2007) und stellt eine der grundlegenden Methoden für die Erfassung sprachlicher Fähigkeiten in verschiedenen Kontexten dar. Sie ist damit deutlich von Alltagsbeobachtungen (z. B. „Das Kind spricht schlecht.“) abzugrenzen. Eine systematische Beobachtung stellt dabei sicher,
„was (und bei mehreren Beobachtern auch von wem) zu beobachten ist, was für die Beobachtung wesentlich ist, ob bzw. in welcher Weise das Beobachtete gedeutet werden darf, wann und wo die Beobachtung stattfindet und wie das Beobachtete zu protokollieren ist“ (Bortz/Döring 2006, 263).
Es wird deutlich, dass der Fokus der Beobachtung unbedingt im Vorfeld festzulegen ist. Hierbei können beispielsweise die folgenden Fragen helfen, eine entsprechende Fokussierung herauszuarbeiten:
■ Steht nur das Kind selbst mit seinen sprachlichen Fähigkeiten im Fokus oder auch die Interaktion des Kindes mit seinen Kommunikationspartnern?
■ Welche sprachstrukturelle(n) Ebene(n) wird/werden in den Blick genommen?
■ Wird die verbale, nonverbale und/oder paraverbale Kommunikation beobachtet?
■ Sollen auch nichtsprachliche Aspekte, z. B. im Bereich sozial-emotionale Entwicklung, beobachtet werden?
■ Soll der dem Kind angebotene Input durch den Erzieher oder den Lehrer analysiert werden?
■ Soll das Feedback bzw. generell die Reaktion auf sprachliche Äußerungen des Kindes im Blickpunkt stehen?
Modellierungsregeln einer Beobachtung
Während der Beobachtung selbst bzw. im Nachgang werden die fokussierten Aspekte dokumentiert. Hierfür liegen sogenannte Modellierungsregeln einer Beobachtung vor, die helfen, das tatsächlich beobachtete Verhalten dekontextualisiert festzuhalten (Bortz/Döring 2006, 262ff.): Zuerst ist dies die bereits thematisierte Selektion als Auswahl bestimmter Beobachtungsgegenstände. So werden für die jeweilige Beobachtung relevante von irrelevanten Informationen getrennt.
Durch die Abstraktion sollen beobachtete Ereignisse aus ihrem jeweiligen Kontext gelöst werden, was der Reduzierung auf ihre wesentliche Bedeutung entspricht.
Die Klassifikation ermöglicht die Kategorisierung von Ereignis- und Merkmalsklassen. Je nach Setting und Zielstellung der Beobachtung bieten sich hier unterschiedliche Kategorien an.
Die Erstellung eines übersichtlichen Gesamtprotokolls dient der Systematisierung der erhobenen Daten und damit letztlich der Beantwortung der Forschungsfrage(n).
Als letzter, aber enorm wichtiger Aspekt ist die Relativierung zu nennen. Es muss unbedingt darauf hingewiesen werden, dass aus punktuellen Beobachtungsergebnissen keine allgemeingültigen Aussagen getroffen werden können. Anhand des Vorwissens ist das beobachtete Verhalten zu relativieren.
3.4.1 Formen der Beobachtung
Für die Durchführung der Beobachtung selbst werden verschiedene Formen unterschieden, die einen nicht unwesentlichen Einfluss auf das zu erhebende Datenmaterial haben. Die Einteilung dieser Formen orientiert sich dabei vorwiegend an der Frage der Transparenz der Zielstellung der Beobachtung für das Kind selbst und daran, in welcher Form der Beobachter auf die beobachtete Situation Einfluss hat:
Teilnehmende/nicht-teilnehmende Beobachtung: Grundsätzlich ist zwischen einer teilnehmenden und einer nicht-teilnehmenden Beobachtung zu unterscheiden. Bei einer teilnehmenden Beobachtung gestaltet der Beobachtende die jeweilige Situation durch sein Handeln selbst mit. Bei einer nicht-teilnehmenden Beobachtung wird das Verhalten von außen beobachtet.
Das gleichzeitige Beobachten (und Protokollieren) ist mit dem eigentlichen Sinn einer teilnehmenden Beobachtung schwer zu vereinbaren. So kann das Beobachtete i.d.R. erst nach Abschluss der Beobachtung schriftlich festgehalten werden, was die Qualität der Daten schmälern kann (aufgrund von Gedächtnislücken und subjektiven Fehlinterpretationen) (Bortz/Döring 2006).
