Anke Ortlepp

Geschichte der USA


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ratifizierten. Dieses Programm, das außer dem Recht auf BildungAfroamerikanerBildung und einer Bodenreform zu Gunsten der ehemaligen Sklaven alle Forderungen der radikalen Republikaner erfüllte, wurde im ständigen Streit mit Präsident JohnsonJohnson, Andrew verwirklicht. Im Süden entstanden nun die reconstruction governments, in denen unionstreue weiße Südstaatler, RepublikanerRepublikanische ParteiRekonstruktion aus dem Norden und Afroamerikaner zusammenarbeiteten. Siedlergruppen, die erst vor kürzerem aus Europa eingewandert waren, wie die Deutschen in TexasTexas, schlossen sich ebenfalls in der Regel dieser republikanischen Koalition an. Das eigentlich RevolutionäreReformbewegungen2. Hälfte 19.Jh. (und für viele Weiße Unerträgliche) war jedoch die Beteiligung von Schwarzen, die insgesamt mehr als 600 Parlamentsabgeordnete stellten und in einer Reihe von Staaten auch Regierungsämter bekleideten. Dreizehn AfroamerikanerAfroamerikanerRekonstruktion wurden während dieser Zeit in das US-Repräsentantenhaus gewählt, und 1870 entsandte das Parlament von MississippiMississippi (Staat) den Pfarrer Hiram R. RevelsRevels, Hiram R. als ersten Schwarzen in den US-Senat. Während es sich bei den Staatenabgeordneten mehrheitlich um ehemalige Sklaven (freedmen) handelte, fielen die höheren Posten gewöhnlich an Schwarze, die schon vor dem BürgerkriegBürgerkrieg ihre Freiheit erlangt hatten.

      Zu den ersten Maßnahmen der RekonstruktionsAfroamerikanerRekonstruktion-Regierungen gehörte die Aufhebung der diskriminierenden Black Codes, die häufig lediglich umformulierte slave codes gewesen waren. Auf der Grundlage der neuen, fortschrittlichen Verfassungen bemühten sie sich dann um soziale und humanitäre ReformenReformbewegungen2. Hälfte 19.Jh., um eine Verbesserung der Infrastruktur und um den Aufbau von Industrien, die den landlosen ehemaligen Sklaven Arbeit geben sollten. Viele der Projekte waren allerdings zu ehrgeizig und kostspielig, um in den Südstaaten, die noch unter den Kriegsfolgen litten, echte Realisierungschancen zu haben. Erfolge stellten sich dagegen im BildungswesenBildungswesen ein, das im SüdenSüden stets vernachlässigt worden war. Alle Staaten bauten nun öffentliche Schulen, in denen der Unterricht – oft von Mitarbeitern des Freedmen’s BureauFreedmen’s Bureau oder nordstaatlicher Reformgesellschaften – kostenlos erteilt wurde. An der Tatsache, dass die Schulen fast durchweg „segregiert“, d. h. nach Rassen getrennt waren, nahm unter den gegebenen Umständen kaum jemand Anstoß. Das Verlangen vieler Schwarzer, ihr Schicksal selbst zu gestalten, spiegelte sich auch im Bau eigener KirchenKirchen und in religiösen Zusammenschlüssen wie der National Baptist ConventionBaptistenNational Baptist Convention und der African Methodist Episcopal ChurchAfrican Methodist Episcopal Church wider. Schwarze Kirchen, die schon vor der EmanzipationAfroamerikanerEmanzipation maßgeblich zur Ausformung einer afroamerikanischen KulturAfroamerikanerKultur und Identität beigetragen hatten, erfüllten nun zusätzliche Aufgaben als Sozialstationen und politische Versammlungsstätten. Pfarrer agierten häufig gleichermaßen als geistliche und weltliche community leaders und hielten – zusammen mit Handwerkern – den höchsten Anteil an der neuen politischen Elite der Schwarzen im Süden.

      Abb. 10: Die ersten afroamerikanischen Senatoren und Repräsentanten des US-Kongresses, 1872

