Palatin
Rekonstruktion des Aufführungsorts für die Uraufführung von Plautus’ Pseudolus (191 v. Chr.) vor dem Tempel der Magna Mater auf dem Palatin
Mehrere Versuche im Verlauf des zweiten Jahrhunderts v. Chr., ein dauerhaftes Theater in Rom zu errichten, waren erfolglos (Tert. spect. 10,4). 179 v. Chr. gab der Zensor M. Aemilius Lepidus einen Zuschauerbereich und eine Bühne (theatrum et proscaenium) in der Nähe des Tempels des Apollo in Auftrag (Liv. 40,51,3), vermutlich intendiert als ein bleibender Bau für die Ludi Apollinares. Gleichzeitig fügte der andere Zensor M. Fulvius Nobilior eine Porticus zum Tempel hinzu (Liv. 40,51,6). Vielleicht sollte der gesamte Komplex zu einem Theatertempel umgestaltet werden; dann hätte der erste Plan für ein festes Theatergebäude in Rom bereits die Grundstruktur gehabt, die durch das erste tatsächlich erbaute steinerne Theater mehr als 100 Jahre später realisiert wurde.
Es gibt keine Informationen dazu, was mit diesem Vorstoß zur Errichtung eines Theatergebäudes 179 v. Chr. geschah. Wenn ein als dauerhaft intendiertes Theater begonnen oder gar gebaut wurde, existierte es offensichtlich fünf Jahre später nicht mehr, als ein weiterer Versuch unternommen wurde. 174 v. Chr. verfolgten die Zensoren Q. Fulvius Flaccus und A. Postumius Albinus ein ambitionierteres Projekt: Als Teil eines weitreichenden Bauprogramms, das auch Ergänzungen im Circus einschloss (Liv. 41,27,6), gaben sie eine Bühne in Auftrag, die Aedilen und Praetoren zur Verfügung gestellt werden sollte (Liv. 41,27,6). Da bald weitere Pläne erwogen wurden, wurde dieses Projekt entweder nicht realisiert oder der Bau bereits während der Aufbauarbeiten oder kurz danach abgerissen. Eine derartige Bühne war offenbar als Angebot für alle Beamten, die Spiele veranstalten, gedacht, wobei allerdings keine enge Beziehung mehr zwischen dem Ort der dramatischen Aufführung und dem jeweils geehrten Gott bestanden hätte.
Die Zensoren von 154 v. Chr., M. Valerius Messalla and C. Cassius Longinus, machten einen weiteren Versuch zur Errichtung eines Theaters, wahrscheinlich entlang des südwestlichen Abhangs des Palatin (Vell. 1,15,3: a Lupercali in Palatium versus theatrum). Doch auf Initiative des Ex-Konsuls und Ex-Zensors P. Cornelius Scipio Nasica (Corculum) beschloss der Senat kurz darauf, das Theater oder den Zuschauerbereich (theatrum), die bereits im Bau waren, abzureißen.
Es mag einen vierten Versuch der Errichtung eines dauerhaften Theaters in Rom gegeben haben, 107 v. Chr. durch den Konsul L. Cassius Longinus. Die bereits weit fortgeschrittene Konstruktion wurde im folgenden Jahr durch seinen Nachfolger Q. Servilius Caepio zerstört (App. civ. 1,28,125; vgl. auch Vell. 1,15,3).
Gründe für die ablehnende Haltung von Mitgliedern der römischen Senatsnobilität hinsichtlich eines bleibenden Theaters kann man nur erschließen. Jedenfalls richtet sich der Widerstand nicht gegen die Theateraufführungen, sondern gegen die Dauerhaftigkeit der Bauten. Bei einigen der erfolglosen Versuche ging es um die Errichtung einer Bühne, bei anderen um Konstruktionen für Zuschauer. Man hat daher vermutet, dass die Nobilität fürchtete, auf Dauer angelegte Theaterbauten könnten potenziell gefährliche Versammlungen ermöglichen, oder dass die jährliche Errichtung von Theatern den Veranstaltern die Möglichkeit gab, sich spendabel zu zeigen, während die Erinnerung daran nicht dauerhaft festgeschrieben wurde, oder dass ein bestehendes Theater dem Prinzip der jährlich sich erneuernden Verantwortlichkeit für Dramenaufführungen durch wechselnde Magistrate widersprochen hätte. Abgesehen von möglichen politischen Ursachen ist eine plausible Erklärung vielleicht auch die Hypothese, dass ein fester Theaterbau den religiösen Riten zuwidergelaufen wäre. Ein solcher Bau hätte es unmöglich gemacht, Aufführungen vor den Tempeln der Götter der verschiedenen Feste oder im Forum stattfinden zu lassen.