Häufig ist es schwierig, als teilnehmender Beobachter einerseits im Geschehen integriert zu sein und andererseits den „normalen“ Ablauf des Geschehens durch eigene Initiativen und Aktivitäten nicht zu verändern. Diese Mehrfachbelastung von Mitgestaltung und gleichzeitiger Beobachtung und Dokumentation kann ggf. auch zu einer Überforderung führen (Beushausen/Grötzbach 2011). Es muss ebenfalls darauf hingewiesen werden, dass durch den Einfluss eines unbekannten teilnehmenden Beobachters ggf. nur Ausschnitte der Fähigkeiten des Kindes sichtbar werden und damit z.B. bestimmte Fähigkeiten des kommunikativ-pragmatischen Repertoires verborgen bleiben (Sarimski/Möller 1991).
Offene / verdeckte Beobachtung: Im Kontext sprachheilpädagogischer und sprachtherapeutischer Arbeit wird häufig offen beobachtet. Das heißt, dem Kind bzw. auch seinen Interaktionspartnern ist i.d.R. bekannt, dass die sprachlichen/ kommunikativen Fähigkeiten in der Beobachtungssituation im Fokus der Beobachtung stehen. Wenn im Bildungskontext (Kita, Schule) eine größere Personengruppe beispielsweise im Freispiel oder in einer Unterrichtsstunde beobachtet wird, ist dies ggf. für das jeweilige Kind nicht so klar ersichtlich (welche Person im Fokus der Beobachtung steht, bleibt hier eher unklar.).
Apparative Beobachtung: Der Einsatz apparativer Hilfen (z.B. Videoaufnahmen) kann die Beobachtung wesentlich erleichtern. Gerade auch für die Beratung von Eltern, Lehrkräften oder pädagogischen Fachkräften kann das dokumentierte Material im Nachgang zur Erläuterung spezifischer Aspekte genutzt werden (z.B. zur Darstellung der Eltern-Kind-Interaktion, der Fachkraft-Kind-Interaktion, der verwendeten Feedback-Methoden der Lehrkraft).
Standardisierte / teilstandardisierte / nicht standardisierte (freie) Beobachtungen: Im Bereich der Sprachdiagnostik werden freie Beobachtungen i.d.R. nicht eingesetzt. Aufgrund des hypothesengeleiteten Vorgehens sollten zuvor Beobachtungsschwerpunkte festgelegt und ggf. die Auswahl eines Beobachtungsdokumentationsinstruments vorgenommen worden sein. Eine standardisierte Beobachtung schreibt genau vor, was zu beobachten ist und wie das Beobachtete protokolliert werden soll (Bortz/Döring 2006). Die ausschließliche Aufmerksamkeit des Beobachters liegt auf dem, in einzelne Elemente zerlegbaren, beobachtbaren Geschehen (Bortz/Döring 2006). Bei einer teilstandardisierten Beobachtung sind einzelne Aspekte in der beschriebenen Form vorstrukturiert, andere Aspekte werden zusätzlich frei beobachtet.
Als Herausforderungen bzw. Probleme bei verschiedenen Beobachtungsformen werden häufig folgende Aspekte genannt:
■ Zeigen von sozial erwünschten Verhaltensweisen (bei offener Beobachtung)
■ Beeinflussung des sozialen Geschehens durch die beobachtende Person
■ Schwierigkeiten beim Zugang zum Feld (in diesem Falle z.B. zu Interaktionssituationen mit den Eltern oder in der Kita)
■ Schwierigkeiten bei der Protokollierung, je nach Setting
■ Akzeptanz des Beobachters ist entscheidend
Die Notwendigkeit einer möglichst objektiven Beobachtung wurde bereits erläutert. Neben diagnostischen Fehlern, die bei allen Methoden auftreten können, sind für die Beobachtung spezifische Fehler in Form von Verzerrungen beschrieben (Fisseni 2004, 133f.):
■ Überforderte Differenzierungsfähigkeit: Die Kapazitätsgrenzen der menschlichen Wahrnehmung limitieren die Anzahl gleichzeitig beobachtbarer Verhaltensmerkmale und Personen.
■ Unscharfe Definition: Der Gegenstand der Beobachtung muss ausreichend definiert sein, um vergleichbare Beobachtungsergebnisse zu erhalten (z. B.: Woran mache ich fest, dass ein Kind gute kommunikative Fähigkeiten zeigt?).
■ Mangelnde Vertrautheit mit dem Beobachtungsgegenstand (und mit den Möglichkeiten zur Codierung)
■ Mangelnde Vertrautheit mit der Probandengruppe: Dies bezieht sich in der Sprachdiagnostik beispielsweise auf bestimmte Altersgruppen mit ihren entwicklungstypischen spezifischen Interaktionsformen.
Urteilstendenzen und Beurteilungsfehler
Daneben sind viele „klassische“ Urteilstendenzen und Beurteilungsfehler beschrieben, die beobachtetes Verhalten verfälschen können (Hesse/Latzko 2017, 50f.), u. a.:
■ Tendenz zur Mitte (Meidung von Extremurteilen)
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