      Die konservativen Weißen, die all dies als höchst bedrohlich und umstürzlerisch ansahen, setzten ihre Hoffnungen zunächst noch auf Präsident JohnsonJohnson, Andrew. Der Kongress hielt den Präsidenten aber mit Hilfe des Tenure of Office Act in Schach, der ihm untersagte, hohe Beamte, Offiziere und Richter ohne einen entsprechenden Parlamentsbeschluss zu entlassen. Damit wollten die RepublikanerRepublikanische ParteiRekonstruktion insbesondere Kriegsminister Edwin M. StantonStanton, Edwin M. und Armee-Oberbefehlshaber GrantGrant, Ulysses S. schützen, die das radikale RekonstruktionsAfroamerikanerRekonstruktion-Programm befürworteten und maßgeblich zur praktischen Durchsetzung beitrugen. Als Präsident JohnsonJohnson, Andrew in der Überzeugung, das Gesetz sei verfassungswidrig, StantonStanton, Edwin M. Anfang 1868 trotzdem entließ, kam es zum offenen Konflikt. Gemäß der ImpeachmentImpeachment (Amtsenthebung)-Klausel in der VerfassungVerfassung erhob das Repräsentantenhaus im Februar 1868 mit großer Mehrheit Amtsanklage gegen Johnson, wobei die Verletzung des Tenure of Office Act den Hauptvorwurf bildete. Tatsächlich war dies aber der Höhepunkt eines politischen Machtkampfes zwischen den beiden Regierungszweigen, den JohnsonJohnson, Andrew durch provozierende Reden und Handlungen zusätzlich aufgeheizt hatte. Da die Republikaner im Senat, der das Urteil fällen musste, über die nötige Zweidrittelmehrheit verfügten, schien Johnsons Amtsenthebung sicher. Der politische Hintergrund der Anklage und die Sorge, die Autorität der Exekutive könnte irreparabel beschädigt werden, veranlassten dann aber im Mai mehrere RepublikanerRepublikanische ParteiRekonstruktion, mit der demokratischen Minderheit gegen die Amtsenthebung zu stimmen. JohnsonJohnson, Andrew entging auf diese Weise knapp der Absetzung, aber er hatte doch eine Niederlage erlitten, die ihn während der letzten Monate im Weißen Haus politisch lähmte. Für die Präsidentschaftswahlen im November 1868 wurde er nicht mehr nominiert, und der republikanische Kandidat, der Kriegsheld Ulysses S. GrantGrant, Ulysses S., setzte sich mühelos gegen den demokratischen Bewerber Horatio SeymourSeymour, Horatio durch. Die Republikaner nutzten den Sieg, um im Kongress einen weiteren Verfassungszusatz zu beschließen, der den Staaten ausdrücklich verbot, ihren Bürgern das WahlrechtWahlrecht „auf Grund von Rasse, Hautfarbe oder früherer Knechtschaft“ zu versagen. Die Ratifizierung dieses 15. Amendments erfolgte 1870, wobei mehrere Nordstaaten auffallend zögerten und vier Südstaaten nur zustimmten, um endlich wieder in die Union zurückkehren zu dürfen. Damit waren einige Lücken, die das 14. Amendment bei der Definition des Staatsbürgerrechts gelassen hatte, geschlossen, jedoch längst nicht alle, wie sich in der politischen Praxis bald zeigen sollte. Enttäuscht reagierten viele weiblicheAbolitionistenFrauen AbolitionistenAbolitionisten, da beide Amendments die privilegierte Stellung der Männer absicherten und FrauenFrauenWahlrecht allen ihren Forderungen und Protesten zum Trotz auch weiterhin vom WahlrechtWahlrechtFrauen ausgeschlossen blieben.

      Die weiße Gegenoffensive im SüdenSüden

      Bis 1871 hatten alle ehemaligen Konföderationsstaaten die Bedingungen der radikalen Rekonstruktion erfüllt und waren wieder Teil der Union. Die günstige Rechtslage entsprach aber nicht der Verfassungswirklichkeit im SüdenSüden, die sich seit Ende der 1860er Jahre drastisch verschlechtert hatte. Konservative und rassistische Weiße waren hier ungeachtet der militärischen Besetzung in die Offensive gegangen, um ihr Land von der Herrschaft der Schwarzen und der Republikaner zu „erlösen“. In einem Staat nach dem anderen gelang es ihnen, die Kontrolle über die Staatenparlamente zurückzuerobern. Dabei profitierten sie von politischen Fehlern und Unregelmäßigkeiten der Rekonstruktions-Regierungen, die bei der mangelnden Erfahrung der meisten Abgeordneten und Minister gar nicht ausbleiben konnten. Berechtigte Kritik mischten sie propagandawirksam mit einer pauschalen Verächtlichmachung der weißen RepublikanerRepublikanische ParteiRekonstruktion im Süden als scalawagsscalawags (wertloses Vieh) und der aus dem Norden zugewanderten Politiker und Geschäftsleute als profitgierige carpetbaggerscarpetbaggers, die nur ihre leeren Satteltaschen füllen wollten. Die Strategie der radikalen DemokratenDemokratische ParteiRekonstruktion zielte aber weit über das gewöhnliche Ringen um parlamentarische Mehrheiten hinaus. Integraler Bestandteil war eine Terror- und Mordkampagne, die den politischen Gegner einschüchtern und die schwarze Bevölkerung wieder gefügig machen sollte. Geführt wurde dieser Untergrundkrieg für home rule und white supremacy von Geheimgesellschaften, die sich zumeist aus ehemaligen Soldaten und Offizieren der Konföderation rekrutierten. Am weitesten verbreitet und am meisten gefürchtet war der Ku-Klux-KlanKu-Klux-Klan, den der Südstaaten-General Nathan Bedford ForrestForrest, Nathan Bedford bereits 1865 in TennesseeTennessee gegründet hatte und der sich zu einer Art „militärischem Arm“ der Demokratischen ParteiDemokratische ParteiRekonstruktion im Süden entwickelte. Der Klan wurde zwar vom Kongress verboten und von den Militärgouverneuren – unterschiedlich konsequent – bekämpft, aber der Schrecken, den seine Anhänger schon durch ihre äußere Erscheinung (schwarze Umhänge und spitz zulaufende weiße Kapuzen) und ihre Rituale (nächtliche Umzüge mit brennenden Kreuzen) verbreiteten, ließ sich nie hinreichend eindämmen.

      Politischer Druck und paramilitärischer Terror allein hätten aber wohl nicht ausgereicht, um die Errungenschaften