Obwohl also Theaterbauten in Rom bis fast an das Ende der Republik temporär blieben, betraf die fortschreitende Entwicklung der Dramenaufführungen zu etwas immer Eindrucksvollerem hin auch die Struktur von Theaterbauten. So gab es im ersten Jahrhundert v. Chr. aufwendige temporäre Theaterbauten: Beispielsweise hatten sie unter anderem Säulen aus Marmor, bewegliche Bühnen, mit Statuen geschmückte oder mit Elfenbein, Silber und Gold ausgestattete Bühnenanlagen oder einen mit Planen gegen die Sonne ausgestatteten Zuschauerbereich (z.B. Val. Max. 2,4,6). Der Höhepunkt dieser Entwicklung zur Extravaganz bei vorübergehend errichteten Theatern wurde 58 v. Chr. mit dem gigantischen und luxuriösen Bau des kurulischen Aedilen M. Aemilius Scaurus erreicht (z.B. Plin. nat. 34,36; 36,5–6; 36,113–115). In der späten Republik und der frühen Kaiserzeit konnten Einzelpersönlichkeiten im Streben nach beeindruckenden Aufführungen sogar Veranstaltungen in allen Vierteln der Stadt anbieten (Suet. Iul. 39,1; Aug. 43,1). Besonderer Prunk ließ sich erreichen, wenn Spiele an Orten veranstaltet wurden, die vorher nicht zu diesem Zweck benutzt worden waren (Suet. Claud. 21,1).
55 v. Chr. weihte Pompeius das erste auf Dauer angelegte Steintheater in Rom, das nach seinem Triumph 61 v. Chr. erbaut worden war (Cic. fam. 7,1–4; off. 2,57; Pis. 65; Asc. zu Cic. Pis.; Pis. 65 [pp. 1; 15–16 Clark]; Tac. ann. 3,72,2; 14,20,2; Plin. nat. 7,158; 8,20; Suet. Claud. 21,1; Gell. 10,1,7; Tert. spect. 10,5; Cass. Dio 39,38,1–3; Plut. Pomp. 52,5). Auf das Theater des Pompeius folgten das Theater des Balbus (13 v. Chr.) und das Theater des Marcellus, begonnen von Caesar und vollendet und eingeweiht von Augustus (13/11 v. Chr.; vgl. auch Suet. Vesp. 19). Pompeius’ Gebäude war ein riesiger Komplex; er bestand aus einem kompletten Theater und einem Tempel für Venus (Victrix) über den Sitzreihen für die Zuschauer, deren zentraler keilförmiger Abschnitt eine monumentale Treppe zum Tempel bildete. Auf diese Weise wurde die traditionelle Struktur in Stein übertragen; eine sichtbare Verbindung zwischen Theaterbau und religiösem Kult wurde beibehalten. Das Theater des Pompeius wurde in der Antike als riesig betrachtet (Plin. nat. 34,17,39–40; Amm. 16,10,14) und hatte angeblich 40000 Sitzplätze (Plin. nat. 36,115); hingegen gehen moderne Schätzungen von 11000 bis 12000 aus.
Modell des Pompeius-Theaters
Rekonstruktionsmodell des Gebäudekomplexes des Pompeius-Theaters, des ersten steinernen Theaters in Rom (eingeweiht 55 v. Chr.), bestehend aus Tempel über dem Zuschauerbereich (cavea), Orchestra-Anlage, Bühne mit Bühnengebäude und dahinter anschließender Säulenhalle (porticus)
Während der Einweihungszeremonien soll Pompeius betont haben, dass er kein Theater, sondern eher einen Tempel für Venus gebaut habe, dessen Stufen als Sitzplätze bei Aufführungen benutzt werden könnten (Tert. spect. 10,5; vgl. auch Gell. 10,1,7). Dadurch machte Pompeius deutlich, dass er religiöse Pflichten erfüllte und die Tradition bewahrte, auch wenn er nicht ein Theater in der Nähe eines Tempels einer Festgottheit, sondern einen neuen Tempel zusammen mit einem neuen Theater errichtet hatte. Sogar in der Mitte des ersten Jahrhunderts v. Chr. scheint die Errichtung eines dauerhaft bestehenden Theaters in Rom also nicht vollkommen problemlos gewesen zu sein, da Pompeius auf Kritik stieß (Tac. ann. 14,20,2). Doch wurde in dieser Zeit ein derartiges Theater offenbar eher toleriert als noch im zweiten Jahrhundert v. Chr. bzw. hatten sich die politischen Machtverhältnisse entsprechend verändert.
Auch nach 55 v. Chr. gab es weiterhin temporäre Bühnen in Rom, wahrscheinlich wiederum, um eine Nähe zwischen dramatischen Aufführungen und dem jeweils relevanten Tempel zu erreichen. Feste Steinstrukturen wurden offenbar nicht schlagartig Standard, wobei die Unterschiede fließend sind: Das ‚temporäre‘ Theater des C. Scribonius Curio, 53 v. Chr. erbaut (Plin. nat. 36,116–120), existierte noch zwei Jahre nach seiner Erbauung (Cic. fam. 8,2,1 [Anfang Juni 51 v. Chr.]).
Beispiel für republikanische Theaterarchitektur
Basis (polychrome Terrakotta) einer Aedicula, aus der Grabkammer des P. Numitorius Hilarus an der Via Salaria in Rom, 1. Jh. v. Chr. (Rom, Palazzo